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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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angesammelte, höchst umfangreiche Material. Eine genügende Berücksichtigung
dessen, was die neuere Gesetzgebung innerhalb wie außerhalb Deutschlands
geleistet hat, war damit nicht ausgeschlossen. Der am 1. October zusammen¬
getretenen Cvmmissson dient aber nicht das preußische Strafgesetzbuch selbst,
sondern ein auf Ersuchen des Bundeskanzlers im preußischen Justizministerium
angefertigter Entwurf zur Grundlage ihrer Berathungen, ein Entwurf, den
man im Wesentlichen als eine neue Redaction des preußischen Strafgesetz¬
buches wird bezeichnen können. Daß dieser Entwurf im Laufe eines Jahres
zum Abschlüsse gebracht werden konnte, ist ein neuer Beweis dafür, mit
welchem Fleiße und welcher Energie seit dem Scheiden des Grafen zur Lippe
die Gesetzgebungsarbeiten im preußischen Justizministerium betrieben werden.
Aber nicht blos möglichst rasch, sondern auch in einer Weise, welche die ihr
in der Tagespreise vielfach zu Theil gewordene Anerkennung vollauf ver¬
dient, hat sich das Leonharot'sche Ministerium der ihm gestellten wichtigen
Aufgabe entledigt. Jedenfalls wird man dem EntWurfe, wie wenig er seinen
preußischen Ursprung verleugnet, den Vorwurf, nur im Sinne des altpreuhi-
schen Beamtenthums gearbeitet zu sein, eine ungebührlich partieularistisch
preußische Färbung an sich zu tragen, nicht machen dürfen.

Auf eine nähere Besprechung des Entwurfes einzugehen ist nicht unsere
Absicht, nur wird gewiß die seinen Autoren gebührende Anerkennung nicht
beeinträchtigt, wenn wir die Ueberzeugung aussprechen, daß der Entwurf
noch sehr vielfacher Correcturen bedarf, bevor er Gesetzeskraft erlangen kann,
und zwar handelt es sich dabei nicht blos um Verbesserung von Einzelheiten,
die sich im Einzelnen erledigen lassen, sondern auch um Fragen, die in anderem
Sinne als in dem des Entwurfes entschieden eine tiefgreifende Umarbeitung
des ganzen Entwurfes bedingen würden. Diese unter sachkundigen Männern
viel verbreitete Ueberzeugung veranlaßt uns, die Warnung vor einer den Er¬
folg gefährdenden übergroßen Eile auszusprechen.

Der aus den Berathungen der Commission hervorgehende Entwurf soll
dem Reichstage in seiner nächsten Session zur Berathung und Beschlu߬
fassung vorgelegt werden. Darum ist der Commission für ihre Arbeiten ein
Zeitraum von etwa drei Monaten zugemessen worden, aber es verlautet be¬
reits, daß sie ihr Werk wohl in noch kürzerer Zeit erledigen werde. Es ver¬
steht sich nun gewiß von selbst, daß ganz abgesehen von der formalen, ver¬
fassungsmäßigen Nothwendigkeit der Zustimmung des Reichstages, die Mit¬
wirkung desselben auch in materieller Beziehung ganz unentbehrlich ist, soll
das wichtige Gesetzeswerk zu einem ersprießlichen Abschlüsse gebracht werden.
Wird man uns vorwerfen, die Leistungsfähigkeit und Autorität des Reichs¬
tages zu gering anzuschlagen, wenn wir gleichwohl behaupten, daß für ein
norddeutsches Strafgesetzbuch die Beschlußfassung des Reichstages über eine


angesammelte, höchst umfangreiche Material. Eine genügende Berücksichtigung
dessen, was die neuere Gesetzgebung innerhalb wie außerhalb Deutschlands
geleistet hat, war damit nicht ausgeschlossen. Der am 1. October zusammen¬
getretenen Cvmmissson dient aber nicht das preußische Strafgesetzbuch selbst,
sondern ein auf Ersuchen des Bundeskanzlers im preußischen Justizministerium
angefertigter Entwurf zur Grundlage ihrer Berathungen, ein Entwurf, den
man im Wesentlichen als eine neue Redaction des preußischen Strafgesetz¬
buches wird bezeichnen können. Daß dieser Entwurf im Laufe eines Jahres
zum Abschlüsse gebracht werden konnte, ist ein neuer Beweis dafür, mit
welchem Fleiße und welcher Energie seit dem Scheiden des Grafen zur Lippe
die Gesetzgebungsarbeiten im preußischen Justizministerium betrieben werden.
Aber nicht blos möglichst rasch, sondern auch in einer Weise, welche die ihr
in der Tagespreise vielfach zu Theil gewordene Anerkennung vollauf ver¬
dient, hat sich das Leonharot'sche Ministerium der ihm gestellten wichtigen
Aufgabe entledigt. Jedenfalls wird man dem EntWurfe, wie wenig er seinen
preußischen Ursprung verleugnet, den Vorwurf, nur im Sinne des altpreuhi-
schen Beamtenthums gearbeitet zu sein, eine ungebührlich partieularistisch
preußische Färbung an sich zu tragen, nicht machen dürfen.

Auf eine nähere Besprechung des Entwurfes einzugehen ist nicht unsere
Absicht, nur wird gewiß die seinen Autoren gebührende Anerkennung nicht
beeinträchtigt, wenn wir die Ueberzeugung aussprechen, daß der Entwurf
noch sehr vielfacher Correcturen bedarf, bevor er Gesetzeskraft erlangen kann,
und zwar handelt es sich dabei nicht blos um Verbesserung von Einzelheiten,
die sich im Einzelnen erledigen lassen, sondern auch um Fragen, die in anderem
Sinne als in dem des Entwurfes entschieden eine tiefgreifende Umarbeitung
des ganzen Entwurfes bedingen würden. Diese unter sachkundigen Männern
viel verbreitete Ueberzeugung veranlaßt uns, die Warnung vor einer den Er¬
folg gefährdenden übergroßen Eile auszusprechen.

Der aus den Berathungen der Commission hervorgehende Entwurf soll
dem Reichstage in seiner nächsten Session zur Berathung und Beschlu߬
fassung vorgelegt werden. Darum ist der Commission für ihre Arbeiten ein
Zeitraum von etwa drei Monaten zugemessen worden, aber es verlautet be¬
reits, daß sie ihr Werk wohl in noch kürzerer Zeit erledigen werde. Es ver¬
steht sich nun gewiß von selbst, daß ganz abgesehen von der formalen, ver¬
fassungsmäßigen Nothwendigkeit der Zustimmung des Reichstages, die Mit¬
wirkung desselben auch in materieller Beziehung ganz unentbehrlich ist, soll
das wichtige Gesetzeswerk zu einem ersprießlichen Abschlüsse gebracht werden.
Wird man uns vorwerfen, die Leistungsfähigkeit und Autorität des Reichs¬
tages zu gering anzuschlagen, wenn wir gleichwohl behaupten, daß für ein
norddeutsches Strafgesetzbuch die Beschlußfassung des Reichstages über eine


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[0186] angesammelte, höchst umfangreiche Material. Eine genügende Berücksichtigung dessen, was die neuere Gesetzgebung innerhalb wie außerhalb Deutschlands geleistet hat, war damit nicht ausgeschlossen. Der am 1. October zusammen¬ getretenen Cvmmissson dient aber nicht das preußische Strafgesetzbuch selbst, sondern ein auf Ersuchen des Bundeskanzlers im preußischen Justizministerium angefertigter Entwurf zur Grundlage ihrer Berathungen, ein Entwurf, den man im Wesentlichen als eine neue Redaction des preußischen Strafgesetz¬ buches wird bezeichnen können. Daß dieser Entwurf im Laufe eines Jahres zum Abschlüsse gebracht werden konnte, ist ein neuer Beweis dafür, mit welchem Fleiße und welcher Energie seit dem Scheiden des Grafen zur Lippe die Gesetzgebungsarbeiten im preußischen Justizministerium betrieben werden. Aber nicht blos möglichst rasch, sondern auch in einer Weise, welche die ihr in der Tagespreise vielfach zu Theil gewordene Anerkennung vollauf ver¬ dient, hat sich das Leonharot'sche Ministerium der ihm gestellten wichtigen Aufgabe entledigt. Jedenfalls wird man dem EntWurfe, wie wenig er seinen preußischen Ursprung verleugnet, den Vorwurf, nur im Sinne des altpreuhi- schen Beamtenthums gearbeitet zu sein, eine ungebührlich partieularistisch preußische Färbung an sich zu tragen, nicht machen dürfen. Auf eine nähere Besprechung des Entwurfes einzugehen ist nicht unsere Absicht, nur wird gewiß die seinen Autoren gebührende Anerkennung nicht beeinträchtigt, wenn wir die Ueberzeugung aussprechen, daß der Entwurf noch sehr vielfacher Correcturen bedarf, bevor er Gesetzeskraft erlangen kann, und zwar handelt es sich dabei nicht blos um Verbesserung von Einzelheiten, die sich im Einzelnen erledigen lassen, sondern auch um Fragen, die in anderem Sinne als in dem des Entwurfes entschieden eine tiefgreifende Umarbeitung des ganzen Entwurfes bedingen würden. Diese unter sachkundigen Männern viel verbreitete Ueberzeugung veranlaßt uns, die Warnung vor einer den Er¬ folg gefährdenden übergroßen Eile auszusprechen. Der aus den Berathungen der Commission hervorgehende Entwurf soll dem Reichstage in seiner nächsten Session zur Berathung und Beschlu߬ fassung vorgelegt werden. Darum ist der Commission für ihre Arbeiten ein Zeitraum von etwa drei Monaten zugemessen worden, aber es verlautet be¬ reits, daß sie ihr Werk wohl in noch kürzerer Zeit erledigen werde. Es ver¬ steht sich nun gewiß von selbst, daß ganz abgesehen von der formalen, ver¬ fassungsmäßigen Nothwendigkeit der Zustimmung des Reichstages, die Mit¬ wirkung desselben auch in materieller Beziehung ganz unentbehrlich ist, soll das wichtige Gesetzeswerk zu einem ersprießlichen Abschlüsse gebracht werden. Wird man uns vorwerfen, die Leistungsfähigkeit und Autorität des Reichs¬ tages zu gering anzuschlagen, wenn wir gleichwohl behaupten, daß für ein norddeutsches Strafgesetzbuch die Beschlußfassung des Reichstages über eine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/186>, abgerufen am 24.05.2024.