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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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gestalten fränkischer Landeinsamkeit, bekannt, die in Sonnetenkränzen und Terzinen-
Serien gefeiert worden sind; jeder einzelnen Erzählung ist ein genauer Nachweis
dafür beigefügt, in welchem Bande der neuen Rückert-Ausgabe die betreffenden Dich¬
tungen zu finden sind. Obgleich ansprechend und mit Wärme geschrieben, machen
diese Mittheilungen aus des Dichters Jugendleben doch zu sehr den Eindruck des Zu¬
fälligen und Aphoristischen, als daß sie ein bleibendes Interesse in Anspruch neh¬
men könnten, zumal Manches bereits aus Rückert's Biographie bekannt ist.

Die beiden folgenden Abschnitte "der Patriarch" (Pastor.Hohnbaum zu Rodach)
und der "Ritter" (Freiherr Truchseß von Wetzhausen auf Bettenburg) haben es
nur indirect mit dem Dichter und dessen Dichtungen zu thun. Sie schildern das
idyllische Leben und Treiben zweier Männer, wie sie das 18. Jahrh. Viele hervorgebracht
hat, zweier Männer mit denen Rückert während seiner Jugendzeit zwar in freund¬
schaftlicher Beziehung gestanden, die auf seinen Lebens- und Entwickelungsgang aber
sicher keinen oder einen nur sehr untergeordneten Einfluß gehabt haben. Daß ein¬
zelne Gedichte auf den Patriarchen von Rodach und den Ritter von der Bettenburg
Beziehung haben, kommt nur beiläufig zur Sprache und kann kaum als Entstehungs-
grund für diese Schilderungen angesehen werden. Es ergibt sich vielmehr, daß eS
dem Verfasser Herzensbedürsniß gewesen ist, zwei ehrwürdige Gestalten der alten
Zeit in dem Licht poetischer Verklärung auf seine Staffelei zu bringen. -- Da¬
gegen ist an und für sich Nichts einzuwenden, auch läßt sich nicht leugnen, daß die
Idylle von Rodach mit liebevollem Verständniß für ihre und ihrer Zeit Eigenthüm¬
lichkeiten geschrieben ist. Um kulturgeschichtliche Bedeutung beanspruchen zu können, ist
diese Skizze aber doch zu eng abgegränzt und mit zu vielen subjectiven Zuthaten
des Verfassers ausgestattet. Sehr viel schwächer, weil stofflich undankbarer, als dieser
zweite, ist der dritte Abschnitt; es läßt sich wohl begreifen, warum Rückert und
warum Dr. Kühner für den Freiherrn von Truchseß Theilnahme gehabt haben, für
andere Leute bleibt derselbe aber eine gleichgiltige und ziemlich uninteressante Figur.
Das Ganze steht in einer nicht eben glücklichen Mitte zwischen biographischen Frag¬
ment und kulturgeschichtlicher Skizze und ist zu subjectiv gehalten, um für das eine
oder das andere zu gelten. Ansprechende Darstellung und warme Empfindung lassen
sich dem, übrigens durchaus anspruchslos gehaltenen Büchlein nicht absprechen.




Livländische Beiträge, herausgegeben von W. v. Bock. (Neue Folge,
Bd. I. H. 1 u. 2). Leipzig. Duncker u. Humblot.

Die Leser sind bereits früher auf dieses (nunmehr vierteljährlich erscheinende)
Sammelwerk aufmerksam gemacht worden, dessen erste Bände namentlich wegen der
in ihnen enthaltenen Actenstücke zur neueren livländischen Geschichte, von Bedeutung


gestalten fränkischer Landeinsamkeit, bekannt, die in Sonnetenkränzen und Terzinen-
Serien gefeiert worden sind; jeder einzelnen Erzählung ist ein genauer Nachweis
dafür beigefügt, in welchem Bande der neuen Rückert-Ausgabe die betreffenden Dich¬
tungen zu finden sind. Obgleich ansprechend und mit Wärme geschrieben, machen
diese Mittheilungen aus des Dichters Jugendleben doch zu sehr den Eindruck des Zu¬
fälligen und Aphoristischen, als daß sie ein bleibendes Interesse in Anspruch neh¬
men könnten, zumal Manches bereits aus Rückert's Biographie bekannt ist.

Die beiden folgenden Abschnitte „der Patriarch" (Pastor.Hohnbaum zu Rodach)
und der „Ritter" (Freiherr Truchseß von Wetzhausen auf Bettenburg) haben es
nur indirect mit dem Dichter und dessen Dichtungen zu thun. Sie schildern das
idyllische Leben und Treiben zweier Männer, wie sie das 18. Jahrh. Viele hervorgebracht
hat, zweier Männer mit denen Rückert während seiner Jugendzeit zwar in freund¬
schaftlicher Beziehung gestanden, die auf seinen Lebens- und Entwickelungsgang aber
sicher keinen oder einen nur sehr untergeordneten Einfluß gehabt haben. Daß ein¬
zelne Gedichte auf den Patriarchen von Rodach und den Ritter von der Bettenburg
Beziehung haben, kommt nur beiläufig zur Sprache und kann kaum als Entstehungs-
grund für diese Schilderungen angesehen werden. Es ergibt sich vielmehr, daß eS
dem Verfasser Herzensbedürsniß gewesen ist, zwei ehrwürdige Gestalten der alten
Zeit in dem Licht poetischer Verklärung auf seine Staffelei zu bringen. — Da¬
gegen ist an und für sich Nichts einzuwenden, auch läßt sich nicht leugnen, daß die
Idylle von Rodach mit liebevollem Verständniß für ihre und ihrer Zeit Eigenthüm¬
lichkeiten geschrieben ist. Um kulturgeschichtliche Bedeutung beanspruchen zu können, ist
diese Skizze aber doch zu eng abgegränzt und mit zu vielen subjectiven Zuthaten
des Verfassers ausgestattet. Sehr viel schwächer, weil stofflich undankbarer, als dieser
zweite, ist der dritte Abschnitt; es läßt sich wohl begreifen, warum Rückert und
warum Dr. Kühner für den Freiherrn von Truchseß Theilnahme gehabt haben, für
andere Leute bleibt derselbe aber eine gleichgiltige und ziemlich uninteressante Figur.
Das Ganze steht in einer nicht eben glücklichen Mitte zwischen biographischen Frag¬
ment und kulturgeschichtlicher Skizze und ist zu subjectiv gehalten, um für das eine
oder das andere zu gelten. Ansprechende Darstellung und warme Empfindung lassen
sich dem, übrigens durchaus anspruchslos gehaltenen Büchlein nicht absprechen.




Livländische Beiträge, herausgegeben von W. v. Bock. (Neue Folge,
Bd. I. H. 1 u. 2). Leipzig. Duncker u. Humblot.

Die Leser sind bereits früher auf dieses (nunmehr vierteljährlich erscheinende)
Sammelwerk aufmerksam gemacht worden, dessen erste Bände namentlich wegen der
in ihnen enthaltenen Actenstücke zur neueren livländischen Geschichte, von Bedeutung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/45>, abgerufen am 16.06.2024.