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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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liege. Duruy hätte Kaiser Joseph's II. Minister sein sollen -- wenn der
aufgeklärte Despot überhaupt einen ebenso despotisch aufgeklärten Gehilfen
neben sich vertragen hätte!

Trotz dieser Mängel find seine Verdienste unleugbar; nach beiden Seiten
hin, nach oben und unten, hat er, nicht ohne Erfolg. Bildung und Wissen¬
schaft zu verbreiten sich unermüdlich bestrebt. Einmal vermehrte er die Zahl
der Volksschulen, schuf er Anstalten für Erwachsene, die das früher Versäumte
einigermaßen ersetzen können, und namentlich war sein Ziel in dieser Hin¬
sicht immer dahin gerichtet die Geistlichkeit fernzuhalten, ja auszuschließen; in
diesem Kampfe gegen den Clerus, den hohen wie den niederen, ging ein großer
Theil von Duruy's Thätigkeit auf; in diesem beständigen Streite hat ihn
seine Energie nie verlassen. Die Maßregeln nach unten sind es vielleicht
die von allen seinen Schöpfungen am längsten Bestand und die tiefgehendste
nachhaltigste Wirkung haben werden. Doch soll uns heute die andere Seite
von Duruy's Reformen beschäftigen, wir meinen die im höheren Unterrichte,
specieller auf philologisch-historischem Gebiete.

Doch vorher wird es nöthig sein, die bisher vorhanden gewesenen An¬
stalten und Hilfsmittel in rascher Aufzählung zu überschauen. Die Hrnvör-
sit6 ac ?rg.uoe, in ihrer jetzigen Gestalt ein Werk Napoleon's I., wie so
viele Krebsschäden Frankreichs, hat ihr Netz über das ganze Land ausge¬
spannt. In Paris und Straßburg allein finden sich alle vier Facultäten ver¬
einigt, doch an gemeinschaftliche Arbeit, an collegialisches Zusammenleben
ist hier nicht zu denken. In Deutschland sehen wir in der täglichen Be¬
rührung der verschiedensten Disciplinen und ihrer Vertreter eine der frucht¬
barsten Folgen der Er-richtung unserer Universitäten, in Paris führen die
vier Facultäten eine -- auch räumlich -- scharf gesonderte Existenz. Auf die
Lehrweise der französischen Akademien kommen wir später zurück.

Alle folgenden Anstalten sind Privilegien der Hauptstadt und haben in
der Provinz kein Gegenstück. Vor allem das berühmte vollere as Graues,
dann die Kevlö normale LuperiLurt^), die den Zweck hat den Lehrkörper
zu bilden, theils künftige akademische Professoren, theils Lyceallehrer. Endlich
die Heolo ach ciiartos, welche sogenannte ^i-eKivistes-pat^oZraxlies erzieht.
Die Devis cleZ I-rnZuss orientales hat sich ausschließlich die praktische Erler¬
nung der betreffenden Sprachen zum Ziele gesetzt. Dazu kommen ergänzend
einzelne isolirte Vorlesungen, die an der kaiserlichen Bibliothek gehalten werden.
-- Für die Naturwissenschaften behauptete das Russe im ^in-nur clef
?1g.mes8 seine alte hervorragende Stellung. Die Levis politLeKniyue, die
lleole eentrals clez ^res et Getiers, die Devlo clos Muss, die Dools clef



") Die ooolss normales inkorionrss in den Departements sind nur ein sehr schwaches
sehr verkleinertes Abbild davon. Sie sind im Ganzen unbedeutend.

liege. Duruy hätte Kaiser Joseph's II. Minister sein sollen — wenn der
aufgeklärte Despot überhaupt einen ebenso despotisch aufgeklärten Gehilfen
neben sich vertragen hätte!

Trotz dieser Mängel find seine Verdienste unleugbar; nach beiden Seiten
hin, nach oben und unten, hat er, nicht ohne Erfolg. Bildung und Wissen¬
schaft zu verbreiten sich unermüdlich bestrebt. Einmal vermehrte er die Zahl
der Volksschulen, schuf er Anstalten für Erwachsene, die das früher Versäumte
einigermaßen ersetzen können, und namentlich war sein Ziel in dieser Hin¬
sicht immer dahin gerichtet die Geistlichkeit fernzuhalten, ja auszuschließen; in
diesem Kampfe gegen den Clerus, den hohen wie den niederen, ging ein großer
Theil von Duruy's Thätigkeit auf; in diesem beständigen Streite hat ihn
seine Energie nie verlassen. Die Maßregeln nach unten sind es vielleicht
die von allen seinen Schöpfungen am längsten Bestand und die tiefgehendste
nachhaltigste Wirkung haben werden. Doch soll uns heute die andere Seite
von Duruy's Reformen beschäftigen, wir meinen die im höheren Unterrichte,
specieller auf philologisch-historischem Gebiete.

Doch vorher wird es nöthig sein, die bisher vorhanden gewesenen An¬
stalten und Hilfsmittel in rascher Aufzählung zu überschauen. Die Hrnvör-
sit6 ac ?rg.uoe, in ihrer jetzigen Gestalt ein Werk Napoleon's I., wie so
viele Krebsschäden Frankreichs, hat ihr Netz über das ganze Land ausge¬
spannt. In Paris und Straßburg allein finden sich alle vier Facultäten ver¬
einigt, doch an gemeinschaftliche Arbeit, an collegialisches Zusammenleben
ist hier nicht zu denken. In Deutschland sehen wir in der täglichen Be¬
rührung der verschiedensten Disciplinen und ihrer Vertreter eine der frucht¬
barsten Folgen der Er-richtung unserer Universitäten, in Paris führen die
vier Facultäten eine — auch räumlich — scharf gesonderte Existenz. Auf die
Lehrweise der französischen Akademien kommen wir später zurück.

Alle folgenden Anstalten sind Privilegien der Hauptstadt und haben in
der Provinz kein Gegenstück. Vor allem das berühmte vollere as Graues,
dann die Kevlö normale LuperiLurt^), die den Zweck hat den Lehrkörper
zu bilden, theils künftige akademische Professoren, theils Lyceallehrer. Endlich
die Heolo ach ciiartos, welche sogenannte ^i-eKivistes-pat^oZraxlies erzieht.
Die Devis cleZ I-rnZuss orientales hat sich ausschließlich die praktische Erler¬
nung der betreffenden Sprachen zum Ziele gesetzt. Dazu kommen ergänzend
einzelne isolirte Vorlesungen, die an der kaiserlichen Bibliothek gehalten werden.
— Für die Naturwissenschaften behauptete das Russe im ^in-nur clef
?1g.mes8 seine alte hervorragende Stellung. Die Levis politLeKniyue, die
lleole eentrals clez ^res et Getiers, die Devlo clos Muss, die Dools clef



") Die ooolss normales inkorionrss in den Departements sind nur ein sehr schwaches
sehr verkleinertes Abbild davon. Sie sind im Ganzen unbedeutend.
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[0029] liege. Duruy hätte Kaiser Joseph's II. Minister sein sollen — wenn der aufgeklärte Despot überhaupt einen ebenso despotisch aufgeklärten Gehilfen neben sich vertragen hätte! Trotz dieser Mängel find seine Verdienste unleugbar; nach beiden Seiten hin, nach oben und unten, hat er, nicht ohne Erfolg. Bildung und Wissen¬ schaft zu verbreiten sich unermüdlich bestrebt. Einmal vermehrte er die Zahl der Volksschulen, schuf er Anstalten für Erwachsene, die das früher Versäumte einigermaßen ersetzen können, und namentlich war sein Ziel in dieser Hin¬ sicht immer dahin gerichtet die Geistlichkeit fernzuhalten, ja auszuschließen; in diesem Kampfe gegen den Clerus, den hohen wie den niederen, ging ein großer Theil von Duruy's Thätigkeit auf; in diesem beständigen Streite hat ihn seine Energie nie verlassen. Die Maßregeln nach unten sind es vielleicht die von allen seinen Schöpfungen am längsten Bestand und die tiefgehendste nachhaltigste Wirkung haben werden. Doch soll uns heute die andere Seite von Duruy's Reformen beschäftigen, wir meinen die im höheren Unterrichte, specieller auf philologisch-historischem Gebiete. Doch vorher wird es nöthig sein, die bisher vorhanden gewesenen An¬ stalten und Hilfsmittel in rascher Aufzählung zu überschauen. Die Hrnvör- sit6 ac ?rg.uoe, in ihrer jetzigen Gestalt ein Werk Napoleon's I., wie so viele Krebsschäden Frankreichs, hat ihr Netz über das ganze Land ausge¬ spannt. In Paris und Straßburg allein finden sich alle vier Facultäten ver¬ einigt, doch an gemeinschaftliche Arbeit, an collegialisches Zusammenleben ist hier nicht zu denken. In Deutschland sehen wir in der täglichen Be¬ rührung der verschiedensten Disciplinen und ihrer Vertreter eine der frucht¬ barsten Folgen der Er-richtung unserer Universitäten, in Paris führen die vier Facultäten eine — auch räumlich — scharf gesonderte Existenz. Auf die Lehrweise der französischen Akademien kommen wir später zurück. Alle folgenden Anstalten sind Privilegien der Hauptstadt und haben in der Provinz kein Gegenstück. Vor allem das berühmte vollere as Graues, dann die Kevlö normale LuperiLurt^), die den Zweck hat den Lehrkörper zu bilden, theils künftige akademische Professoren, theils Lyceallehrer. Endlich die Heolo ach ciiartos, welche sogenannte ^i-eKivistes-pat^oZraxlies erzieht. Die Devis cleZ I-rnZuss orientales hat sich ausschließlich die praktische Erler¬ nung der betreffenden Sprachen zum Ziele gesetzt. Dazu kommen ergänzend einzelne isolirte Vorlesungen, die an der kaiserlichen Bibliothek gehalten werden. — Für die Naturwissenschaften behauptete das Russe im ^in-nur clef ?1g.mes8 seine alte hervorragende Stellung. Die Levis politLeKniyue, die lleole eentrals clez ^res et Getiers, die Devlo clos Muss, die Dools clef ") Die ooolss normales inkorionrss in den Departements sind nur ein sehr schwaches sehr verkleinertes Abbild davon. Sie sind im Ganzen unbedeutend.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/29>, abgerufen am 16.06.2024.