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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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Theorien genannt, abgeordnet, welche dem olympischen Zeus Opfer und Ge¬
schenke brachten, eine Sitte, die auch Platon in seinen Gesetzen als nothwen¬
dig bezeichnet. Die Kosten der Gesandtschaften bestritt zwar großentheils die
Staatskasse; da aber bei den Opfern und Auszügen gern ein Staat den andern
durch die Pracht der Kleider und Geräthe und durch die Menge des Personals
zu überstrahlen trachtete, so hatte das Haupt der Gesandtschaft oder der Archi-
theorvs gewöhnlich selbst bedeutende Ausgaben nöthig, um seine Absender wür¬
dig zu repräsentiren, A" diese Deputationen schlössen sich nun gewöhnlich auch
viele Privatleute an, die als Zuschauer oder Handelsleute dem Festort zuström¬
ten. Das Zusehen war weder Barbaren noch Sklaven verwehrt. Was da¬
gegen das schöne Geschlecht betrifft, so wäre es mit der athenischen Sitte un¬
vereinbar gewesen, Frauen und Töchter den Augen so vieler Männer und dem
durch die örtlichen Verhältnisse gebotenen freieren Umgange der Geschlechter
bloß zu stellen und ihnen den Anblick der nackten Kämpfergestalten zu gestatten.
Von ihrer Anwesenheit kann also keine Rede sein. wenn auch kein Gesetz die¬
selbe verbot. Die dorische Sitte dagegen, welche besonders den Jungfrauen
große Freiheiten gestattete, sah in der Theilnahme derselben nichts Unrechtes.
Bei einer peloponnesischen Festkaravane, die einst nach Plutarch auf dem Zuge
nach Delphi in Megara beleidigt wurde, befanden sich Kinder und Weiber.
Und daß die verheiratheten Frauen auch nicht zu Hause blieben, läßt sich aus
dem schließen. was Livius über das Benehmen des ausschweifenden Philipp
des Dritten von Macedonien bei den nemeischen Spielen des Jahres 208
v. Chr. erzählt. Weder Töchter noch Ehefrauen waren vor ihm sicher und
namentlich verführte er Polykratia, die Gattin eines vornehmen Achäers. Am
grausamsten verfuhren die Eleer selbst gegen ihre Ehehälften. Sie verboten
ihnen gänzlich den Zutritt, und schon das Ueberschreiten des das heilige Gebiet
begrenzenden Alpheus an den Festtagen zog die Strafe nach sich, von dem in
der Nähe liegenden typäischen Felsen herabgestürzt zu werden. Wie Pausanias
berichtet, war eine gewisse Kallipateira. die sich in Männertracht eingeschlichen
hatte, die einzige, die als Uebertreterin jenes Gebotes ertappt wurde; man ent¬
ließ sie aber straflos, da sie es aus Liebe zu ihrem Sohne gethan hatte, der
zum ersten Male als Wettkämpfer auftrat und siegte. Eine gewiß vielbcneidete
Ausnahme machte allein von den Eleerinnen die Priesterin der Demeter Cha-
myne, welche auf einem weißen Altare im Stadium den Preisrichtern gegen¬
über ihren Ehrensitz hatte. Es gab zwar in Elis besondere Beamte, welche
die Gesandten fremder Städte zu empfangen hatten, und wahrscheinlich erhielten
letztere auch Gastgeschenke in Victualien von den Eleern. Aber was das Quar¬
tier anlangt, so wird es ihnen nicht viel anders ergangen sein, als allen an¬
deren Gästen. Es läßt sich nämlich zwar nicht bezweifeln, daß in Olympia, wie bei
anderen Wallfahrtsorten, wenn auch nicht große, hotclartige Gebäude, wie z. B.


Theorien genannt, abgeordnet, welche dem olympischen Zeus Opfer und Ge¬
schenke brachten, eine Sitte, die auch Platon in seinen Gesetzen als nothwen¬
dig bezeichnet. Die Kosten der Gesandtschaften bestritt zwar großentheils die
Staatskasse; da aber bei den Opfern und Auszügen gern ein Staat den andern
durch die Pracht der Kleider und Geräthe und durch die Menge des Personals
zu überstrahlen trachtete, so hatte das Haupt der Gesandtschaft oder der Archi-
theorvs gewöhnlich selbst bedeutende Ausgaben nöthig, um seine Absender wür¬
dig zu repräsentiren, A» diese Deputationen schlössen sich nun gewöhnlich auch
viele Privatleute an, die als Zuschauer oder Handelsleute dem Festort zuström¬
ten. Das Zusehen war weder Barbaren noch Sklaven verwehrt. Was da¬
gegen das schöne Geschlecht betrifft, so wäre es mit der athenischen Sitte un¬
vereinbar gewesen, Frauen und Töchter den Augen so vieler Männer und dem
durch die örtlichen Verhältnisse gebotenen freieren Umgange der Geschlechter
bloß zu stellen und ihnen den Anblick der nackten Kämpfergestalten zu gestatten.
Von ihrer Anwesenheit kann also keine Rede sein. wenn auch kein Gesetz die¬
selbe verbot. Die dorische Sitte dagegen, welche besonders den Jungfrauen
große Freiheiten gestattete, sah in der Theilnahme derselben nichts Unrechtes.
Bei einer peloponnesischen Festkaravane, die einst nach Plutarch auf dem Zuge
nach Delphi in Megara beleidigt wurde, befanden sich Kinder und Weiber.
Und daß die verheiratheten Frauen auch nicht zu Hause blieben, läßt sich aus
dem schließen. was Livius über das Benehmen des ausschweifenden Philipp
des Dritten von Macedonien bei den nemeischen Spielen des Jahres 208
v. Chr. erzählt. Weder Töchter noch Ehefrauen waren vor ihm sicher und
namentlich verführte er Polykratia, die Gattin eines vornehmen Achäers. Am
grausamsten verfuhren die Eleer selbst gegen ihre Ehehälften. Sie verboten
ihnen gänzlich den Zutritt, und schon das Ueberschreiten des das heilige Gebiet
begrenzenden Alpheus an den Festtagen zog die Strafe nach sich, von dem in
der Nähe liegenden typäischen Felsen herabgestürzt zu werden. Wie Pausanias
berichtet, war eine gewisse Kallipateira. die sich in Männertracht eingeschlichen
hatte, die einzige, die als Uebertreterin jenes Gebotes ertappt wurde; man ent¬
ließ sie aber straflos, da sie es aus Liebe zu ihrem Sohne gethan hatte, der
zum ersten Male als Wettkämpfer auftrat und siegte. Eine gewiß vielbcneidete
Ausnahme machte allein von den Eleerinnen die Priesterin der Demeter Cha-
myne, welche auf einem weißen Altare im Stadium den Preisrichtern gegen¬
über ihren Ehrensitz hatte. Es gab zwar in Elis besondere Beamte, welche
die Gesandten fremder Städte zu empfangen hatten, und wahrscheinlich erhielten
letztere auch Gastgeschenke in Victualien von den Eleern. Aber was das Quar¬
tier anlangt, so wird es ihnen nicht viel anders ergangen sein, als allen an¬
deren Gästen. Es läßt sich nämlich zwar nicht bezweifeln, daß in Olympia, wie bei
anderen Wallfahrtsorten, wenn auch nicht große, hotclartige Gebäude, wie z. B.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/93>, abgerufen am 31.05.2024.