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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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Kurfürsten erreicht haben würde, wird sehr fraglich, wenn wir in Schlachtberichten
lesen, daß Froben hinter seinem Herrn einherreitend getroffen wurde. Wenn
in allerjüngster Zeit eine neue Version aufgetreten ist, welche die Geschichte von
dem Pferdetausche aufrecht erhalten und dieselbe nur von Froben auf den
Leibjäger Uhle wenden will, so erscheint diese in Wahrheit noch schlechter ver¬
bürgt als die srobensche. Sie beruht auf einer Bolkstraditivn, die augenschein¬
lich jene Sage von Froben schon kannte, dieselbe That aber, wie dies bei Sagen¬
bildungen so häusig geschieht, einer anderen Person zuschrieb. Was den Prin¬
zen von Homburg anbetrifft, so finden wir in den gleichzeitigen Berichten nur
eine schwache Andeutung darüber, daß seine Verdienste in der Schlacht nicht
genug anerkannt worden seien, alles Weitere ist viel spätere Erfindung.

In dieselbe Classe pikanter Erfindungen gehört die Anekdote, welche den
Helden des achtzehnten Jahrhunderts, Friedrich den Großen, mit dem der Re¬
volutionskriege. Napoleon, in eine gewisse visionäre Verbindung setzen will. Es
war im Sommer 1769 zu Breslau, so heißt es. als ein Offizier seiner Instruc-
tion gemäß den König um 5 Uhr weckte, und sogleich von der Frage begrüßt
wurde: "Kann Er Träume deuten?" Nein, Ew. Majestät, antwortete derselbe,
und Friedrich sagte: "Nun so merk' Er sich doch den Traum, welchen ich in
dieser Nacht hatte. Mir träumte als sähe ich einen hellen Stern sich herab¬
senken auf die Erde, der mit wunderbarem überschwenglichen Lichte sie umschloß
und bedeckte, dergestalt, daß ich, umhüllt davon, durch seinen unendlichen Glanz
mich kaum hindurcharbeiten konnte." -- In jener Nacht ward Napoleon gebo¬
ren. -- Obwohl nun jener Offizier selbst immer als Gewährsmann angeführt
wird, so stimmen doch Ort und Zeit in keiner der Versionen richtig zusammen*).

Aus der Epoche Friedrichs des Großen sind vor Kurzem eine ganze Reihe
von Erzählungen, welche sämmtlich der Zeit nach den zwei schlesischen Kriegen
angehören, als Sagen aufgedeckt worden**), hier mögen noch einige andere ihre
Stelle finden. Wenn ich z. B. der Erzählung gedenke, dem jungen Friedrich
habe nach seinem Fluchtversuch hauptsächlich die nachdrückliche Verwendung des
Kaisers bei seinem erzürnten Vater das Leben gerettet, so thue ich es in Er¬
innerung an die Behauptung Macaulays in seinem Pamphlet über Friedrich
den Großen, der König habe gegen das Haus Oestreich die größten persönlichen
Verpflichtungen gehabt, sein Leben sei ihm durch die Verwendung desselben Fürsten
erhalten worden, dessen Tochter er geplündert habe. Noch nicht zu der Zeit,
wo der Engländer dies schrieb, aber wohl zu der, wo sein Schriftchen bei uns




') Rödenbcck. Tagebuch. I. S. 6.
") O. Grünhagen. Aus dem Sagenkreise Friedrichs des Großen. 1864. Breslau,
Moruschte ". Berendt.
Grenzbote" II. I8V5. 2

Kurfürsten erreicht haben würde, wird sehr fraglich, wenn wir in Schlachtberichten
lesen, daß Froben hinter seinem Herrn einherreitend getroffen wurde. Wenn
in allerjüngster Zeit eine neue Version aufgetreten ist, welche die Geschichte von
dem Pferdetausche aufrecht erhalten und dieselbe nur von Froben auf den
Leibjäger Uhle wenden will, so erscheint diese in Wahrheit noch schlechter ver¬
bürgt als die srobensche. Sie beruht auf einer Bolkstraditivn, die augenschein¬
lich jene Sage von Froben schon kannte, dieselbe That aber, wie dies bei Sagen¬
bildungen so häusig geschieht, einer anderen Person zuschrieb. Was den Prin¬
zen von Homburg anbetrifft, so finden wir in den gleichzeitigen Berichten nur
eine schwache Andeutung darüber, daß seine Verdienste in der Schlacht nicht
genug anerkannt worden seien, alles Weitere ist viel spätere Erfindung.

In dieselbe Classe pikanter Erfindungen gehört die Anekdote, welche den
Helden des achtzehnten Jahrhunderts, Friedrich den Großen, mit dem der Re¬
volutionskriege. Napoleon, in eine gewisse visionäre Verbindung setzen will. Es
war im Sommer 1769 zu Breslau, so heißt es. als ein Offizier seiner Instruc-
tion gemäß den König um 5 Uhr weckte, und sogleich von der Frage begrüßt
wurde: „Kann Er Träume deuten?" Nein, Ew. Majestät, antwortete derselbe,
und Friedrich sagte: „Nun so merk' Er sich doch den Traum, welchen ich in
dieser Nacht hatte. Mir träumte als sähe ich einen hellen Stern sich herab¬
senken auf die Erde, der mit wunderbarem überschwenglichen Lichte sie umschloß
und bedeckte, dergestalt, daß ich, umhüllt davon, durch seinen unendlichen Glanz
mich kaum hindurcharbeiten konnte." — In jener Nacht ward Napoleon gebo¬
ren. — Obwohl nun jener Offizier selbst immer als Gewährsmann angeführt
wird, so stimmen doch Ort und Zeit in keiner der Versionen richtig zusammen*).

Aus der Epoche Friedrichs des Großen sind vor Kurzem eine ganze Reihe
von Erzählungen, welche sämmtlich der Zeit nach den zwei schlesischen Kriegen
angehören, als Sagen aufgedeckt worden**), hier mögen noch einige andere ihre
Stelle finden. Wenn ich z. B. der Erzählung gedenke, dem jungen Friedrich
habe nach seinem Fluchtversuch hauptsächlich die nachdrückliche Verwendung des
Kaisers bei seinem erzürnten Vater das Leben gerettet, so thue ich es in Er¬
innerung an die Behauptung Macaulays in seinem Pamphlet über Friedrich
den Großen, der König habe gegen das Haus Oestreich die größten persönlichen
Verpflichtungen gehabt, sein Leben sei ihm durch die Verwendung desselben Fürsten
erhalten worden, dessen Tochter er geplündert habe. Noch nicht zu der Zeit,
wo der Engländer dies schrieb, aber wohl zu der, wo sein Schriftchen bei uns




') Rödenbcck. Tagebuch. I. S. 6.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/15>, abgerufen am 17.06.2024.