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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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Körper und jegliches Motiv geistiger und physischer Charakteristik auszu¬
drücken. Allerdings kommt der etruskische Geist immerhin in der Weise der
Durchführung zur Geltung und es macht sich, selbst wenn nachweislich griechische
Motive reproducirt sind, ein gewisses Etwas fühlbar, welches darauf hin¬
weist, daß die ausführende Hand nicht griechisch, sondern etruskisch war.
Doch tritt diese Erscheinung in Tarquinii mit großer Mäßigung hervor;
wenigstens nicht so nachdrücklich, wie in den von Uoel ach Vergors entdeckten
vulcenter Gemälden, welche ebenfalls der gräcisirenden Periode der etruskischen
Kunst angehören.

Unsere Kenntniß dieser Entwickelung in Tarquinii hat sich in ausge¬
dehntester Weise durch die Entdeckung eines kolossalen Grabes vermehrt, dessen
drei Kammern mit prachtvollen Wandmalereien geschmückt sind. Die Ge¬
mälde jeder einzelnen Kammer sind von verschiedener Hand ausgeführt und
verrathen verschiedene Stadien der Entwickelung. In allen diesen erscheint
die Kunst schon beträchtlich fortgeschritten und frei von jeder Gebundenheit.
In hohem Grade zu bedauern ist der fragmentirte Zustand der Wand¬
malereien, von deren ursprünglichem Bestand bei der Entdeckung des Grabes
etwa nur ein Drittel erhalten war. Auch die erhaltenen Theile gehen einem
sicheren Untergange entgegen. Während der Zeichner des archäologischen
Instituts beschäftigt war. die Copien und Facsimilis der Gemälde anzu¬
fertigen und der Verfasser dieses Berichtes sich behufs der Revision der Zeich¬
nungen in dem Grabe aufhielt, lösten sich ganze Schichten der Stuckbekleidung
mit der darauf befindlichen Malerei von der Wand los. Mit Einbrechen
der Dunkelheit, als das Grab unbewacht war, schlichen allerlei unberufene
Personen hinein und brachen Stücke von den Gemälden ab, eine Barbarei,
an der sich namentlich die Soldaten der in Corneto liegenden französischen
Garnison betheiligt haben sollen. So haben wir es leider nur mit Frag¬
menten zu thun, mit deren Hilfe wir kaum im Stande sein werden, den ur¬
sprünglichen Inhalt jener reichen Compositionen zu reconstruiren.

Die erste Kammer enthält Darstellungen nationaler Art. Auf der einen
Wand sehen wir die übliche Bankettscene dargestellt, jedoch im Vergleich mit
den übrigen Gemälden dieser Gattung durch mehrere Zuthaten erweitert.
Vor dem Manne liegt ein Schild mit einer etruskischen Inschrift. Die
gange Scene ist in eigenthümlicher Weise mit blau gemaltem Gewölke
umgeben, woraus vielleicht zu schließen, daß der Künstler dieselbe
als in der Unterwelt vorgehend und somit das selige Leben der Abgeschiedenen
im Jenseits charakterisiren wollte. Die Malereien der übrigen Wände sind
leider fast ganz zerstört. Nur die Figur eines Todesdämons hat sich voll¬
ständig erhalten, welcher heftig bewegt, einen Hammer schwingend, vorwärts
schreitet; die Formen seines Antlitzes, aus dem eine spitze Habichtsnase hervor-


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Körper und jegliches Motiv geistiger und physischer Charakteristik auszu¬
drücken. Allerdings kommt der etruskische Geist immerhin in der Weise der
Durchführung zur Geltung und es macht sich, selbst wenn nachweislich griechische
Motive reproducirt sind, ein gewisses Etwas fühlbar, welches darauf hin¬
weist, daß die ausführende Hand nicht griechisch, sondern etruskisch war.
Doch tritt diese Erscheinung in Tarquinii mit großer Mäßigung hervor;
wenigstens nicht so nachdrücklich, wie in den von Uoel ach Vergors entdeckten
vulcenter Gemälden, welche ebenfalls der gräcisirenden Periode der etruskischen
Kunst angehören.

Unsere Kenntniß dieser Entwickelung in Tarquinii hat sich in ausge¬
dehntester Weise durch die Entdeckung eines kolossalen Grabes vermehrt, dessen
drei Kammern mit prachtvollen Wandmalereien geschmückt sind. Die Ge¬
mälde jeder einzelnen Kammer sind von verschiedener Hand ausgeführt und
verrathen verschiedene Stadien der Entwickelung. In allen diesen erscheint
die Kunst schon beträchtlich fortgeschritten und frei von jeder Gebundenheit.
In hohem Grade zu bedauern ist der fragmentirte Zustand der Wand¬
malereien, von deren ursprünglichem Bestand bei der Entdeckung des Grabes
etwa nur ein Drittel erhalten war. Auch die erhaltenen Theile gehen einem
sicheren Untergange entgegen. Während der Zeichner des archäologischen
Instituts beschäftigt war. die Copien und Facsimilis der Gemälde anzu¬
fertigen und der Verfasser dieses Berichtes sich behufs der Revision der Zeich¬
nungen in dem Grabe aufhielt, lösten sich ganze Schichten der Stuckbekleidung
mit der darauf befindlichen Malerei von der Wand los. Mit Einbrechen
der Dunkelheit, als das Grab unbewacht war, schlichen allerlei unberufene
Personen hinein und brachen Stücke von den Gemälden ab, eine Barbarei,
an der sich namentlich die Soldaten der in Corneto liegenden französischen
Garnison betheiligt haben sollen. So haben wir es leider nur mit Frag¬
menten zu thun, mit deren Hilfe wir kaum im Stande sein werden, den ur¬
sprünglichen Inhalt jener reichen Compositionen zu reconstruiren.

Die erste Kammer enthält Darstellungen nationaler Art. Auf der einen
Wand sehen wir die übliche Bankettscene dargestellt, jedoch im Vergleich mit
den übrigen Gemälden dieser Gattung durch mehrere Zuthaten erweitert.
Vor dem Manne liegt ein Schild mit einer etruskischen Inschrift. Die
gange Scene ist in eigenthümlicher Weise mit blau gemaltem Gewölke
umgeben, woraus vielleicht zu schließen, daß der Künstler dieselbe
als in der Unterwelt vorgehend und somit das selige Leben der Abgeschiedenen
im Jenseits charakterisiren wollte. Die Malereien der übrigen Wände sind
leider fast ganz zerstört. Nur die Figur eines Todesdämons hat sich voll¬
ständig erhalten, welcher heftig bewegt, einen Hammer schwingend, vorwärts
schreitet; die Formen seines Antlitzes, aus dem eine spitze Habichtsnase hervor-


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[0017] Körper und jegliches Motiv geistiger und physischer Charakteristik auszu¬ drücken. Allerdings kommt der etruskische Geist immerhin in der Weise der Durchführung zur Geltung und es macht sich, selbst wenn nachweislich griechische Motive reproducirt sind, ein gewisses Etwas fühlbar, welches darauf hin¬ weist, daß die ausführende Hand nicht griechisch, sondern etruskisch war. Doch tritt diese Erscheinung in Tarquinii mit großer Mäßigung hervor; wenigstens nicht so nachdrücklich, wie in den von Uoel ach Vergors entdeckten vulcenter Gemälden, welche ebenfalls der gräcisirenden Periode der etruskischen Kunst angehören. Unsere Kenntniß dieser Entwickelung in Tarquinii hat sich in ausge¬ dehntester Weise durch die Entdeckung eines kolossalen Grabes vermehrt, dessen drei Kammern mit prachtvollen Wandmalereien geschmückt sind. Die Ge¬ mälde jeder einzelnen Kammer sind von verschiedener Hand ausgeführt und verrathen verschiedene Stadien der Entwickelung. In allen diesen erscheint die Kunst schon beträchtlich fortgeschritten und frei von jeder Gebundenheit. In hohem Grade zu bedauern ist der fragmentirte Zustand der Wand¬ malereien, von deren ursprünglichem Bestand bei der Entdeckung des Grabes etwa nur ein Drittel erhalten war. Auch die erhaltenen Theile gehen einem sicheren Untergange entgegen. Während der Zeichner des archäologischen Instituts beschäftigt war. die Copien und Facsimilis der Gemälde anzu¬ fertigen und der Verfasser dieses Berichtes sich behufs der Revision der Zeich¬ nungen in dem Grabe aufhielt, lösten sich ganze Schichten der Stuckbekleidung mit der darauf befindlichen Malerei von der Wand los. Mit Einbrechen der Dunkelheit, als das Grab unbewacht war, schlichen allerlei unberufene Personen hinein und brachen Stücke von den Gemälden ab, eine Barbarei, an der sich namentlich die Soldaten der in Corneto liegenden französischen Garnison betheiligt haben sollen. So haben wir es leider nur mit Frag¬ menten zu thun, mit deren Hilfe wir kaum im Stande sein werden, den ur¬ sprünglichen Inhalt jener reichen Compositionen zu reconstruiren. Die erste Kammer enthält Darstellungen nationaler Art. Auf der einen Wand sehen wir die übliche Bankettscene dargestellt, jedoch im Vergleich mit den übrigen Gemälden dieser Gattung durch mehrere Zuthaten erweitert. Vor dem Manne liegt ein Schild mit einer etruskischen Inschrift. Die gange Scene ist in eigenthümlicher Weise mit blau gemaltem Gewölke umgeben, woraus vielleicht zu schließen, daß der Künstler dieselbe als in der Unterwelt vorgehend und somit das selige Leben der Abgeschiedenen im Jenseits charakterisiren wollte. Die Malereien der übrigen Wände sind leider fast ganz zerstört. Nur die Figur eines Todesdämons hat sich voll¬ ständig erhalten, welcher heftig bewegt, einen Hammer schwingend, vorwärts schreitet; die Formen seines Antlitzes, aus dem eine spitze Habichtsnase hervor- S*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/17>, abgerufen am 16.06.2024.