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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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Anfang an den Gedanken, aus' jedem der 2et Jnsanteriebataillone, welche ich
vorfand, zwei zu machen und so mit 40 Bataillonen ä. 6 bis 700 Mann in zwei
Glieder formirt aufzutreten. Hätte les dazu sofort die Mittel erhalten, so
wäre der Sieg gesichert gewesen. Aber einmal mangelten die nöthigen Offi¬
ziere und Unteroffiziere, und dann hinderte die finanzielle Lage. Man schrie
schon so über die ungeheuren Lasten, welche die Armee dem Land auflege.
Ich beschloß also zunächst nur die Bataillone theils durch Rekruten, theils durch
die Rcservcbrigade bis auf 12 bis 1400 Mann zu verstärken, um später bei
mehr Offizieren die Trennung in zwei Bataillone vorzunehmen. Als Vorbe¬
reitung dazu wurde die Scheidung derselben in die bekannten Abtheilungen
verfügt und die Stellung in zwei Gliedern als die Normalstellung vorgeschrieben.

Schon damals wollte ich die zwanzigjährige Altersclasse einstellen und
Werbedepvts in Hamburg errichten, aber die Statthalterschaft war gegen beide
Maßregeln, gegen jene, weil sie fälschlich die betreffende Altersclasse noch für
zu schwach hielt, gegen diese, weil sie befürchtete, dadurch demokratische Ele¬
mente heranzulocken und damit der Regierung Anstoß zu geben. Auch hoffte
man noch immer, die Sache durch Vermittelung der Diplomatie zu beenden
und hörte auf die Stimmen von Berlin, welche vorstellten, man solle doch die
im Gange befindlichen Verhandlungen, nicht durch vergrößerte Rüstungen er¬
schweren. Nur sehr mangelhaft in die Windungen der damaligen Politik ein¬
geweiht, dachte ich selbst kaum an die Wahrscheinlichkeit eines Kampfes mit der
dänischen Uebermackt, am wenigsten aber daran, daß der Fall so nahe liegen
könne. Ich that also nur, was zur bessern Organisation des Vorhandenen er¬
forderlich war, gab ein neues Reglement, welches sich ganz auf die Stellung
in zwei Gliedern stützte, führte die Campagne-Karren, die Flaggen ein, in-
spicirte, ließ fleißig exermen, so weit es der geringe Etat zuließ, und begann
vor Allem mit den Werken, welche die damals im schlechtesten Zustand befind¬
liche Festung Rendsburg zum Centrum eines nach der Theorie des großen Kriegs
gedachten Vertheidigungssystems machen sollten. Der gänzliche Mangel an In-
genieurossizieren war dabei sehr empfindlich, Alles mußte einem alten dänischen
Obersten überlassen werden, den ich fortwährend antreiben mußte."

"Es galt aber nicht blos Neues zu schaffen, sondern auch Unbrauchbares
zu beseitigen. So namentlich im Offiziercorps. Es fanden sich mehre häßliche
Untersuchungen vor, welche mich nicht mit Vertrauen in die moralischen Ele¬
mente der kleinen Armee blicken ließen. Diese Zustände würden mich noch be¬
denklicher über die Zukunft gemacht haben, hätte ich nicht immer noch mit
Bestimmtheit darauf gerechnet, bei dem etwaigen Wiederbeginn der Feindselig¬
keiten mindestens eine preußische Division zur Seite zu haben (!) und die eigene
Armee durch Wiederhereinziehcn von preußischen Offizieren heben zu können."

"So waren die Monate April, Mai und Juni vergangen, als plötzlich


Anfang an den Gedanken, aus' jedem der 2et Jnsanteriebataillone, welche ich
vorfand, zwei zu machen und so mit 40 Bataillonen ä. 6 bis 700 Mann in zwei
Glieder formirt aufzutreten. Hätte les dazu sofort die Mittel erhalten, so
wäre der Sieg gesichert gewesen. Aber einmal mangelten die nöthigen Offi¬
ziere und Unteroffiziere, und dann hinderte die finanzielle Lage. Man schrie
schon so über die ungeheuren Lasten, welche die Armee dem Land auflege.
Ich beschloß also zunächst nur die Bataillone theils durch Rekruten, theils durch
die Rcservcbrigade bis auf 12 bis 1400 Mann zu verstärken, um später bei
mehr Offizieren die Trennung in zwei Bataillone vorzunehmen. Als Vorbe¬
reitung dazu wurde die Scheidung derselben in die bekannten Abtheilungen
verfügt und die Stellung in zwei Gliedern als die Normalstellung vorgeschrieben.

Schon damals wollte ich die zwanzigjährige Altersclasse einstellen und
Werbedepvts in Hamburg errichten, aber die Statthalterschaft war gegen beide
Maßregeln, gegen jene, weil sie fälschlich die betreffende Altersclasse noch für
zu schwach hielt, gegen diese, weil sie befürchtete, dadurch demokratische Ele¬
mente heranzulocken und damit der Regierung Anstoß zu geben. Auch hoffte
man noch immer, die Sache durch Vermittelung der Diplomatie zu beenden
und hörte auf die Stimmen von Berlin, welche vorstellten, man solle doch die
im Gange befindlichen Verhandlungen, nicht durch vergrößerte Rüstungen er¬
schweren. Nur sehr mangelhaft in die Windungen der damaligen Politik ein¬
geweiht, dachte ich selbst kaum an die Wahrscheinlichkeit eines Kampfes mit der
dänischen Uebermackt, am wenigsten aber daran, daß der Fall so nahe liegen
könne. Ich that also nur, was zur bessern Organisation des Vorhandenen er¬
forderlich war, gab ein neues Reglement, welches sich ganz auf die Stellung
in zwei Gliedern stützte, führte die Campagne-Karren, die Flaggen ein, in-
spicirte, ließ fleißig exermen, so weit es der geringe Etat zuließ, und begann
vor Allem mit den Werken, welche die damals im schlechtesten Zustand befind¬
liche Festung Rendsburg zum Centrum eines nach der Theorie des großen Kriegs
gedachten Vertheidigungssystems machen sollten. Der gänzliche Mangel an In-
genieurossizieren war dabei sehr empfindlich, Alles mußte einem alten dänischen
Obersten überlassen werden, den ich fortwährend antreiben mußte."

„Es galt aber nicht blos Neues zu schaffen, sondern auch Unbrauchbares
zu beseitigen. So namentlich im Offiziercorps. Es fanden sich mehre häßliche
Untersuchungen vor, welche mich nicht mit Vertrauen in die moralischen Ele¬
mente der kleinen Armee blicken ließen. Diese Zustände würden mich noch be¬
denklicher über die Zukunft gemacht haben, hätte ich nicht immer noch mit
Bestimmtheit darauf gerechnet, bei dem etwaigen Wiederbeginn der Feindselig¬
keiten mindestens eine preußische Division zur Seite zu haben (!) und die eigene
Armee durch Wiederhereinziehcn von preußischen Offizieren heben zu können."

„So waren die Monate April, Mai und Juni vergangen, als plötzlich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/240>, abgerufen am 30.05.2024.