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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Nävolus heißt es: "Während Alle schreien, sprichst Du nur und hältst Dich für
einen Anwalt und Rechtsgelehrten. Auf diese Weise kann Jedermann beredt sein:
Siehe es schweigen Alle; Ncivolus, sage doch etwas!" Von Cinna sagt er:
"Heißt das Processe führen, heißt das eine Rede hatten, beredter Cinna, wenn
man in zehn Stunden neun Worte spricht? Und doch hast du eben mit ge¬
waltiger Stimme vier Klepsydren verlangt! O wie sehr verstehst Du -- zu
schweigen!" Einen Anfänger, dem der Schulstaub noch anklebte, schildert er in
Postumus: "Nicht Mord, nicht Gewaltthat, noch Vergiftung, nur drei Ziegen
betrifft der ganze Hader, die mein Nachbar mir entfremdet hat. Du lässest er¬
tönen Carmel, den Krieg des Mithridates. die Meineide punischer Treulosigkeit
dann Marius, Mucius und Sulla, keck mit schallendem Ruf, mit Wuth-
geberdcn --- Nunmehr, Postumus, sprich von meinen Ziegen!" Nicht besser
kommt der schwatzende Cäcilianus weg: "Sieben Klepsydren hat Dir auf
Deine Bitte ungern der Richter gegeben. Aber Du sprichst viel und lange und
trinkst halb zurückgebeugt laues Wasser, um Stimme und Durst endlich zu sättigen.
-- Wir bitten Dich, trinke doch aus der Klepsydra. Cäcilianus!" Eine,
Feigling und Achselträger endlich charakterisirt er in Pontinus. an den er schreibt:
"Ich habe Streit mit Balbus; den Balbus willst Du nicht beleidigen. Mit
Licinus; auch dieser ist ein großer Mann. Es schädigt der Nachbar Patrvbas
mein Grundstück; Du fürchtest Dich, gegen Cäsars Freigelassenen vorzugehen.
Caronia hält mir einen Sklaven zurück und läugnet ihn ab; sie ist kinderlos,
antwortest Du, reich, alt, eine Wittwe. Nicht gut, glaube mir, dient sich einem
Diener; frei sei, wer mein Schutzherr sein will!" Die Habsucht und Bestechlichkeit
der Advocaten wuchs in dieser Periode- mit der allgemeinen Sittenverderbniß
und dem Streben, um jeden Preis ein reicher Mann zu werden. Unter
Augusius wurde das Cincischc Gesetz noch einmal durch Senatsbeschluß einge¬
schärft und auf die Übertretung desselben das Vierfache des empfangenen Lohnes
gesetzt, obgleich schon Quintilian die Honorirung der Sachwalter für gerecht
und nothwendig erklärt. Aber man sah sich bald genöthigt, gelindere Saiten
anzuschlagen und dem Honorare Grenzen zu setzen. Unter dem Kaiser Claudius
nämlich, der übrigens in seinem verkehrten Richtereiser von den Advocaten
förmlich gemißhandelt, auf dem Tribunale mit Gewalt an den Beinen oder de.
Toga festgehalten und einmal sogar von einem griechischen Anwälte ein alter
Narr geschimpft wurde, war bereits, wie Tacitus sich ausdrückt, keine öffentliche
Waare so käuflich, als die Perfidie der Advocaten, und als ein römischer
Ritter, nachdem er 400,000 Sestertien einem Sachwalter und Ankläger ge¬
zahlt und doch erfahren mußte, daß er verrathen worden war, sich entleibt hatte,
verlangten die Senatoren die Erneuerung des Crncischen Gesetzes. Da. jedoch die
Advocaten dagegen einwendeten, daß ihnen auch ihre Wissenschaft Geld koste,
daß sie ihre eigenen Angelegenheiten vernachlässige" müßten, um sich fremden


Nävolus heißt es: „Während Alle schreien, sprichst Du nur und hältst Dich für
einen Anwalt und Rechtsgelehrten. Auf diese Weise kann Jedermann beredt sein:
Siehe es schweigen Alle; Ncivolus, sage doch etwas!" Von Cinna sagt er:
„Heißt das Processe führen, heißt das eine Rede hatten, beredter Cinna, wenn
man in zehn Stunden neun Worte spricht? Und doch hast du eben mit ge¬
waltiger Stimme vier Klepsydren verlangt! O wie sehr verstehst Du — zu
schweigen!" Einen Anfänger, dem der Schulstaub noch anklebte, schildert er in
Postumus: „Nicht Mord, nicht Gewaltthat, noch Vergiftung, nur drei Ziegen
betrifft der ganze Hader, die mein Nachbar mir entfremdet hat. Du lässest er¬
tönen Carmel, den Krieg des Mithridates. die Meineide punischer Treulosigkeit
dann Marius, Mucius und Sulla, keck mit schallendem Ruf, mit Wuth-
geberdcn —- Nunmehr, Postumus, sprich von meinen Ziegen!" Nicht besser
kommt der schwatzende Cäcilianus weg: „Sieben Klepsydren hat Dir auf
Deine Bitte ungern der Richter gegeben. Aber Du sprichst viel und lange und
trinkst halb zurückgebeugt laues Wasser, um Stimme und Durst endlich zu sättigen.
— Wir bitten Dich, trinke doch aus der Klepsydra. Cäcilianus!" Eine,
Feigling und Achselträger endlich charakterisirt er in Pontinus. an den er schreibt:
„Ich habe Streit mit Balbus; den Balbus willst Du nicht beleidigen. Mit
Licinus; auch dieser ist ein großer Mann. Es schädigt der Nachbar Patrvbas
mein Grundstück; Du fürchtest Dich, gegen Cäsars Freigelassenen vorzugehen.
Caronia hält mir einen Sklaven zurück und läugnet ihn ab; sie ist kinderlos,
antwortest Du, reich, alt, eine Wittwe. Nicht gut, glaube mir, dient sich einem
Diener; frei sei, wer mein Schutzherr sein will!" Die Habsucht und Bestechlichkeit
der Advocaten wuchs in dieser Periode- mit der allgemeinen Sittenverderbniß
und dem Streben, um jeden Preis ein reicher Mann zu werden. Unter
Augusius wurde das Cincischc Gesetz noch einmal durch Senatsbeschluß einge¬
schärft und auf die Übertretung desselben das Vierfache des empfangenen Lohnes
gesetzt, obgleich schon Quintilian die Honorirung der Sachwalter für gerecht
und nothwendig erklärt. Aber man sah sich bald genöthigt, gelindere Saiten
anzuschlagen und dem Honorare Grenzen zu setzen. Unter dem Kaiser Claudius
nämlich, der übrigens in seinem verkehrten Richtereiser von den Advocaten
förmlich gemißhandelt, auf dem Tribunale mit Gewalt an den Beinen oder de.
Toga festgehalten und einmal sogar von einem griechischen Anwälte ein alter
Narr geschimpft wurde, war bereits, wie Tacitus sich ausdrückt, keine öffentliche
Waare so käuflich, als die Perfidie der Advocaten, und als ein römischer
Ritter, nachdem er 400,000 Sestertien einem Sachwalter und Ankläger ge¬
zahlt und doch erfahren mußte, daß er verrathen worden war, sich entleibt hatte,
verlangten die Senatoren die Erneuerung des Crncischen Gesetzes. Da. jedoch die
Advocaten dagegen einwendeten, daß ihnen auch ihre Wissenschaft Geld koste,
daß sie ihre eigenen Angelegenheiten vernachlässige» müßten, um sich fremden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/37>, abgerufen am 29.04.2024.