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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Deputirten bejahten dies. Darauf ließ der Großherzog sich von einem
der Adjutanten ein Concept reichen und verlas von demselben die nach¬
stehende Rede:

"Es ist zu meiner Kenntniß gekommen, daß der Magistrat meiner Residenz¬
stadt Schwerin seinen Deputirten zum diesjährigen Landtage instruirt hat, bei
Gelegenheit für eine Wiederherstellung des Staatsgrundgesctzes von 1849 zu
stimmen. Diese Thatsache, wenn sie auch keinen Erfolg gehabt, veranlaßt mich,
dem Magistrat meine entschiedene Mißbilligung dieses Schrittes zu er¬
kennen zu geben. Der verständige mecklenburgische Sinn wünscht jene Periode
politischer Verwirrung, aus welcher das gedachte Staatsgrundgesetz hervor¬
gegangen, nicht zurück. Das Land hat die Erlebnisse, gewerblichen Stockungen
und Verluste jener Tage noch in frischer Erinnerung. Ich könnte aus diesem
Grunde die Agitation für dieses Staatsgrundgesetz, wie ich bisher gethan, auch
ferner ihrem Schicksal überlassen. Allein der Ruf nach diesem Gesetze, welches
auf vollkommen rechtmäßigem Wege und für immer beseitigt ist, hat jetzt eine
andere Bedeutung. Er ist nur ein Glied n der Kette, mit welcher die aus
jener Zeit noch völlig erkennbare Partei des Umsturzes das engere wie das
weitere Vaterland zu umschlingen und ihren aller bestehenden rechtlichen Ordnung
feindlichen Plänen dienstbar zu machen bemüht ist, und welche gerade dadurch
allen gesunden Fortschritt hindert und unmöglich macht. Dies hätte der Magi¬
strat meiner Residenzstadt Schwerin einsehen müssen und darnach sein Verhal¬
ten einrichten sollen. Bei den nahen Beziehungen der Stadt zu meiner Person
und bei dem Werthe, den ich darauf lege, daß das bisherige Verhältniß des
Vertrauens nicht auf solche Weise zerrissen werde, habe ich es für meine Pflicht
gehalten, meine feste Willensmeinung hiermit dem Magistrate offen auszusprechen.
Ich hoffe, daß er diese wohlgemeinten Worte richtig verstehen, und daß er sie
berücksichtigen wird."

Offenbar hatte die feudale Partei, auf deren Einfluß dieser Ausdruck der
Mißbilligung zurückgeführt werden muß. den Großherzog über die Bedeutung
und Tendenz der dem Landtagsdeputirten von dem Magistrat ertheilten Instruc-
tion zu täuschen gewußt. Das Staatsgrundgesetz war gerade der Schluß
"jener Periode politischer Verwirrung", über welche der Großherzog, nachdem
er in der Proclamation vom 23. März 1848 dem Lande eine constitutionelle
Verfassung verheißen hatte, demselben mittelst Ausführung dieser Verheißung hin¬
weghalf. Wenn "gewerbliche Stockungen und Verluste" in jener bewegten
Zeit vorkamen, so fallen dieselben nicht aus Rechnung des Staatsgrundgesetzes,
sondern derjenigen Zeitbewegungen, welche für Mecklenburg gerade in dem
neuen festen Rechtsboden, welcher mit dem Staatsgrundgesctz geschaffen ward,
ihren aus vollkommen gesetzmäßigem Wege, ohne irgend eine gewaltsame Ein¬
wirkung herbeigeführten Abschluß fanden. "Es herrscht die größte Ruhe in


Grenzboten I. 1863. 12

Deputirten bejahten dies. Darauf ließ der Großherzog sich von einem
der Adjutanten ein Concept reichen und verlas von demselben die nach¬
stehende Rede:

„Es ist zu meiner Kenntniß gekommen, daß der Magistrat meiner Residenz¬
stadt Schwerin seinen Deputirten zum diesjährigen Landtage instruirt hat, bei
Gelegenheit für eine Wiederherstellung des Staatsgrundgesctzes von 1849 zu
stimmen. Diese Thatsache, wenn sie auch keinen Erfolg gehabt, veranlaßt mich,
dem Magistrat meine entschiedene Mißbilligung dieses Schrittes zu er¬
kennen zu geben. Der verständige mecklenburgische Sinn wünscht jene Periode
politischer Verwirrung, aus welcher das gedachte Staatsgrundgesetz hervor¬
gegangen, nicht zurück. Das Land hat die Erlebnisse, gewerblichen Stockungen
und Verluste jener Tage noch in frischer Erinnerung. Ich könnte aus diesem
Grunde die Agitation für dieses Staatsgrundgesetz, wie ich bisher gethan, auch
ferner ihrem Schicksal überlassen. Allein der Ruf nach diesem Gesetze, welches
auf vollkommen rechtmäßigem Wege und für immer beseitigt ist, hat jetzt eine
andere Bedeutung. Er ist nur ein Glied n der Kette, mit welcher die aus
jener Zeit noch völlig erkennbare Partei des Umsturzes das engere wie das
weitere Vaterland zu umschlingen und ihren aller bestehenden rechtlichen Ordnung
feindlichen Plänen dienstbar zu machen bemüht ist, und welche gerade dadurch
allen gesunden Fortschritt hindert und unmöglich macht. Dies hätte der Magi¬
strat meiner Residenzstadt Schwerin einsehen müssen und darnach sein Verhal¬
ten einrichten sollen. Bei den nahen Beziehungen der Stadt zu meiner Person
und bei dem Werthe, den ich darauf lege, daß das bisherige Verhältniß des
Vertrauens nicht auf solche Weise zerrissen werde, habe ich es für meine Pflicht
gehalten, meine feste Willensmeinung hiermit dem Magistrate offen auszusprechen.
Ich hoffe, daß er diese wohlgemeinten Worte richtig verstehen, und daß er sie
berücksichtigen wird."

Offenbar hatte die feudale Partei, auf deren Einfluß dieser Ausdruck der
Mißbilligung zurückgeführt werden muß. den Großherzog über die Bedeutung
und Tendenz der dem Landtagsdeputirten von dem Magistrat ertheilten Instruc-
tion zu täuschen gewußt. Das Staatsgrundgesetz war gerade der Schluß
„jener Periode politischer Verwirrung", über welche der Großherzog, nachdem
er in der Proclamation vom 23. März 1848 dem Lande eine constitutionelle
Verfassung verheißen hatte, demselben mittelst Ausführung dieser Verheißung hin¬
weghalf. Wenn „gewerbliche Stockungen und Verluste" in jener bewegten
Zeit vorkamen, so fallen dieselben nicht aus Rechnung des Staatsgrundgesetzes,
sondern derjenigen Zeitbewegungen, welche für Mecklenburg gerade in dem
neuen festen Rechtsboden, welcher mit dem Staatsgrundgesctz geschaffen ward,
ihren aus vollkommen gesetzmäßigem Wege, ohne irgend eine gewaltsame Ein¬
wirkung herbeigeführten Abschluß fanden. „Es herrscht die größte Ruhe in


Grenzboten I. 1863. 12
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/97>, abgerufen am 15.05.2024.