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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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Seltsamste aber ist die Reihe von Wandbildern, die sich außen unterhalb der
Fenster an den beiden Langseiten und der Hinteren Schmalseite des Gebäudes
hinzieht. Auf der einen Flanke ist dargestellt, wie Thorwaldsen 1838 in
Kopenhagen empfangen wird. Fast die ganze Wand entlang sieht man
Nichts weiter, als Kähne mit Musikanten, mit Männern und Frauen, welche
sämmtlich in Lebensgröße und abscheulichem Zeitcostüm, meist im Profil nach
derselben Seite gewendet, Taschentücher und Hüte in die Höhe halten; am
Schlüsse Thorwaldsen, der ans Land steigt und von dem Empfangscomite'
bewillkommt wird. Auf der anderen Flanke ist die Ausschiffung von Thor-
waldsens Werken zu sehen, das Bemühen von Schiffsknechten und Lastträgern,
welche in langer Reihe hinter einander den Luzerner Löwen, den Taufengel.
den Jason und Merkur ans Land ziehen. Auf der Rückseite ist das Schiff
selbst in Lebensgröße dargestellt. Zu ihrer monumentalen Bestimmung stehen
diese Bilder, deren Geschmacklosigkeit und genrchafte Trivialität an das Unglaub¬
liche grenzt, in einem Widerspruch von absolut komischer Wirkung. Die Fresken
an der neuen Pinakothek in München, die man mit den Bildern an Jahr¬
marktsbuden verglichen hat, sind gegen sie Compositionen von historischer Gro߬
artigkeit. Der Ungeschmack dieser Schildereien steigert sich aber noch durch die
Ausführung, die gleichfalls etwas "Etrurisches" haben sollte; die Farben, fast
ausschließlich Gelb und Braun, sind ohne jede Nüancirung. die Schatten sind
schwarz schraffirt, der Hintergrund, ohne alle Andeutung der Oertlichkeit, ist völlig
schwarz. Um diesen ganzen künstlerischen Nonsens möglichst dauerhaft und
wetterfest zu machen, hat man die Anwendung des Pinsels weislich vermie¬
den und die Bilder höchst mühselig durch eingelegten farbigen Cement her¬
gestellt. Wie an so ausgezeichneter Stelle, in dem künstlerischen Centrum
der Stadt, etwas derartiges möglich war, ist kaum zu begreifen. Doch muß
zur Ehre des dänischen Geschmacks bemerkt werden, daß man jetzt in ma߬
gebenden Kreisen das Verfehlte der Bilder empfindet und damit umgeht, das
Gebäude von dieser häßlichen Decoration zu befreien.

Die Pietät der Dänen gegen Thorwaldsen, dessen Ruhm sie mit einer
fast ängstlichen Eifersucht bewachen, ist ohne Zweifel der besten Anerkennung
werth. Ob in dieser Verehrung der künstlerische Enthusiasmus das vorwie¬
gende Moment ist. kann man mit Recht bezweifeln. Vor allem erscheint sie
als ein Ausdruck des energischen Gemeingefühls, welches den Dänen eigen¬
thümlich ist. Den Ruhm eines Landesgenossen empfinden sie mit Lebhaftig¬
keit als eine Angelegenheit des ganzen Volkes. Mit dieser rühmlichen Eigen¬
schaft, um die wir unsre nordischen Nachbarn in manchen Fällen beneiden
könnten, mischt sich allerdings häufig genug der fatale Zug einer kleinlichen
Nationaleitelkeit, die um so seltsamer erscheint, als man auf dem Gebiete der
geistigen Production vergeblich nach Leistungen sucht von einer besonders
volksthümlichen Originalität. "National" ist ein Wort, welches die Dänen
mit vieler Selbstgefälligkeit im Munde führen, aber was will dies "National"
bedeuten? Ist in der Kunst Thorwoldsens etwas eigenthümlich Dänisches?
Seiner geschichtlichen Bedeutung nach gehört Thorwaldsen so gewiß nicht
in die engen Grenzen seines Landes, als Dänemark bis auf ihn einer
künstlerischen Tradition, einer selbständigen Kunstgeschichte völlig ent-
behrte. Es beruht nicht auf Anmaßung, sondern auf einem wohlbegrün¬
deten Recht, wenn wir Thorwaldsen in die Kunstgeschichte Deutschlands ein¬
reihen, in dessen gesammter Bildung die allgemeinen Voraussetzungen seiner
künstlerischen Entwicklung lagen. Nicht minder abhängig von Deutschland
ist die ganze dänische Dichtung. Oehlenschläger, ein Poet von wenig ur¬
sprünglicher Kraft, aber von einem ernsten und edlen Gefühl, steht mit seiner
Bildung ganz auf dem Boden unsrer classischen Literatur; einige seiner Haupt¬
werke hat er zuerst in deutscher Sprache geschrieben, eine Sammlung lyrischer


Seltsamste aber ist die Reihe von Wandbildern, die sich außen unterhalb der
Fenster an den beiden Langseiten und der Hinteren Schmalseite des Gebäudes
hinzieht. Auf der einen Flanke ist dargestellt, wie Thorwaldsen 1838 in
Kopenhagen empfangen wird. Fast die ganze Wand entlang sieht man
Nichts weiter, als Kähne mit Musikanten, mit Männern und Frauen, welche
sämmtlich in Lebensgröße und abscheulichem Zeitcostüm, meist im Profil nach
derselben Seite gewendet, Taschentücher und Hüte in die Höhe halten; am
Schlüsse Thorwaldsen, der ans Land steigt und von dem Empfangscomite'
bewillkommt wird. Auf der anderen Flanke ist die Ausschiffung von Thor-
waldsens Werken zu sehen, das Bemühen von Schiffsknechten und Lastträgern,
welche in langer Reihe hinter einander den Luzerner Löwen, den Taufengel.
den Jason und Merkur ans Land ziehen. Auf der Rückseite ist das Schiff
selbst in Lebensgröße dargestellt. Zu ihrer monumentalen Bestimmung stehen
diese Bilder, deren Geschmacklosigkeit und genrchafte Trivialität an das Unglaub¬
liche grenzt, in einem Widerspruch von absolut komischer Wirkung. Die Fresken
an der neuen Pinakothek in München, die man mit den Bildern an Jahr¬
marktsbuden verglichen hat, sind gegen sie Compositionen von historischer Gro߬
artigkeit. Der Ungeschmack dieser Schildereien steigert sich aber noch durch die
Ausführung, die gleichfalls etwas „Etrurisches" haben sollte; die Farben, fast
ausschließlich Gelb und Braun, sind ohne jede Nüancirung. die Schatten sind
schwarz schraffirt, der Hintergrund, ohne alle Andeutung der Oertlichkeit, ist völlig
schwarz. Um diesen ganzen künstlerischen Nonsens möglichst dauerhaft und
wetterfest zu machen, hat man die Anwendung des Pinsels weislich vermie¬
den und die Bilder höchst mühselig durch eingelegten farbigen Cement her¬
gestellt. Wie an so ausgezeichneter Stelle, in dem künstlerischen Centrum
der Stadt, etwas derartiges möglich war, ist kaum zu begreifen. Doch muß
zur Ehre des dänischen Geschmacks bemerkt werden, daß man jetzt in ma߬
gebenden Kreisen das Verfehlte der Bilder empfindet und damit umgeht, das
Gebäude von dieser häßlichen Decoration zu befreien.

Die Pietät der Dänen gegen Thorwaldsen, dessen Ruhm sie mit einer
fast ängstlichen Eifersucht bewachen, ist ohne Zweifel der besten Anerkennung
werth. Ob in dieser Verehrung der künstlerische Enthusiasmus das vorwie¬
gende Moment ist. kann man mit Recht bezweifeln. Vor allem erscheint sie
als ein Ausdruck des energischen Gemeingefühls, welches den Dänen eigen¬
thümlich ist. Den Ruhm eines Landesgenossen empfinden sie mit Lebhaftig¬
keit als eine Angelegenheit des ganzen Volkes. Mit dieser rühmlichen Eigen¬
schaft, um die wir unsre nordischen Nachbarn in manchen Fällen beneiden
könnten, mischt sich allerdings häufig genug der fatale Zug einer kleinlichen
Nationaleitelkeit, die um so seltsamer erscheint, als man auf dem Gebiete der
geistigen Production vergeblich nach Leistungen sucht von einer besonders
volksthümlichen Originalität. „National" ist ein Wort, welches die Dänen
mit vieler Selbstgefälligkeit im Munde führen, aber was will dies „National"
bedeuten? Ist in der Kunst Thorwoldsens etwas eigenthümlich Dänisches?
Seiner geschichtlichen Bedeutung nach gehört Thorwaldsen so gewiß nicht
in die engen Grenzen seines Landes, als Dänemark bis auf ihn einer
künstlerischen Tradition, einer selbständigen Kunstgeschichte völlig ent-
behrte. Es beruht nicht auf Anmaßung, sondern auf einem wohlbegrün¬
deten Recht, wenn wir Thorwaldsen in die Kunstgeschichte Deutschlands ein¬
reihen, in dessen gesammter Bildung die allgemeinen Voraussetzungen seiner
künstlerischen Entwicklung lagen. Nicht minder abhängig von Deutschland
ist die ganze dänische Dichtung. Oehlenschläger, ein Poet von wenig ur¬
sprünglicher Kraft, aber von einem ernsten und edlen Gefühl, steht mit seiner
Bildung ganz auf dem Boden unsrer classischen Literatur; einige seiner Haupt¬
werke hat er zuerst in deutscher Sprache geschrieben, eine Sammlung lyrischer


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[0125] Seltsamste aber ist die Reihe von Wandbildern, die sich außen unterhalb der Fenster an den beiden Langseiten und der Hinteren Schmalseite des Gebäudes hinzieht. Auf der einen Flanke ist dargestellt, wie Thorwaldsen 1838 in Kopenhagen empfangen wird. Fast die ganze Wand entlang sieht man Nichts weiter, als Kähne mit Musikanten, mit Männern und Frauen, welche sämmtlich in Lebensgröße und abscheulichem Zeitcostüm, meist im Profil nach derselben Seite gewendet, Taschentücher und Hüte in die Höhe halten; am Schlüsse Thorwaldsen, der ans Land steigt und von dem Empfangscomite' bewillkommt wird. Auf der anderen Flanke ist die Ausschiffung von Thor- waldsens Werken zu sehen, das Bemühen von Schiffsknechten und Lastträgern, welche in langer Reihe hinter einander den Luzerner Löwen, den Taufengel. den Jason und Merkur ans Land ziehen. Auf der Rückseite ist das Schiff selbst in Lebensgröße dargestellt. Zu ihrer monumentalen Bestimmung stehen diese Bilder, deren Geschmacklosigkeit und genrchafte Trivialität an das Unglaub¬ liche grenzt, in einem Widerspruch von absolut komischer Wirkung. Die Fresken an der neuen Pinakothek in München, die man mit den Bildern an Jahr¬ marktsbuden verglichen hat, sind gegen sie Compositionen von historischer Gro߬ artigkeit. Der Ungeschmack dieser Schildereien steigert sich aber noch durch die Ausführung, die gleichfalls etwas „Etrurisches" haben sollte; die Farben, fast ausschließlich Gelb und Braun, sind ohne jede Nüancirung. die Schatten sind schwarz schraffirt, der Hintergrund, ohne alle Andeutung der Oertlichkeit, ist völlig schwarz. Um diesen ganzen künstlerischen Nonsens möglichst dauerhaft und wetterfest zu machen, hat man die Anwendung des Pinsels weislich vermie¬ den und die Bilder höchst mühselig durch eingelegten farbigen Cement her¬ gestellt. Wie an so ausgezeichneter Stelle, in dem künstlerischen Centrum der Stadt, etwas derartiges möglich war, ist kaum zu begreifen. Doch muß zur Ehre des dänischen Geschmacks bemerkt werden, daß man jetzt in ma߬ gebenden Kreisen das Verfehlte der Bilder empfindet und damit umgeht, das Gebäude von dieser häßlichen Decoration zu befreien. Die Pietät der Dänen gegen Thorwaldsen, dessen Ruhm sie mit einer fast ängstlichen Eifersucht bewachen, ist ohne Zweifel der besten Anerkennung werth. Ob in dieser Verehrung der künstlerische Enthusiasmus das vorwie¬ gende Moment ist. kann man mit Recht bezweifeln. Vor allem erscheint sie als ein Ausdruck des energischen Gemeingefühls, welches den Dänen eigen¬ thümlich ist. Den Ruhm eines Landesgenossen empfinden sie mit Lebhaftig¬ keit als eine Angelegenheit des ganzen Volkes. Mit dieser rühmlichen Eigen¬ schaft, um die wir unsre nordischen Nachbarn in manchen Fällen beneiden könnten, mischt sich allerdings häufig genug der fatale Zug einer kleinlichen Nationaleitelkeit, die um so seltsamer erscheint, als man auf dem Gebiete der geistigen Production vergeblich nach Leistungen sucht von einer besonders volksthümlichen Originalität. „National" ist ein Wort, welches die Dänen mit vieler Selbstgefälligkeit im Munde führen, aber was will dies „National" bedeuten? Ist in der Kunst Thorwoldsens etwas eigenthümlich Dänisches? Seiner geschichtlichen Bedeutung nach gehört Thorwaldsen so gewiß nicht in die engen Grenzen seines Landes, als Dänemark bis auf ihn einer künstlerischen Tradition, einer selbständigen Kunstgeschichte völlig ent- behrte. Es beruht nicht auf Anmaßung, sondern auf einem wohlbegrün¬ deten Recht, wenn wir Thorwaldsen in die Kunstgeschichte Deutschlands ein¬ reihen, in dessen gesammter Bildung die allgemeinen Voraussetzungen seiner künstlerischen Entwicklung lagen. Nicht minder abhängig von Deutschland ist die ganze dänische Dichtung. Oehlenschläger, ein Poet von wenig ur¬ sprünglicher Kraft, aber von einem ernsten und edlen Gefühl, steht mit seiner Bildung ganz auf dem Boden unsrer classischen Literatur; einige seiner Haupt¬ werke hat er zuerst in deutscher Sprache geschrieben, eine Sammlung lyrischer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/125>, abgerufen am 17.06.2024.