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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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und die romanisirender Historiker (Gförer, Danaer, Hurter u. A.) innerlich am
nächsten stehen, -- "Poetische Romantiker" "künstlerische" und "sittliche" Roman¬
tiker. Am ausgiebigsten und zahlreichsten ist die Categorie der zum Katholicismus
übergetretenen Vertreter fürstlicher, gräflicher und altadliger Geschlechter, die sich
vor dem Zeitgeist in die Arme der großen Anstalt flüchten, für welche es, trotz der
unaufhörlichen Berufung auf ihren historischen Charakter, im Grunde keine Geschichte
und darum auch keine Zeit gibt, die allein den Muth hat, alle, auch die unbestreit¬
baren und praktisch allgemein anerkannten Resultate der Menschheitsentwickelung
an dem Maßstabe ihrer Interessen zu beurtheilen und zu verurtheilen. Nachdem
Stolberg ihnen den Weg gewiesen, ziehen Grafen und Herren, die vergeblich auf
Wiederherstellung der vollen Feudalherrlichkeit des römischen Reichs deutscher Nation
gerechnet haben, in dichten Schaaren nach Rom. Besonders zahlreich sind die con-
vertirten adligen Damen, an deren Spitze der Verf. mit Recht die Gräfin Hahn-
Hahn gestellt hat, deren Zerfallenheit mit dem protestantischen Pflichtbegriff für sie
selbst und ihre Nachtrcterinnen besonders charakteristisch ist. Der Familienzug dieser
vornehmen Convcrtitinnen, das beständige Schwanken zwischen dem Boudoir der As-
pasia und der Zelle 1>er heiligen Theresa findet sich in dem Leben der Ver¬
fasserin des Buchs "Von Babel nach Jerusalem" mit besonderer Deutlichkeit und
Leserlichkeit ausgeprägt.

Ebenso ausführlich geht das Nippold'sche Buch auf die Bekehrungsgeschichte der
Maler und Dichter über, welche entweder durch Uebersättigung an der Welt und
ihrer Lust oder aus der Liebe für wesentlich nicht-religiöse (künstlerische oder politi¬
sche) Tendenzen damit endeten, katholisch zu werden. Der Verfasser, der sich die
Widerlegung der Rosenrhal'schen "Convertitenbilder" zur speciellen Aufgabe gemacht
hat, referirt in weitaus den meisten Fällen mit den Worten seines Gegners.
Grade dadurch wird der Nachweis dafür, daß die Conversionsmotive in den meisten
Fällen nichts mit wirklich religiös-sittlichem Bedürfniß zu thun hatten und daß
die meisten Convertiten sich um die Confession, die sie abschworen, niemals gehörig
gekümmert hatten, bis zur Evidenz geführt. Die den Schluß des Werkes bildenden
"Ergebnisse und Folgerungen" resümiren in trefflicher Weise die Summe der Re¬
sultate, welche der Verfasser auf seinem Gange durch die Conversionsgcschichte deS
19. Jahrhunderts gewonnen hat. Die Mächte, welche im Protestantismus wie im
Katholicismus zum inneren und äußeren Verfall des Kirchenthums führen und in
den Conversionen des 19. Jahrhunderts ihr Antlitz mit besonderer Deutlichkeit zei¬
gen, werden scharf und deutlich charakterisirt und das Werk schließt mit der Be¬
rufung auf Arndt's Zeugniß dafür, daß diese Mächte es wesentlich gewesen sind,
welche den tiefen religiösen Riß verschuldet haben, der durch die moderne Gesell¬
schaft geht.

Das treffliche Buch kann grade gegenwärtig, wo die Partei, welcher Rom daS


und die romanisirender Historiker (Gförer, Danaer, Hurter u. A.) innerlich am
nächsten stehen, — „Poetische Romantiker" „künstlerische" und „sittliche" Roman¬
tiker. Am ausgiebigsten und zahlreichsten ist die Categorie der zum Katholicismus
übergetretenen Vertreter fürstlicher, gräflicher und altadliger Geschlechter, die sich
vor dem Zeitgeist in die Arme der großen Anstalt flüchten, für welche es, trotz der
unaufhörlichen Berufung auf ihren historischen Charakter, im Grunde keine Geschichte
und darum auch keine Zeit gibt, die allein den Muth hat, alle, auch die unbestreit¬
baren und praktisch allgemein anerkannten Resultate der Menschheitsentwickelung
an dem Maßstabe ihrer Interessen zu beurtheilen und zu verurtheilen. Nachdem
Stolberg ihnen den Weg gewiesen, ziehen Grafen und Herren, die vergeblich auf
Wiederherstellung der vollen Feudalherrlichkeit des römischen Reichs deutscher Nation
gerechnet haben, in dichten Schaaren nach Rom. Besonders zahlreich sind die con-
vertirten adligen Damen, an deren Spitze der Verf. mit Recht die Gräfin Hahn-
Hahn gestellt hat, deren Zerfallenheit mit dem protestantischen Pflichtbegriff für sie
selbst und ihre Nachtrcterinnen besonders charakteristisch ist. Der Familienzug dieser
vornehmen Convcrtitinnen, das beständige Schwanken zwischen dem Boudoir der As-
pasia und der Zelle 1>er heiligen Theresa findet sich in dem Leben der Ver¬
fasserin des Buchs „Von Babel nach Jerusalem" mit besonderer Deutlichkeit und
Leserlichkeit ausgeprägt.

Ebenso ausführlich geht das Nippold'sche Buch auf die Bekehrungsgeschichte der
Maler und Dichter über, welche entweder durch Uebersättigung an der Welt und
ihrer Lust oder aus der Liebe für wesentlich nicht-religiöse (künstlerische oder politi¬
sche) Tendenzen damit endeten, katholisch zu werden. Der Verfasser, der sich die
Widerlegung der Rosenrhal'schen „Convertitenbilder" zur speciellen Aufgabe gemacht
hat, referirt in weitaus den meisten Fällen mit den Worten seines Gegners.
Grade dadurch wird der Nachweis dafür, daß die Conversionsmotive in den meisten
Fällen nichts mit wirklich religiös-sittlichem Bedürfniß zu thun hatten und daß
die meisten Convertiten sich um die Confession, die sie abschworen, niemals gehörig
gekümmert hatten, bis zur Evidenz geführt. Die den Schluß des Werkes bildenden
„Ergebnisse und Folgerungen" resümiren in trefflicher Weise die Summe der Re¬
sultate, welche der Verfasser auf seinem Gange durch die Conversionsgcschichte deS
19. Jahrhunderts gewonnen hat. Die Mächte, welche im Protestantismus wie im
Katholicismus zum inneren und äußeren Verfall des Kirchenthums führen und in
den Conversionen des 19. Jahrhunderts ihr Antlitz mit besonderer Deutlichkeit zei¬
gen, werden scharf und deutlich charakterisirt und das Werk schließt mit der Be¬
rufung auf Arndt's Zeugniß dafür, daß diese Mächte es wesentlich gewesen sind,
welche den tiefen religiösen Riß verschuldet haben, der durch die moderne Gesell¬
schaft geht.

Das treffliche Buch kann grade gegenwärtig, wo die Partei, welcher Rom daS


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[0043] und die romanisirender Historiker (Gförer, Danaer, Hurter u. A.) innerlich am nächsten stehen, — „Poetische Romantiker" „künstlerische" und „sittliche" Roman¬ tiker. Am ausgiebigsten und zahlreichsten ist die Categorie der zum Katholicismus übergetretenen Vertreter fürstlicher, gräflicher und altadliger Geschlechter, die sich vor dem Zeitgeist in die Arme der großen Anstalt flüchten, für welche es, trotz der unaufhörlichen Berufung auf ihren historischen Charakter, im Grunde keine Geschichte und darum auch keine Zeit gibt, die allein den Muth hat, alle, auch die unbestreit¬ baren und praktisch allgemein anerkannten Resultate der Menschheitsentwickelung an dem Maßstabe ihrer Interessen zu beurtheilen und zu verurtheilen. Nachdem Stolberg ihnen den Weg gewiesen, ziehen Grafen und Herren, die vergeblich auf Wiederherstellung der vollen Feudalherrlichkeit des römischen Reichs deutscher Nation gerechnet haben, in dichten Schaaren nach Rom. Besonders zahlreich sind die con- vertirten adligen Damen, an deren Spitze der Verf. mit Recht die Gräfin Hahn- Hahn gestellt hat, deren Zerfallenheit mit dem protestantischen Pflichtbegriff für sie selbst und ihre Nachtrcterinnen besonders charakteristisch ist. Der Familienzug dieser vornehmen Convcrtitinnen, das beständige Schwanken zwischen dem Boudoir der As- pasia und der Zelle 1>er heiligen Theresa findet sich in dem Leben der Ver¬ fasserin des Buchs „Von Babel nach Jerusalem" mit besonderer Deutlichkeit und Leserlichkeit ausgeprägt. Ebenso ausführlich geht das Nippold'sche Buch auf die Bekehrungsgeschichte der Maler und Dichter über, welche entweder durch Uebersättigung an der Welt und ihrer Lust oder aus der Liebe für wesentlich nicht-religiöse (künstlerische oder politi¬ sche) Tendenzen damit endeten, katholisch zu werden. Der Verfasser, der sich die Widerlegung der Rosenrhal'schen „Convertitenbilder" zur speciellen Aufgabe gemacht hat, referirt in weitaus den meisten Fällen mit den Worten seines Gegners. Grade dadurch wird der Nachweis dafür, daß die Conversionsmotive in den meisten Fällen nichts mit wirklich religiös-sittlichem Bedürfniß zu thun hatten und daß die meisten Convertiten sich um die Confession, die sie abschworen, niemals gehörig gekümmert hatten, bis zur Evidenz geführt. Die den Schluß des Werkes bildenden „Ergebnisse und Folgerungen" resümiren in trefflicher Weise die Summe der Re¬ sultate, welche der Verfasser auf seinem Gange durch die Conversionsgcschichte deS 19. Jahrhunderts gewonnen hat. Die Mächte, welche im Protestantismus wie im Katholicismus zum inneren und äußeren Verfall des Kirchenthums führen und in den Conversionen des 19. Jahrhunderts ihr Antlitz mit besonderer Deutlichkeit zei¬ gen, werden scharf und deutlich charakterisirt und das Werk schließt mit der Be¬ rufung auf Arndt's Zeugniß dafür, daß diese Mächte es wesentlich gewesen sind, welche den tiefen religiösen Riß verschuldet haben, der durch die moderne Gesell¬ schaft geht. Das treffliche Buch kann grade gegenwärtig, wo die Partei, welcher Rom daS

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/43>, abgerufen am 16.06.2024.