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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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Schöpfungen zum Gegenstand einer solchen Unterhaltung gemacht wurden, daher
er denn auch wohl hauptsächlich aus diesem Grunde mit einer ihm sonst ganz
fremden Absichtlichkeit das Gespräch, wenn es gegen seinen Willen darauf
gelenkt worden war, anderswohin zu wenden pflegte. Es durfte schon als
ein besonderer Beweis seines Vertrauens gelten, wenn er zu einem genaueren
Eingehen auf diesen Gegenstand bereit war, eines Vertrauens nicht sowohl in
die Wvhlgefinntheit und Ergebenheit des Gegenüberstehenden, als vielmehr in
seine Einsicht und Bildung. Noch mehr als solche Materien des Gesprächs pflegte er
ästhetisirende Unterhaltung aus dem Kreise der übrigen Künste abzulehnen oder sich
nicht an ihnen zu betheiligen, wenn er es nicht ändern konnte, daß irgendeine
geläufige Zunge in den landläufigen Phrasen sich darüber selbstgefällig erging.
Er Halle sein eigenes Studium der Kunst auf seine eigene Kunst beschränkt und
fühlte sich für alle Schwesterkünste durchaus nicht im Besitze des Materials,
das er dazu brauchte, um seinem Geiste die Sicherheit zu selbständigem Urtheil
zu geben. Er war dabei nicht wenig empfänglich für die bildende Kunst in
allen ihren Zweigen, wie er denn besonders seit seinem römischen Aufenthalt mit
einer Reihe der hervorragendsten Künstler unserer oder seiner Zeit nicht blos
bekannt, sondern innig befreundet geblieben war. Architektur konnte den tiefsten
Eindruck auf ihn machen, ijnd da er von allen Schulmeinungen und vorge¬
faßten Ansichten ganz frei war, so ließ er sich auch von der Zvpfarchitektur Berlins
am Opernhaus und Schloßplatze erheben, ohne das Detail zu beachten, von
dem er glücklicherweise, wie er sagte, nichts verstand. Höchstens konnte man
eine gewisse leise Abneigung gegen die specifisch mittelalterliche Architektur in
ihm bemerken. Sie erklärte sich aus den vordringlichen Prätensionen vieler
ihrer begeisterten Gönner und Pfleger, mit denen er als Mensch auf dem besten
Fuße stand, ohne ihren übertriebenen Ansprüchen auf die ausschließliche Geltung
ihres zufälligen Licblingsgegenstandcs irgendeine andere Berechtigung als die
einer bloßen Marotte einzuräumen. In der Plastik und Malerei befriedigten ihn
allein die höheren idealen und monumentalen Richtungen. Für Genre und Land¬
schaft z. B. hatte er keinen sympathischen Zug und begnügte sich, wenn Andere
für solche Erzeugnisse sich begeistern konnten, mit dem .Zugeständnis;, daß er
davon nichts verstehe und daß es auf ihn nie eine Wirkung ausgeübt habe.
Dagegen war er z. B. von Rauchs großen Schöpfungen im idealen Porträt voll¬
ständig befriedigt, und sein Atelier gehörte zu den wenigen Orten, die er auch
noch in den letzten Jahren seines berliner Aufenthaltes gelegentlich einmal be¬
suchte. Die Persönlichkeit des Meisters übte dabei ebenso große Anziehungs¬
kraft auf ihn, wie seine Werke.

Sei" Verhältniß zur Musik war ein ganz eigenthümliches. Er hatte nie
sich theoretisch oder praktisch mit ihr beschäftigt und vermied eher die Berührung
mit einem großen Theil ihrer Erzeugnisse, als daß er sie gesucht hätte. Die


Schöpfungen zum Gegenstand einer solchen Unterhaltung gemacht wurden, daher
er denn auch wohl hauptsächlich aus diesem Grunde mit einer ihm sonst ganz
fremden Absichtlichkeit das Gespräch, wenn es gegen seinen Willen darauf
gelenkt worden war, anderswohin zu wenden pflegte. Es durfte schon als
ein besonderer Beweis seines Vertrauens gelten, wenn er zu einem genaueren
Eingehen auf diesen Gegenstand bereit war, eines Vertrauens nicht sowohl in
die Wvhlgefinntheit und Ergebenheit des Gegenüberstehenden, als vielmehr in
seine Einsicht und Bildung. Noch mehr als solche Materien des Gesprächs pflegte er
ästhetisirende Unterhaltung aus dem Kreise der übrigen Künste abzulehnen oder sich
nicht an ihnen zu betheiligen, wenn er es nicht ändern konnte, daß irgendeine
geläufige Zunge in den landläufigen Phrasen sich darüber selbstgefällig erging.
Er Halle sein eigenes Studium der Kunst auf seine eigene Kunst beschränkt und
fühlte sich für alle Schwesterkünste durchaus nicht im Besitze des Materials,
das er dazu brauchte, um seinem Geiste die Sicherheit zu selbständigem Urtheil
zu geben. Er war dabei nicht wenig empfänglich für die bildende Kunst in
allen ihren Zweigen, wie er denn besonders seit seinem römischen Aufenthalt mit
einer Reihe der hervorragendsten Künstler unserer oder seiner Zeit nicht blos
bekannt, sondern innig befreundet geblieben war. Architektur konnte den tiefsten
Eindruck auf ihn machen, ijnd da er von allen Schulmeinungen und vorge¬
faßten Ansichten ganz frei war, so ließ er sich auch von der Zvpfarchitektur Berlins
am Opernhaus und Schloßplatze erheben, ohne das Detail zu beachten, von
dem er glücklicherweise, wie er sagte, nichts verstand. Höchstens konnte man
eine gewisse leise Abneigung gegen die specifisch mittelalterliche Architektur in
ihm bemerken. Sie erklärte sich aus den vordringlichen Prätensionen vieler
ihrer begeisterten Gönner und Pfleger, mit denen er als Mensch auf dem besten
Fuße stand, ohne ihren übertriebenen Ansprüchen auf die ausschließliche Geltung
ihres zufälligen Licblingsgegenstandcs irgendeine andere Berechtigung als die
einer bloßen Marotte einzuräumen. In der Plastik und Malerei befriedigten ihn
allein die höheren idealen und monumentalen Richtungen. Für Genre und Land¬
schaft z. B. hatte er keinen sympathischen Zug und begnügte sich, wenn Andere
für solche Erzeugnisse sich begeistern konnten, mit dem .Zugeständnis;, daß er
davon nichts verstehe und daß es auf ihn nie eine Wirkung ausgeübt habe.
Dagegen war er z. B. von Rauchs großen Schöpfungen im idealen Porträt voll¬
ständig befriedigt, und sein Atelier gehörte zu den wenigen Orten, die er auch
noch in den letzten Jahren seines berliner Aufenthaltes gelegentlich einmal be¬
suchte. Die Persönlichkeit des Meisters übte dabei ebenso große Anziehungs¬
kraft auf ihn, wie seine Werke.

Sei» Verhältniß zur Musik war ein ganz eigenthümliches. Er hatte nie
sich theoretisch oder praktisch mit ihr beschäftigt und vermied eher die Berührung
mit einem großen Theil ihrer Erzeugnisse, als daß er sie gesucht hätte. Die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/88>, abgerufen am 09.06.2024.