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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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mus übertrat, nach Rom ging und jetzt im heiligen Lande weilt. Die Katho¬
liken, die großes Capital aus seiner Bekehrung geschlagen, erheben seitdem
starke Contributionen von seinem Vermögen. Da dieses indeß, abgesehen von
seinem Hotel in Eccleston-Square, welches eine unschätzbare Gemälde-Gallerie
enthalt, auf 300,000 Pfd. sert. Einkünfte geschätzt wird, so bliebe er immer¬
hin noch reich genug, wenn er auch einen Papst ganz zu unterhalten hätte.

Mit den nöthigen Concessionen an die Erfordernisse eines Romans ist dies
der Kern "Lothair's", nur wird der Held schließlich doch nicht wie Lord Bude
katholisch, sondern besinnt sich zur elften Stunde und heirathet die gesinnungs-
voll-anglicanische Tochter des Herzogs. Lothair hat einen sentimentalen Zug
erfindet sich rasch von der Londoner großen Welt blasirt, wirft sich auf die
Religion, die er für das Hauptgeschäft des Lebens erklärt und über die er
mit Jedermann spricht. Er findet dieselbe indeß vornehmlich in geschmack¬
voller Liturgie, Kirchenbau und einer ziemlich nebelhaften Dogmatik, die
zwischen Puseyismus und Katholicismus schwebt. Um ihn kämpfen nun ver-
schieden? Einflüsse, das altenglische, psrsonisicirt in der Herzogsfamilie und
ihrer liebenswürdig tüchtigen Tochter Lady Corisande, das katholische, reprci"
sentirt durch Lady Se. Jerome, auf deren Landsitz Vauxe (Kröte ist Lady
Herbert's Gut) er mit seinem Vormund, dem Cardinal Grandison, und der
Rivalin Corisande's, Miß Arundel, in Verbindung tritt; das revolutionäre
in Gestalt der Theodor" Campian, einer enthusiastischen Römerin, die mit
einem Obersten aus den amerikanischen Südstaaten verheirathet, in engem
Verhältniß zu Mazzini steht, endlich mehr im Hintergrunde das schottisch,
puritanische, vertreten durch den zweiten Vormund, Lord Culloden und seine
beiden Töchter. Anfangs schlägt die kluge Berechnung der hierarchischen
Partei den anglicanischen Gegner ganz aus dem Felde, Lothair verliebt sich
in Clarc Arundel, schwärmt für die Wiederherstellung der kirchlichen Einheit,
will in London eine große katholische Kathedrale bauen, muß die Argumente
des Cardinals. der alle unangenehmen dogmatischen Schroffheiten klug zu
vermeiden weiß, anerkennen und wird durch dessen Untergebene vollkommen
geleitet. Diese Partie ist vortrefflich, sie zeigt das Treiben der katholischen
Propaganda in England, die Mittel, deren sie sich bedient, die Kunst, mit
der sie den Reichen den Weg zum Himmel bequem zu machen weiß, um so
wirkungsvoller als das Gemälde der Wirklichkeit vollkommen entspricht. In
dem Augenblick aber, wo diese Partei ihres Opfers schon sicher zu sein glaubt,
erscheint Theodor" und fesselt Lothair so, daß er ihr blind folgt; sie fühlt
für ihn nichts als Freundschaft, aber sie will ihn aus den Händen der Pa-
palini retten und zugleich für die Befreiung Roms benutzen, sie zieht ihn
nach Italien, wo er mit ihr und ihrem Gatten Garibaldi's Römerzug mit¬
macht; sie fällt am Vorabend der Schlacht von Mendana, ihr Mann in der-


mus übertrat, nach Rom ging und jetzt im heiligen Lande weilt. Die Katho¬
liken, die großes Capital aus seiner Bekehrung geschlagen, erheben seitdem
starke Contributionen von seinem Vermögen. Da dieses indeß, abgesehen von
seinem Hotel in Eccleston-Square, welches eine unschätzbare Gemälde-Gallerie
enthalt, auf 300,000 Pfd. sert. Einkünfte geschätzt wird, so bliebe er immer¬
hin noch reich genug, wenn er auch einen Papst ganz zu unterhalten hätte.

Mit den nöthigen Concessionen an die Erfordernisse eines Romans ist dies
der Kern „Lothair's", nur wird der Held schließlich doch nicht wie Lord Bude
katholisch, sondern besinnt sich zur elften Stunde und heirathet die gesinnungs-
voll-anglicanische Tochter des Herzogs. Lothair hat einen sentimentalen Zug
erfindet sich rasch von der Londoner großen Welt blasirt, wirft sich auf die
Religion, die er für das Hauptgeschäft des Lebens erklärt und über die er
mit Jedermann spricht. Er findet dieselbe indeß vornehmlich in geschmack¬
voller Liturgie, Kirchenbau und einer ziemlich nebelhaften Dogmatik, die
zwischen Puseyismus und Katholicismus schwebt. Um ihn kämpfen nun ver-
schieden? Einflüsse, das altenglische, psrsonisicirt in der Herzogsfamilie und
ihrer liebenswürdig tüchtigen Tochter Lady Corisande, das katholische, reprci«
sentirt durch Lady Se. Jerome, auf deren Landsitz Vauxe (Kröte ist Lady
Herbert's Gut) er mit seinem Vormund, dem Cardinal Grandison, und der
Rivalin Corisande's, Miß Arundel, in Verbindung tritt; das revolutionäre
in Gestalt der Theodor« Campian, einer enthusiastischen Römerin, die mit
einem Obersten aus den amerikanischen Südstaaten verheirathet, in engem
Verhältniß zu Mazzini steht, endlich mehr im Hintergrunde das schottisch,
puritanische, vertreten durch den zweiten Vormund, Lord Culloden und seine
beiden Töchter. Anfangs schlägt die kluge Berechnung der hierarchischen
Partei den anglicanischen Gegner ganz aus dem Felde, Lothair verliebt sich
in Clarc Arundel, schwärmt für die Wiederherstellung der kirchlichen Einheit,
will in London eine große katholische Kathedrale bauen, muß die Argumente
des Cardinals. der alle unangenehmen dogmatischen Schroffheiten klug zu
vermeiden weiß, anerkennen und wird durch dessen Untergebene vollkommen
geleitet. Diese Partie ist vortrefflich, sie zeigt das Treiben der katholischen
Propaganda in England, die Mittel, deren sie sich bedient, die Kunst, mit
der sie den Reichen den Weg zum Himmel bequem zu machen weiß, um so
wirkungsvoller als das Gemälde der Wirklichkeit vollkommen entspricht. In
dem Augenblick aber, wo diese Partei ihres Opfers schon sicher zu sein glaubt,
erscheint Theodor« und fesselt Lothair so, daß er ihr blind folgt; sie fühlt
für ihn nichts als Freundschaft, aber sie will ihn aus den Händen der Pa-
palini retten und zugleich für die Befreiung Roms benutzen, sie zieht ihn
nach Italien, wo er mit ihr und ihrem Gatten Garibaldi's Römerzug mit¬
macht; sie fällt am Vorabend der Schlacht von Mendana, ihr Mann in der-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/110>, abgerufen am 17.06.2024.