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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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geschlagen habe. Doch ein blinder Bewunderer des Corsen ist Byron nie
gewesen. Aus seinem Munde erscholl ja bei dem Falle des Herrschers der höh¬
nische Jubelruf:


tds <Zol>oI"lor ässolats,
tds viator overtliro^v" I

Und als der Weltüberwinder beim Schwinden der letzten Hoffnung den
Muth nicht fand, ein Dasein zu beenden, das nicht mehr ein Leben war, als
Alle, denen die Theologie die freie natürliche Empfindung noch nicht verküm¬
mert hatte, mit Ekel auf dies unwürdige Schauspiel der Feigheit blickten- da
war es wieder Byron, der der Verachtung furchtbare Worte lieh:


ana üartn inen sxilt nsr dlooä lor dio,
wdo tlius van dosrck Kis owv!

Ihm schwebte vor Augen das Ideal eines Bölkerfriedens, von dem die
moderne Welt sich nie mehr trennen wird, er wußte (und er schlug mit diesen
Worten auf Napoleon so gut wie auf seine Ueberwinder), daß "auf den un¬
fruchtbaren Blättern der Geschichte zehntausend Eroberer neben einem Weisen
stehen", und Niemand wird ohne Rührung aus dem Munde des leidenschaft¬
lichen Mannes die Worte reinster Menschenliebe hören:


tus al'viriA up a singls tsar Kaf mors
ok vonest tÄins leis-u sdeääing shah ok Zors.

Byrons Opposition gegen das System der Legitimität hatte einen tiefe¬
ren, grundsätzlichen Charakter. Nach der Entthronung Napoleons mußte Eu¬
ropa abermals die Wahrheit des ernsten Gesetzes an sich erfahren, daß die
Welt nur dann vorwärtsschreitet, wenn sie als klein und verächtlich verlacht,
was ihr gestern noch groß und des edelsten Schweißes werth erschien. Wieder
und wieder pries man den Dreizack der meerbeherrschenden Britannia und ihre
glückliche Verfassung und die erleuchteten Heldenkaiser und das fromme Russen¬
volk. Es war hohe Zeit, daß diesem gedankenlosen selbstgefälligen Jubel ein
Ziel gesetzt werde:


ttiosk s,rs tue tdsmes druf sunZ 80 oll betors,
metlüuks >of neeä not sin^ eben ano mors.

Wollte die Welt den Segen der Freiheitskriege genießen, so mußte sie zu¬
vor die häßliche Kehrseite des Kampfes verstehen. In der That, welches Bild
boten diese Kriege dem Auge eines geistvollen liberalen Engländers, der von
der idealen Begeisterung, welche die deutsche Jugend in den Streit geführt,
nichts wissen konnte? Er sah die Metternich und Castlereagh triumphiren über
den größten Mann des Jahrhunderts, die gemeine Mittelmäßigkeit eines Lud¬
wig des Achtzehnter als den lachenden Erben eines Napoleon. Er sah in
Tyrol und in Spanien das Volk geführt von den bigotten Anhängern des al¬
ten Despotismus und wilder noch gegen die überlegene Gesittung als gegen die


geschlagen habe. Doch ein blinder Bewunderer des Corsen ist Byron nie
gewesen. Aus seinem Munde erscholl ja bei dem Falle des Herrschers der höh¬
nische Jubelruf:


tds <Zol>oI»lor ässolats,
tds viator overtliro^v» I

Und als der Weltüberwinder beim Schwinden der letzten Hoffnung den
Muth nicht fand, ein Dasein zu beenden, das nicht mehr ein Leben war, als
Alle, denen die Theologie die freie natürliche Empfindung noch nicht verküm¬
mert hatte, mit Ekel auf dies unwürdige Schauspiel der Feigheit blickten- da
war es wieder Byron, der der Verachtung furchtbare Worte lieh:


ana üartn inen sxilt nsr dlooä lor dio,
wdo tlius van dosrck Kis owv!

Ihm schwebte vor Augen das Ideal eines Bölkerfriedens, von dem die
moderne Welt sich nie mehr trennen wird, er wußte (und er schlug mit diesen
Worten auf Napoleon so gut wie auf seine Ueberwinder), daß „auf den un¬
fruchtbaren Blättern der Geschichte zehntausend Eroberer neben einem Weisen
stehen", und Niemand wird ohne Rührung aus dem Munde des leidenschaft¬
lichen Mannes die Worte reinster Menschenliebe hören:


tus al'viriA up a singls tsar Kaf mors
ok vonest tÄins leis-u sdeääing shah ok Zors.

Byrons Opposition gegen das System der Legitimität hatte einen tiefe¬
ren, grundsätzlichen Charakter. Nach der Entthronung Napoleons mußte Eu¬
ropa abermals die Wahrheit des ernsten Gesetzes an sich erfahren, daß die
Welt nur dann vorwärtsschreitet, wenn sie als klein und verächtlich verlacht,
was ihr gestern noch groß und des edelsten Schweißes werth erschien. Wieder
und wieder pries man den Dreizack der meerbeherrschenden Britannia und ihre
glückliche Verfassung und die erleuchteten Heldenkaiser und das fromme Russen¬
volk. Es war hohe Zeit, daß diesem gedankenlosen selbstgefälligen Jubel ein
Ziel gesetzt werde:


ttiosk s,rs tue tdsmes druf sunZ 80 oll betors,
metlüuks >of neeä not sin^ eben ano mors.

Wollte die Welt den Segen der Freiheitskriege genießen, so mußte sie zu¬
vor die häßliche Kehrseite des Kampfes verstehen. In der That, welches Bild
boten diese Kriege dem Auge eines geistvollen liberalen Engländers, der von
der idealen Begeisterung, welche die deutsche Jugend in den Streit geführt,
nichts wissen konnte? Er sah die Metternich und Castlereagh triumphiren über
den größten Mann des Jahrhunderts, die gemeine Mittelmäßigkeit eines Lud¬
wig des Achtzehnter als den lachenden Erben eines Napoleon. Er sah in
Tyrol und in Spanien das Volk geführt von den bigotten Anhängern des al¬
ten Despotismus und wilder noch gegen die überlegene Gesittung als gegen die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/20>, abgerufen am 15.05.2024.