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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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Literatur.
Aufsätze zur englischen Geschichte. Von R. Pauli (Leipzig, S. Hirzel.)

Der bekannte Verfasser der "Geschichte Englands seit 1815" hat in diesen
Aufsätzen eine Reihe Studien zur älteren und neueren Geschichte des brittischen Jnsel-
reichs niedergelegt, welche sich auf fast alle Abschnitte derselben beziehen und nach
Form und Inhalt gleich geeignet sind, in engeren wie in weiteren Kreisen Interesse
zu erregen. Gestützt auf eine gründliche und umfassende Qucllenkenntniß, hat der
Verfasser eine Reihe charakteristischer Gestalten aus der Vergangenheit Englands aus¬
gewählt und diese zu Mittelpunkten anziehender Zeitbilder gemacht, deren farben¬
reiches Colerit vergessen läßt, daß jede einzelne Arbeit genaueste Kenntniß der be¬
züglichen Literatur und mühsam errungene Herrschaft über einen complicirten und
weitschichtigen wissenschaftlichen Apparat zur Voraussetzung hat. Der Ausgang des
englischen Mittelalters ist durch den schwarzen Prinzen und eine Studie über
Richard III. vertreten, welche auf den geschichtlichen Kern der großartigen Charakte¬
ristik des Shakespeare'schen Dramas zurückgeht, die Epoche der "ruhmwürdigen" Re¬
volution durch eine Reihe "Rundköpfe und Cavaliere" überschriebener Bilder, von
denen wir besonders den großen Protector und die feinsinnige Studie über Milton
namhaft machen. Die beiden an den Schluß gerückten Aufsätze über Canning und
den Prinzen Albert stehen in directer Beziehung zu dem Zeitalter, das in der "Ge¬
schichte Englands" eine breitere und zusammenfasstndere Darstellung gefunden hat.
"Canning" behandelt den Abschnitt, der dem ersten Bande des großen Pauli'schen
Werks vorhergeht, den "Prinzen Albert" werden wir wahrscheinlich indem für das
I. 1870 versprochenen dritten Bande dieses Buchs wiederfinden. Diese letzte Ab¬
handlung kann als Glanzpunkt der gesammten vorliegenden Sammlung bezeichnet
werden. Dem Leser wird nicht nur ein überaus anziehendes, ja ergreifendes Bild
des Familienlebens des englischen Königshauses, sondern zugleich Einblick in die
politische Thätigkeit geboten, welche der bescheidene deutsche Fürst, der nie mehr
sein wollte, als der Privatseeretär seiner königlichen Gemahlin, bis an das Ende
seiner Tage im Verborgenen übte, England ebenso zum Heil, wie dem Vaterlande,
dessen treuer Sohn Prinz Albert auch in der Fremde blieb. Die wohlthuende
Wärme, mit welcher dieses Bild gezeichnet ist, theilt sich dem Leser unwillkürlich
mit, der hier zum ersten Male Gelegenheit hat, im Einzelnen mit den Gründen
bekannt zu werden, aus denen der bei seinen Lebzeiten im Verborgenen gebliebene
edle Fürst nicht nur der Gegenstand des Cultus seiner Wittwe, sondern der Lieb¬
ling der beiden großen Nationen geworden ist, die an' seinem Leben Antheil gehabt


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Literatur.
Aufsätze zur englischen Geschichte. Von R. Pauli (Leipzig, S. Hirzel.)

Der bekannte Verfasser der „Geschichte Englands seit 1815" hat in diesen
Aufsätzen eine Reihe Studien zur älteren und neueren Geschichte des brittischen Jnsel-
reichs niedergelegt, welche sich auf fast alle Abschnitte derselben beziehen und nach
Form und Inhalt gleich geeignet sind, in engeren wie in weiteren Kreisen Interesse
zu erregen. Gestützt auf eine gründliche und umfassende Qucllenkenntniß, hat der
Verfasser eine Reihe charakteristischer Gestalten aus der Vergangenheit Englands aus¬
gewählt und diese zu Mittelpunkten anziehender Zeitbilder gemacht, deren farben¬
reiches Colerit vergessen läßt, daß jede einzelne Arbeit genaueste Kenntniß der be¬
züglichen Literatur und mühsam errungene Herrschaft über einen complicirten und
weitschichtigen wissenschaftlichen Apparat zur Voraussetzung hat. Der Ausgang des
englischen Mittelalters ist durch den schwarzen Prinzen und eine Studie über
Richard III. vertreten, welche auf den geschichtlichen Kern der großartigen Charakte¬
ristik des Shakespeare'schen Dramas zurückgeht, die Epoche der „ruhmwürdigen" Re¬
volution durch eine Reihe „Rundköpfe und Cavaliere" überschriebener Bilder, von
denen wir besonders den großen Protector und die feinsinnige Studie über Milton
namhaft machen. Die beiden an den Schluß gerückten Aufsätze über Canning und
den Prinzen Albert stehen in directer Beziehung zu dem Zeitalter, das in der „Ge¬
schichte Englands" eine breitere und zusammenfasstndere Darstellung gefunden hat.
„Canning" behandelt den Abschnitt, der dem ersten Bande des großen Pauli'schen
Werks vorhergeht, den „Prinzen Albert" werden wir wahrscheinlich indem für das
I. 1870 versprochenen dritten Bande dieses Buchs wiederfinden. Diese letzte Ab¬
handlung kann als Glanzpunkt der gesammten vorliegenden Sammlung bezeichnet
werden. Dem Leser wird nicht nur ein überaus anziehendes, ja ergreifendes Bild
des Familienlebens des englischen Königshauses, sondern zugleich Einblick in die
politische Thätigkeit geboten, welche der bescheidene deutsche Fürst, der nie mehr
sein wollte, als der Privatseeretär seiner königlichen Gemahlin, bis an das Ende
seiner Tage im Verborgenen übte, England ebenso zum Heil, wie dem Vaterlande,
dessen treuer Sohn Prinz Albert auch in der Fremde blieb. Die wohlthuende
Wärme, mit welcher dieses Bild gezeichnet ist, theilt sich dem Leser unwillkürlich
mit, der hier zum ersten Male Gelegenheit hat, im Einzelnen mit den Gründen
bekannt zu werden, aus denen der bei seinen Lebzeiten im Verborgenen gebliebene
edle Fürst nicht nur der Gegenstand des Cultus seiner Wittwe, sondern der Lieb¬
ling der beiden großen Nationen geworden ist, die an' seinem Leben Antheil gehabt


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[0041] Literatur. Aufsätze zur englischen Geschichte. Von R. Pauli (Leipzig, S. Hirzel.) Der bekannte Verfasser der „Geschichte Englands seit 1815" hat in diesen Aufsätzen eine Reihe Studien zur älteren und neueren Geschichte des brittischen Jnsel- reichs niedergelegt, welche sich auf fast alle Abschnitte derselben beziehen und nach Form und Inhalt gleich geeignet sind, in engeren wie in weiteren Kreisen Interesse zu erregen. Gestützt auf eine gründliche und umfassende Qucllenkenntniß, hat der Verfasser eine Reihe charakteristischer Gestalten aus der Vergangenheit Englands aus¬ gewählt und diese zu Mittelpunkten anziehender Zeitbilder gemacht, deren farben¬ reiches Colerit vergessen läßt, daß jede einzelne Arbeit genaueste Kenntniß der be¬ züglichen Literatur und mühsam errungene Herrschaft über einen complicirten und weitschichtigen wissenschaftlichen Apparat zur Voraussetzung hat. Der Ausgang des englischen Mittelalters ist durch den schwarzen Prinzen und eine Studie über Richard III. vertreten, welche auf den geschichtlichen Kern der großartigen Charakte¬ ristik des Shakespeare'schen Dramas zurückgeht, die Epoche der „ruhmwürdigen" Re¬ volution durch eine Reihe „Rundköpfe und Cavaliere" überschriebener Bilder, von denen wir besonders den großen Protector und die feinsinnige Studie über Milton namhaft machen. Die beiden an den Schluß gerückten Aufsätze über Canning und den Prinzen Albert stehen in directer Beziehung zu dem Zeitalter, das in der „Ge¬ schichte Englands" eine breitere und zusammenfasstndere Darstellung gefunden hat. „Canning" behandelt den Abschnitt, der dem ersten Bande des großen Pauli'schen Werks vorhergeht, den „Prinzen Albert" werden wir wahrscheinlich indem für das I. 1870 versprochenen dritten Bande dieses Buchs wiederfinden. Diese letzte Ab¬ handlung kann als Glanzpunkt der gesammten vorliegenden Sammlung bezeichnet werden. Dem Leser wird nicht nur ein überaus anziehendes, ja ergreifendes Bild des Familienlebens des englischen Königshauses, sondern zugleich Einblick in die politische Thätigkeit geboten, welche der bescheidene deutsche Fürst, der nie mehr sein wollte, als der Privatseeretär seiner königlichen Gemahlin, bis an das Ende seiner Tage im Verborgenen übte, England ebenso zum Heil, wie dem Vaterlande, dessen treuer Sohn Prinz Albert auch in der Fremde blieb. Die wohlthuende Wärme, mit welcher dieses Bild gezeichnet ist, theilt sich dem Leser unwillkürlich mit, der hier zum ersten Male Gelegenheit hat, im Einzelnen mit den Gründen bekannt zu werden, aus denen der bei seinen Lebzeiten im Verborgenen gebliebene edle Fürst nicht nur der Gegenstand des Cultus seiner Wittwe, sondern der Lieb¬ ling der beiden großen Nationen geworden ist, die an' seinem Leben Antheil gehabt 5*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/41>, abgerufen am 16.06.2024.