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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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Hauptcontingent für seine sogenannten Konversionen dankt, einen entscheidenden Schritt
zur Erlangung der Alleinherrschaft zu machen versucht, -- auf einen besonders großen
und dankbaren Leserkreis rechnen.

Die vor uns ausgebreiteten Bilder aus der Geschichte der römischen Propa¬
ganda haben nämlich nicht nur ein historisches Interesse, sondern zugleich eine sehr
concrete Beziehung auf die Zeit , in welcher wir leben. Der Verfasser zeigt uns,
daß die so oft todtgesagte Macht des Jesuitismus trotz all' der großen Umwäl¬
zungen der letzten Jahrzehnte eher zu- als abgenommen hat und daß selbst
das alte Rüstzeug desselben noch keineswegs abgenutzt ist. In schlagender
Weise wird nachgewiesen, daß die römischen Propagandisten es heute so gut wie
vor fünfzig Jahren verstehen, die starken wie die schwachen Seiten ihrer neuen Kinder,
selbst die Sünden, durch welche dieselben in den Arm Roms getrieben wurden, im
Dienst und Interesse der Sache auszunützen, für welche sie gewonnen worden.
Grade darin offenbart sich die Richtigkeit des Grundgedankens, welcher durch das
Nivpold'sche Buch geht: daß es sich bei Convertirendcn und Convertiten unseres
Jahrhunderts um alles Andere eher handelt, als um Befriedigung wirklich re¬
ligiöser Bedürfnisse, daß die Propaganda von heute eine wesentlich politische Anstalt
ist, welche der modernen Welt Krieg bis aufs Messer angekündigt hat und
denselben mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln und auf allen Gebieten, die
ihr zugänglich sind, bekämpft. -- Das Nivpold'sche Buch ist im Großen und Gan¬
zen populär genug gehalten, um auch in diejenigen Schichten des Volkes zu dringen,
welche an den Principienkämpfen der Zeit keinen directen Antheil nehmen. In
Süddeutschland greift der Gegensatz zwischen Protestantismus und Ultramontanis¬
mus übrigens stark genug in das Leben aller Classen ein, um einem Buche, wie dem
vorliegenden, auch eine volksthümliche Bedeutung zu sichern.




Dichter, Patriarch und Ritter. Wahrheit zu Rückert's Dichtungen. Von
Dr. C. Kühner (Frankfurt a. M., I. D. Sauerländers Verlag).

Das kleine Buch, das unter diesem wunderlichen Titel erschienen ist, kündigt sich
als biographischer Commentar zu Rückert's Dichtungen an, kommt diesem Versprechen
aber nur indirect und nur zum Theil nach. Das erste Capitel "der Dichter" macht
uns mit Einzelheiten aus dem Jugendleben Rückert's bekannt, die Wohl auch sonst
bekannt waren, überdies kein hervorragendes Interesse bieten. Von einer ziemlich
großen Anzahl in den Text mitabgedruckter kleinerer, zuweilen nicht sehr beachtens-
werther Gedichte erfahren wir, wo und wie sie entstanden sind und wem sie galten.
Ebenso macht der Verfasser uns mit "Agnes" und "Amaryllis", zwei Mädchen-


Hauptcontingent für seine sogenannten Konversionen dankt, einen entscheidenden Schritt
zur Erlangung der Alleinherrschaft zu machen versucht, — auf einen besonders großen
und dankbaren Leserkreis rechnen.

Die vor uns ausgebreiteten Bilder aus der Geschichte der römischen Propa¬
ganda haben nämlich nicht nur ein historisches Interesse, sondern zugleich eine sehr
concrete Beziehung auf die Zeit , in welcher wir leben. Der Verfasser zeigt uns,
daß die so oft todtgesagte Macht des Jesuitismus trotz all' der großen Umwäl¬
zungen der letzten Jahrzehnte eher zu- als abgenommen hat und daß selbst
das alte Rüstzeug desselben noch keineswegs abgenutzt ist. In schlagender
Weise wird nachgewiesen, daß die römischen Propagandisten es heute so gut wie
vor fünfzig Jahren verstehen, die starken wie die schwachen Seiten ihrer neuen Kinder,
selbst die Sünden, durch welche dieselben in den Arm Roms getrieben wurden, im
Dienst und Interesse der Sache auszunützen, für welche sie gewonnen worden.
Grade darin offenbart sich die Richtigkeit des Grundgedankens, welcher durch das
Nivpold'sche Buch geht: daß es sich bei Convertirendcn und Convertiten unseres
Jahrhunderts um alles Andere eher handelt, als um Befriedigung wirklich re¬
ligiöser Bedürfnisse, daß die Propaganda von heute eine wesentlich politische Anstalt
ist, welche der modernen Welt Krieg bis aufs Messer angekündigt hat und
denselben mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln und auf allen Gebieten, die
ihr zugänglich sind, bekämpft. — Das Nivpold'sche Buch ist im Großen und Gan¬
zen populär genug gehalten, um auch in diejenigen Schichten des Volkes zu dringen,
welche an den Principienkämpfen der Zeit keinen directen Antheil nehmen. In
Süddeutschland greift der Gegensatz zwischen Protestantismus und Ultramontanis¬
mus übrigens stark genug in das Leben aller Classen ein, um einem Buche, wie dem
vorliegenden, auch eine volksthümliche Bedeutung zu sichern.




Dichter, Patriarch und Ritter. Wahrheit zu Rückert's Dichtungen. Von
Dr. C. Kühner (Frankfurt a. M., I. D. Sauerländers Verlag).

Das kleine Buch, das unter diesem wunderlichen Titel erschienen ist, kündigt sich
als biographischer Commentar zu Rückert's Dichtungen an, kommt diesem Versprechen
aber nur indirect und nur zum Theil nach. Das erste Capitel „der Dichter" macht
uns mit Einzelheiten aus dem Jugendleben Rückert's bekannt, die Wohl auch sonst
bekannt waren, überdies kein hervorragendes Interesse bieten. Von einer ziemlich
großen Anzahl in den Text mitabgedruckter kleinerer, zuweilen nicht sehr beachtens-
werther Gedichte erfahren wir, wo und wie sie entstanden sind und wem sie galten.
Ebenso macht der Verfasser uns mit „Agnes" und „Amaryllis", zwei Mädchen-


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[0044] Hauptcontingent für seine sogenannten Konversionen dankt, einen entscheidenden Schritt zur Erlangung der Alleinherrschaft zu machen versucht, — auf einen besonders großen und dankbaren Leserkreis rechnen. Die vor uns ausgebreiteten Bilder aus der Geschichte der römischen Propa¬ ganda haben nämlich nicht nur ein historisches Interesse, sondern zugleich eine sehr concrete Beziehung auf die Zeit , in welcher wir leben. Der Verfasser zeigt uns, daß die so oft todtgesagte Macht des Jesuitismus trotz all' der großen Umwäl¬ zungen der letzten Jahrzehnte eher zu- als abgenommen hat und daß selbst das alte Rüstzeug desselben noch keineswegs abgenutzt ist. In schlagender Weise wird nachgewiesen, daß die römischen Propagandisten es heute so gut wie vor fünfzig Jahren verstehen, die starken wie die schwachen Seiten ihrer neuen Kinder, selbst die Sünden, durch welche dieselben in den Arm Roms getrieben wurden, im Dienst und Interesse der Sache auszunützen, für welche sie gewonnen worden. Grade darin offenbart sich die Richtigkeit des Grundgedankens, welcher durch das Nivpold'sche Buch geht: daß es sich bei Convertirendcn und Convertiten unseres Jahrhunderts um alles Andere eher handelt, als um Befriedigung wirklich re¬ ligiöser Bedürfnisse, daß die Propaganda von heute eine wesentlich politische Anstalt ist, welche der modernen Welt Krieg bis aufs Messer angekündigt hat und denselben mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln und auf allen Gebieten, die ihr zugänglich sind, bekämpft. — Das Nivpold'sche Buch ist im Großen und Gan¬ zen populär genug gehalten, um auch in diejenigen Schichten des Volkes zu dringen, welche an den Principienkämpfen der Zeit keinen directen Antheil nehmen. In Süddeutschland greift der Gegensatz zwischen Protestantismus und Ultramontanis¬ mus übrigens stark genug in das Leben aller Classen ein, um einem Buche, wie dem vorliegenden, auch eine volksthümliche Bedeutung zu sichern. Dichter, Patriarch und Ritter. Wahrheit zu Rückert's Dichtungen. Von Dr. C. Kühner (Frankfurt a. M., I. D. Sauerländers Verlag). Das kleine Buch, das unter diesem wunderlichen Titel erschienen ist, kündigt sich als biographischer Commentar zu Rückert's Dichtungen an, kommt diesem Versprechen aber nur indirect und nur zum Theil nach. Das erste Capitel „der Dichter" macht uns mit Einzelheiten aus dem Jugendleben Rückert's bekannt, die Wohl auch sonst bekannt waren, überdies kein hervorragendes Interesse bieten. Von einer ziemlich großen Anzahl in den Text mitabgedruckter kleinerer, zuweilen nicht sehr beachtens- werther Gedichte erfahren wir, wo und wie sie entstanden sind und wem sie galten. Ebenso macht der Verfasser uns mit „Agnes" und „Amaryllis", zwei Mädchen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/44>, abgerufen am 16.06.2024.