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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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ebenso heiteren als würdigen Eindruck macht; von der Bestimmung dieses
Raums -- die nackte Häßlichkeit riesiger Thierskelette ist darin aufgestellt --
muß man allerdings absehen. Die in der Nähe befindliche Universität und
das dazu gehörende Btbltotheksgebäude sind respectable, aber minder inter¬
essante Werke. Was man sonst von moderner Architektur zu sehen bekommt,
an Pnvathäusern der Stadt, an Villen außerhalb derselben, hat im Ganzen
ein sehr bescheidenes Ansehn und läßt eine Sinnesweise erkennen, die mehr
aus das Zweckmäßige, als auf das architektonisch Anmuthige bedacht ist.
Einige Reliefbilder Thorwaldsens in mehr oder minder gelungenen Nach¬
bildungen sind häufig der einzige bemerkenswerthe Schmuck solcher Gebäude;
aber dieser Schmuck wird auch nur selten fehlen.

Der Name Thorwaldsens, den man in Kopenhagen wie den Namen
eines Schutzheiligen verehrt, wird uns aller Orten in Erinnerung gebracht.
Nicht blos in den Kirchen, Schlößern und öffentlichen Gebäuden, die sich mit
Originalwerken des Meisters schmücken und die Armuth ihrer Gestalt mit
seinem Reichthum bedecken; in jedem wohlhabenden Bürgerhaus sann man
darauf rechnen, die Nachbildung eines Thorwaldsen'schen Werkes in irgend
einer Form decorativ verwendet zu finden; su den Straßen wird es wenig
Schauläden geben, wo man nicht in irgend einer Weise, aus der goldgefaßten
Broche, auf dem einfachen Hausgeräth, quf dem Lineal des Schulknabsn ze.
Figuren Thorwaldsens reproducirt sähe.

Das architektonische Monument, welches die Dänen dem gepriesenen
Meister errichtet haben, ist ein rühmliches Zeugniß ihrer Pietät, aber leider
nicht ihres künstlerischen Geschmacks. Man kann das Museum Thorwaldsens
in der That nur als ein architektonisches Curiosum bezeichnen. Um das Ge¬
bäude, in dessen Hofraum sich das Grab des Künstlers befindet, zugleich als
Mausoleum zu kennzeichnen, hat man die Anlage desselben auf eine seltsame
Art von altgriechischen und etrurischen Grabstätten abstrahirt. Pfeiler, Thür-
und Fensterpfosten sind schräg gegeneinander geneigt; düsteres Gelbbraun
wechselt mit tiefem Schwarz an den Flächen der Außenwände und der Wände
des Hofes; und das Ganze des wunderlichen, finsteren, schwerfälligen Baues
macht einen Eindruck, der dem classischen Charakter der griechisch-heiteren
Kunstwerke, die hier aufbewahrt sind, so entschieden als möglich widerspricht.
Die innere Einrichtung hat den Vorzug, daß sie, namentlich in den Gemächern
des Erdgeschosses, den aufgestellten Bildwerken ein günstiges Licht gewährt.
Aber auch hier in den inneren Räumen wirkt der Eindruck der Architektur,
dem man sich nicht entziehen kann, störend und disharmonisch. Diese Ge¬
mächer mit ihren dicken ungegliederten Mauern, mit ihren niedrigen Durch¬
gängen, mit dem breiten Saum von tristen Schwarz an der unteren Wand-
hälste haben etwas Gruftartiges und sind architektonisch keineswegs ein
passender Aufenthalt für die anmuthigen Göttergestalten Thorwaldsens. Das


ebenso heiteren als würdigen Eindruck macht; von der Bestimmung dieses
Raums — die nackte Häßlichkeit riesiger Thierskelette ist darin aufgestellt —
muß man allerdings absehen. Die in der Nähe befindliche Universität und
das dazu gehörende Btbltotheksgebäude sind respectable, aber minder inter¬
essante Werke. Was man sonst von moderner Architektur zu sehen bekommt,
an Pnvathäusern der Stadt, an Villen außerhalb derselben, hat im Ganzen
ein sehr bescheidenes Ansehn und läßt eine Sinnesweise erkennen, die mehr
aus das Zweckmäßige, als auf das architektonisch Anmuthige bedacht ist.
Einige Reliefbilder Thorwaldsens in mehr oder minder gelungenen Nach¬
bildungen sind häufig der einzige bemerkenswerthe Schmuck solcher Gebäude;
aber dieser Schmuck wird auch nur selten fehlen.

Der Name Thorwaldsens, den man in Kopenhagen wie den Namen
eines Schutzheiligen verehrt, wird uns aller Orten in Erinnerung gebracht.
Nicht blos in den Kirchen, Schlößern und öffentlichen Gebäuden, die sich mit
Originalwerken des Meisters schmücken und die Armuth ihrer Gestalt mit
seinem Reichthum bedecken; in jedem wohlhabenden Bürgerhaus sann man
darauf rechnen, die Nachbildung eines Thorwaldsen'schen Werkes in irgend
einer Form decorativ verwendet zu finden; su den Straßen wird es wenig
Schauläden geben, wo man nicht in irgend einer Weise, aus der goldgefaßten
Broche, auf dem einfachen Hausgeräth, quf dem Lineal des Schulknabsn ze.
Figuren Thorwaldsens reproducirt sähe.

Das architektonische Monument, welches die Dänen dem gepriesenen
Meister errichtet haben, ist ein rühmliches Zeugniß ihrer Pietät, aber leider
nicht ihres künstlerischen Geschmacks. Man kann das Museum Thorwaldsens
in der That nur als ein architektonisches Curiosum bezeichnen. Um das Ge¬
bäude, in dessen Hofraum sich das Grab des Künstlers befindet, zugleich als
Mausoleum zu kennzeichnen, hat man die Anlage desselben auf eine seltsame
Art von altgriechischen und etrurischen Grabstätten abstrahirt. Pfeiler, Thür-
und Fensterpfosten sind schräg gegeneinander geneigt; düsteres Gelbbraun
wechselt mit tiefem Schwarz an den Flächen der Außenwände und der Wände
des Hofes; und das Ganze des wunderlichen, finsteren, schwerfälligen Baues
macht einen Eindruck, der dem classischen Charakter der griechisch-heiteren
Kunstwerke, die hier aufbewahrt sind, so entschieden als möglich widerspricht.
Die innere Einrichtung hat den Vorzug, daß sie, namentlich in den Gemächern
des Erdgeschosses, den aufgestellten Bildwerken ein günstiges Licht gewährt.
Aber auch hier in den inneren Räumen wirkt der Eindruck der Architektur,
dem man sich nicht entziehen kann, störend und disharmonisch. Diese Ge¬
mächer mit ihren dicken ungegliederten Mauern, mit ihren niedrigen Durch¬
gängen, mit dem breiten Saum von tristen Schwarz an der unteren Wand-
hälste haben etwas Gruftartiges und sind architektonisch keineswegs ein
passender Aufenthalt für die anmuthigen Göttergestalten Thorwaldsens. Das


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/124>, abgerufen am 17.06.2024.