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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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menstehn. Dies Viertel wurde von Christian IV. angelegt und hat jetzt
einen bedeutenden Umfang. Nicht selten war es der düstere Schauplatz der
Verschwörung und beherbergte unter seinen armseligen Dächern die Schreck¬
nisse der Rebellion.

Architektonisch hat die Stadt wenig Merkwürdiges. Die gründlichen
Feuersbrünste, von denen sie wie ihr südliches Gegenbild Constantinopel fast in
jedem Jahrhundert periodisch heimgesucht wurde, sind daran Schuld, daß ihr
eine historische Physiognomie beinahe völlig abgeht. Die meisten der gegen¬
wärtigen Gebäude stammen mit ihrer trivialen Architektur aus dem Ende des
vorigen Jahrhunderts. Die Kirchen haben sämmtlich das gleichgiltigste Aussehn,
sie sind nicht einmal durch irgend welche interessante Geschmacklosigkeit bemer¬
kenswerth. Das Schloß Christiansborg, wie es nach dem Brande von 1794 neu
aufgebaut worden ist, eine plumpe, schwerfällige, schlechtgegliedecte Steinmasse
von großen Dimensionen, aber ohne jedes künstlerische Interesse. Um so ange¬
nehmer berührt unter der großen Menge des architektonisch Unbedeutenden
der Anblick zweier Gebäude aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts, der Börse
und des Schlosses Rosenburg. Beide zeigen in ihrer Bauweise eine originelle,
malerisch wirksame Mischung gothischer Architekturformen mit Stileigenthüm¬
lichkeiten der Renaissance. Erreicht diese Combination auch nicht den Charakter
einer vollkommnen, künstlerisch lebendigen Einheit, so ist sie doch frei von eigent¬
licher Bizarrerie und wirkt inmitten der flachen Prosa und Nüchternheit
der meisten übrigen Architekturwerke durch das Phantasievolle der Formen
doppelt anziehend. Von besonderem Interesse sind diese Gebäude schon des¬
halb, weil ihre Entstehung in eine Zeit fällt, wo die gothischen Reminis¬
cenzen fast überall schon völlig erloschen waren und weil die Mischung gothi-
scher Bauformen mit solchen der Renaissance überhaupt etwas Seltenes ist.
Beide Architekturwerke sind Denkmäler der umfassend'en Bauchätigkeit König
Christians IV.. deren Spuren man allenthalben im Lande begegnet und jeden¬
falls hat an Conception und Durchführung derselben der persönliche Geschmack,
die originelle Eigenthümlichkeit dieses kunstverständigen, von den Dänen mit
Recht gepriesenen Fürsten den wichtigsten Antheil gehabt. Ein anderes,
vielleicht noch bedeutenderes Beispiel dieser Bauweise, die man kurz als den
Stil Christians IV- bezeichnen kann, ist das Schloß Freoeriksborg. 4 Meilen
nördlich von Kopenhagen, welches 1859 niederbrannte und jetzt völlig in der
alten Weise wieder aufgebaut ist.

Unter den neueren Architekturwerken verdient das zoologische Museum
ausgezeichnet zu werden, ein geschmackvoller Backsteinbau von Chr. Hansen,
einem Bruder des bekannten Wiener Architekten, interessant besondere durch
den großen, von einem mächtigen Glasdach überdeckten Hofraum, welcher
rings von zwei Loggienreihen mit zierlichen romanischen Säulenstellungen
umgeben, durch farbige, ziemlich frei behandelte Ornamente geschmückt, einen


menstehn. Dies Viertel wurde von Christian IV. angelegt und hat jetzt
einen bedeutenden Umfang. Nicht selten war es der düstere Schauplatz der
Verschwörung und beherbergte unter seinen armseligen Dächern die Schreck¬
nisse der Rebellion.

Architektonisch hat die Stadt wenig Merkwürdiges. Die gründlichen
Feuersbrünste, von denen sie wie ihr südliches Gegenbild Constantinopel fast in
jedem Jahrhundert periodisch heimgesucht wurde, sind daran Schuld, daß ihr
eine historische Physiognomie beinahe völlig abgeht. Die meisten der gegen¬
wärtigen Gebäude stammen mit ihrer trivialen Architektur aus dem Ende des
vorigen Jahrhunderts. Die Kirchen haben sämmtlich das gleichgiltigste Aussehn,
sie sind nicht einmal durch irgend welche interessante Geschmacklosigkeit bemer¬
kenswerth. Das Schloß Christiansborg, wie es nach dem Brande von 1794 neu
aufgebaut worden ist, eine plumpe, schwerfällige, schlechtgegliedecte Steinmasse
von großen Dimensionen, aber ohne jedes künstlerische Interesse. Um so ange¬
nehmer berührt unter der großen Menge des architektonisch Unbedeutenden
der Anblick zweier Gebäude aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts, der Börse
und des Schlosses Rosenburg. Beide zeigen in ihrer Bauweise eine originelle,
malerisch wirksame Mischung gothischer Architekturformen mit Stileigenthüm¬
lichkeiten der Renaissance. Erreicht diese Combination auch nicht den Charakter
einer vollkommnen, künstlerisch lebendigen Einheit, so ist sie doch frei von eigent¬
licher Bizarrerie und wirkt inmitten der flachen Prosa und Nüchternheit
der meisten übrigen Architekturwerke durch das Phantasievolle der Formen
doppelt anziehend. Von besonderem Interesse sind diese Gebäude schon des¬
halb, weil ihre Entstehung in eine Zeit fällt, wo die gothischen Reminis¬
cenzen fast überall schon völlig erloschen waren und weil die Mischung gothi-
scher Bauformen mit solchen der Renaissance überhaupt etwas Seltenes ist.
Beide Architekturwerke sind Denkmäler der umfassend'en Bauchätigkeit König
Christians IV.. deren Spuren man allenthalben im Lande begegnet und jeden¬
falls hat an Conception und Durchführung derselben der persönliche Geschmack,
die originelle Eigenthümlichkeit dieses kunstverständigen, von den Dänen mit
Recht gepriesenen Fürsten den wichtigsten Antheil gehabt. Ein anderes,
vielleicht noch bedeutenderes Beispiel dieser Bauweise, die man kurz als den
Stil Christians IV- bezeichnen kann, ist das Schloß Freoeriksborg. 4 Meilen
nördlich von Kopenhagen, welches 1859 niederbrannte und jetzt völlig in der
alten Weise wieder aufgebaut ist.

Unter den neueren Architekturwerken verdient das zoologische Museum
ausgezeichnet zu werden, ein geschmackvoller Backsteinbau von Chr. Hansen,
einem Bruder des bekannten Wiener Architekten, interessant besondere durch
den großen, von einem mächtigen Glasdach überdeckten Hofraum, welcher
rings von zwei Loggienreihen mit zierlichen romanischen Säulenstellungen
umgeben, durch farbige, ziemlich frei behandelte Ornamente geschmückt, einen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/123>, abgerufen am 17.06.2024.