Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.der unklaren Formen des Gerichtswesens, Dazu ist nun ferner das Beweis- Dieser faulen Executive, für die es überflüssig ist mehr Beispiele zu geben, der unklaren Formen des Gerichtswesens, Dazu ist nun ferner das Beweis- Dieser faulen Executive, für die es überflüssig ist mehr Beispiele zu geben, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0052" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114908"/> <p xml:id="ID_145" prev="#ID_144"> der unklaren Formen des Gerichtswesens, Dazu ist nun ferner das Beweis-<lb/> verfahren ein Kinderspott. In Civil- und Jnjuriensachen ist von dem gemein¬<lb/> rechtlichen Beweismittel der Eideszuschiebung fast nie die Rede, In Straf¬<lb/> sachen können Dinge, die jedes Kind in der Stadt weiß, nicht constatirt<lb/> werden, weil von einem Jndicienbeweise, wie ihn jedes gemeine Gericht täglich<lb/> anwendet, keine Rede ist. Trotzdem wird stets die Komödie langer Unter¬<lb/> suchungen aufgeführt; es wird nach diesem und jenem gefragt, und hinterher<lb/> lachen meist die Untersuchenden ebenso gemüthlich wie die Studenten darüber,<lb/> daß nichts zu entdecken war, obgleich sie beiderseits recht gut Bescheid wissen,<lb/> Diese Laxheit wird aber auch schon sehr mit Unterschied dessen geübt, was<lb/> durchgelassen und was genau verfolgt werden soll. Zum Ersteren gehört<lb/> gewöhnlich das gemeine Duell; zum Letzteren haben namentlich früher die<lb/> burschenschaftlichen Vereine gehört, denen gegenüber verordnet war, auch ohne<lb/> stricten Beweis abzuurtheilen. Dazu kommt die ganz gewöhnliche absichtliche<lb/> Vermeidung von Untersuchungen Seitens der Behörden. Dieselben weisen oft<lb/> geradezu die Ofsiciantcn an, gewisse Dinge nicht zur Anzeige zu bringen und,<lb/> wie die Sache einmal liegt, sparen sie damit unnütze Zeitvergeudung. Doch ist es<lb/> auch nicht begünstigten Ausschreitungen gegenüber gar nichts Ungewöhnliches,<lb/> daß man sich scheut sie heranzuziehen, um Entfernungen von Studenten und<lb/> Ungunst derselben zu vermeiden, und das wird nicht aufhören, so lange die<lb/> Justiz in Händen der Professoren ist, die ja vor allen Dingen möglichst viele<lb/> Studenten bei der Universität zusammenzuhalten ein Interesse haben und per¬<lb/> sönlich bei ihnen unbeliebt zu werden stets besorgen. So ist mir ein Fall<lb/> bekannt, in welchem ein Prorector, als er eine offenkundige Prügelei zwischen<lb/> Studenren zu verfolgen genöthigt war, das Odium der Initiative dadurch von<lb/> sich fern zu halten suchte, daß er sich Mühe gab, die eine betheiligte Partei<lb/> durch kleine Künste zur Denunciation heranzuziehen. Wagt aber einmal einer,<lb/> wie Schenkel in Heidelberg, endlich dreinzufahren, wenn die Excesse kein Ende<lb/> nehmen, so stürmen die College» mit Zetergeschrei (in der Augsburger Allge¬<lb/> meinen Zeitung) über ihn her, weil er ihnen vielleicht für einige Zeit den<lb/> Markt verdirbt. Endlich haben auch die Strafen, welche, wenn ein Vergehen<lb/> erkannt ist, verhängbar sind, keinen einfach rationellen Maßstab, Theils sind<lb/> sie gänzlich wirkungslos, wie Rügen u. tgi., bei der geringen Achtung, in wel¬<lb/> cher die Urtheile als solche mit Recht stehen, lheils sind sie ganz maßlos störend<lb/> in ihren Konsequenzen für die Zukunft des Betroffenen und meist noch mehr<lb/> für seine Eltern.</p><lb/> <p xml:id="ID_146" next="#ID_147"> Dieser faulen Executive, für die es überflüssig ist mehr Beispiele zu geben,<lb/> entspricht nun auch daS schwankende Ansehen, in welches die Gesetze gestellt<lb/> sind. Es gibt zweierlei akademische Gesetze, officielle, über die man sich lustig<lb/> macht, und vfsiciöse, die zu achten guter Ton ist, Was für lächerlich illuso-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0052]
der unklaren Formen des Gerichtswesens, Dazu ist nun ferner das Beweis-
verfahren ein Kinderspott. In Civil- und Jnjuriensachen ist von dem gemein¬
rechtlichen Beweismittel der Eideszuschiebung fast nie die Rede, In Straf¬
sachen können Dinge, die jedes Kind in der Stadt weiß, nicht constatirt
werden, weil von einem Jndicienbeweise, wie ihn jedes gemeine Gericht täglich
anwendet, keine Rede ist. Trotzdem wird stets die Komödie langer Unter¬
suchungen aufgeführt; es wird nach diesem und jenem gefragt, und hinterher
lachen meist die Untersuchenden ebenso gemüthlich wie die Studenten darüber,
daß nichts zu entdecken war, obgleich sie beiderseits recht gut Bescheid wissen,
Diese Laxheit wird aber auch schon sehr mit Unterschied dessen geübt, was
durchgelassen und was genau verfolgt werden soll. Zum Ersteren gehört
gewöhnlich das gemeine Duell; zum Letzteren haben namentlich früher die
burschenschaftlichen Vereine gehört, denen gegenüber verordnet war, auch ohne
stricten Beweis abzuurtheilen. Dazu kommt die ganz gewöhnliche absichtliche
Vermeidung von Untersuchungen Seitens der Behörden. Dieselben weisen oft
geradezu die Ofsiciantcn an, gewisse Dinge nicht zur Anzeige zu bringen und,
wie die Sache einmal liegt, sparen sie damit unnütze Zeitvergeudung. Doch ist es
auch nicht begünstigten Ausschreitungen gegenüber gar nichts Ungewöhnliches,
daß man sich scheut sie heranzuziehen, um Entfernungen von Studenten und
Ungunst derselben zu vermeiden, und das wird nicht aufhören, so lange die
Justiz in Händen der Professoren ist, die ja vor allen Dingen möglichst viele
Studenten bei der Universität zusammenzuhalten ein Interesse haben und per¬
sönlich bei ihnen unbeliebt zu werden stets besorgen. So ist mir ein Fall
bekannt, in welchem ein Prorector, als er eine offenkundige Prügelei zwischen
Studenren zu verfolgen genöthigt war, das Odium der Initiative dadurch von
sich fern zu halten suchte, daß er sich Mühe gab, die eine betheiligte Partei
durch kleine Künste zur Denunciation heranzuziehen. Wagt aber einmal einer,
wie Schenkel in Heidelberg, endlich dreinzufahren, wenn die Excesse kein Ende
nehmen, so stürmen die College» mit Zetergeschrei (in der Augsburger Allge¬
meinen Zeitung) über ihn her, weil er ihnen vielleicht für einige Zeit den
Markt verdirbt. Endlich haben auch die Strafen, welche, wenn ein Vergehen
erkannt ist, verhängbar sind, keinen einfach rationellen Maßstab, Theils sind
sie gänzlich wirkungslos, wie Rügen u. tgi., bei der geringen Achtung, in wel¬
cher die Urtheile als solche mit Recht stehen, lheils sind sie ganz maßlos störend
in ihren Konsequenzen für die Zukunft des Betroffenen und meist noch mehr
für seine Eltern.
Dieser faulen Executive, für die es überflüssig ist mehr Beispiele zu geben,
entspricht nun auch daS schwankende Ansehen, in welches die Gesetze gestellt
sind. Es gibt zweierlei akademische Gesetze, officielle, über die man sich lustig
macht, und vfsiciöse, die zu achten guter Ton ist, Was für lächerlich illuso-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |