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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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nisse der Advocaten im Allgemeinen nicht als glänzend geschildert. Die Stern
vierter und fünfter Größe unter ihnen verfielen in dieser Beziehung ebenfalls
dem Spotte der Satiriker. Einen gewissen Sextus fragt Martial: "Welcher
Grund oder welche Hoffnung zieht Dich nach Rom? Processe, sagst Du, werde
ich sichren beredter als Cicero selbst, und auf keinem der drei Fora wird mir
Jemand gewachsen sein! Auch Atestinus hat Processe geführt und Casus, beide
kanntest Du; aber keinem von beiden brachte es den Miethzins ein." An
Sextus schreibt er als fingirter Advocat: "Ich habe Deinen Proceß ge¬
führt nach Ausmachung von 2000 Sestertien. Wieviel schicktest Du mir?
Tausend. Warum? Du hast nichts gesprochen, sagst Du, und die Sache ver¬
nachlässigt. Um so mehr bist Du mir schuldig, weil ich schamroth geworden din."
Die Sitte, dem Advocaten in Naturalien Geschenke zu machen, berührt er in
folgendem Epigramme: "Den Sabellus haben die Saturnalien reich gemacht.
Mit Recht bläst sich Sabellus auf und hält Niemanden unter den Sachwaltern
für glücklicher. Diesen Stolz und Muth verleiht ihm ein halber Scheffel Mehl
und Bohnenschrot, und von Weihrauch und Pfeffer drei halbe Pfunde, und
eine Wurst nebst einem Falisker Saumagen, und eine Glasflasche eingedicktem
Mostes, und lybische Feigen in gefrorener Schaale mit Knoblauch, Schnecken und
Käse. Auch kommt von einem picenischen Clienten ein wenig geräumiges Kistchen
voll kärglicher Oliven und, mit dicken Göttern geziert, der aus sieben Geschirren
bestehende Aufsatz eines spanischen Töpfers und eine mit breitem Purpur besetzte
Serviette.- Einträglichere Saturnalien hat Sabellus in zehn Jahren nicht gehabt."

In ähnlicher Weise läßt sich Juvenal über die Einkünfte der An¬
wälte hören: "Sag' an, was den Sachwaltern ihre Rechtsgeschäfte und die
sie begleitenden Actenbündel eintragen? Sie selbst führen das große Wort,
aber dann, wenn ein Gläubiger zuhört oder wenn noch dringender Einer
ihre Seite berührt, der eines unsicheren Postens wegen mit einem großen
Hauptbuche anlangt, dann hauchen ihre Lungenbälge unendliche Lügen aus und
der Busen hängt voll Schaum. Will man den wahren Ertrag schätzen, so muß
man auf die eine Seite der Waage die Vermögen von hundert Advocaten
legen, auf die andere nur das einzige eines Wettfahrers im Circus." Dann
zählt er auch als Belohnungen auf: trockne Schinken. Thunfische, Zwiebeln
einige Flaschen schlechten Wein. Erhalte man ja einmal ein Goldstück für
mehre Gänge, so müsse man contractlich mit dem Rechtsgelehrten theilen. Glück
und Erfolg habe nur der, welcher glänzenden Aufwand mache und mit berühmten
Ahnen prahlen könne. "Dem Cicero würde heute Niemand 200 Sestertien zahlen,
wenn an seiner Hand nicht ein ungeheurer Ring glänzte. Wer einen Proceß hat.
sieht jetzt zuerst darauf, ob Du acht Sklaven hast und zehn Begleiter, ob hinter
Dir ein Sessel getragen wird. Dir Voraus Clienten gehen. Deshalb plaidirte
Paulus mit einem geliehenen Sardonyxringe und machte bessere Geschäfte als An-


nisse der Advocaten im Allgemeinen nicht als glänzend geschildert. Die Stern
vierter und fünfter Größe unter ihnen verfielen in dieser Beziehung ebenfalls
dem Spotte der Satiriker. Einen gewissen Sextus fragt Martial: „Welcher
Grund oder welche Hoffnung zieht Dich nach Rom? Processe, sagst Du, werde
ich sichren beredter als Cicero selbst, und auf keinem der drei Fora wird mir
Jemand gewachsen sein! Auch Atestinus hat Processe geführt und Casus, beide
kanntest Du; aber keinem von beiden brachte es den Miethzins ein." An
Sextus schreibt er als fingirter Advocat: „Ich habe Deinen Proceß ge¬
führt nach Ausmachung von 2000 Sestertien. Wieviel schicktest Du mir?
Tausend. Warum? Du hast nichts gesprochen, sagst Du, und die Sache ver¬
nachlässigt. Um so mehr bist Du mir schuldig, weil ich schamroth geworden din."
Die Sitte, dem Advocaten in Naturalien Geschenke zu machen, berührt er in
folgendem Epigramme: „Den Sabellus haben die Saturnalien reich gemacht.
Mit Recht bläst sich Sabellus auf und hält Niemanden unter den Sachwaltern
für glücklicher. Diesen Stolz und Muth verleiht ihm ein halber Scheffel Mehl
und Bohnenschrot, und von Weihrauch und Pfeffer drei halbe Pfunde, und
eine Wurst nebst einem Falisker Saumagen, und eine Glasflasche eingedicktem
Mostes, und lybische Feigen in gefrorener Schaale mit Knoblauch, Schnecken und
Käse. Auch kommt von einem picenischen Clienten ein wenig geräumiges Kistchen
voll kärglicher Oliven und, mit dicken Göttern geziert, der aus sieben Geschirren
bestehende Aufsatz eines spanischen Töpfers und eine mit breitem Purpur besetzte
Serviette.- Einträglichere Saturnalien hat Sabellus in zehn Jahren nicht gehabt."

In ähnlicher Weise läßt sich Juvenal über die Einkünfte der An¬
wälte hören: „Sag' an, was den Sachwaltern ihre Rechtsgeschäfte und die
sie begleitenden Actenbündel eintragen? Sie selbst führen das große Wort,
aber dann, wenn ein Gläubiger zuhört oder wenn noch dringender Einer
ihre Seite berührt, der eines unsicheren Postens wegen mit einem großen
Hauptbuche anlangt, dann hauchen ihre Lungenbälge unendliche Lügen aus und
der Busen hängt voll Schaum. Will man den wahren Ertrag schätzen, so muß
man auf die eine Seite der Waage die Vermögen von hundert Advocaten
legen, auf die andere nur das einzige eines Wettfahrers im Circus." Dann
zählt er auch als Belohnungen auf: trockne Schinken. Thunfische, Zwiebeln
einige Flaschen schlechten Wein. Erhalte man ja einmal ein Goldstück für
mehre Gänge, so müsse man contractlich mit dem Rechtsgelehrten theilen. Glück
und Erfolg habe nur der, welcher glänzenden Aufwand mache und mit berühmten
Ahnen prahlen könne. „Dem Cicero würde heute Niemand 200 Sestertien zahlen,
wenn an seiner Hand nicht ein ungeheurer Ring glänzte. Wer einen Proceß hat.
sieht jetzt zuerst darauf, ob Du acht Sklaven hast und zehn Begleiter, ob hinter
Dir ein Sessel getragen wird. Dir Voraus Clienten gehen. Deshalb plaidirte
Paulus mit einem geliehenen Sardonyxringe und machte bessere Geschäfte als An-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/39>, abgerufen am 28.04.2024.