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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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uns erklärt, daß sie den Eintritt der Süddeutschen in den deutschen Bund
nicht dulden würden, auch wenn eine Regierung und ein Volk des Südens von
sich selbst den Eintritt begehrte. Und wir haben wieder das schwere Opfer
gebracht, wir haben den Wunsch Badens abgewiesen. In Wahrheit nur,
um Frieden mit Frankreich zu erhalten. Jetzt aber ist ihnen Hoffarth und
Gelüst, uns zu demüthigen, so hoch geschwellt, daß sie eine geringe Angelegen¬
heit vom Zaun brachen, um uns vor aller Welt als gehorsame Vasallen
ihres Willens zu zeigen, und als auch hier ihre Forderung erfüllt war, aber
in der einfachen und unser Selbstgefühl schonenden Weise, welche die Ange¬
legenheit verstattet, da erhob sich ein Zorngeschrei unter ihnen, und ärgerlich
darüber, daß die Gelegenheit zum Kriege geschwunden oder die Demüthigung
nicht wie sie meinten gelungen war. versuchten sie an König Wilhelm durch
den Landsmann ihres Kaisers, den Grafen Benedetti, fast genau dieselbe Be¬
handlung, welche Fürst Menschikoff vor dem Krimkriege dem türkischen Sultan
zu Theil werden ließ. Und als die Majestät des Königs dieser befohlenen
Unverschämtheit begegnete, wie sichs gebührte, da hatten die Minister des
Kaisers die maßlose Dreistigkeit zu behaupten, daß wir zum Kriege zwängen,
daß wir längst heimlich gegen sie gerüstet hätten, und daß die Ehre Frank¬
reichs blutige Sühne auf dem Schlachtfeld verlange.

Wir sehen, fast das gesammte Europa sieht die Sache im Grunde ge¬
nau so an wie wir, und wir dürfen hoffen, daß auch abgeneigte Regierungen
sich vor ihren Bevölkerungen scheuen werden, nach einem so tollen, sogar
jedes Vorwandes baren Kriegsgeschrei Frankreichs der Neutralität zu ent¬
sagen. Oestreich und Dänemark haben bis jetzt eine durchaus neutrale Hal¬
tung bewahrt und gewähren die Aussicht, dabei zu beharren, Italien, dessen
Regierung leider noch durch die Verhältnisse in unwürdiger Abhängigkeit
von französischem Einflüsse gehalten wird, wird es schwer finden, gegen
die Meinung der Italiener uns zu befehden, vier Jahre nach treuer
Bundesgenossenschaft. Zudem sind wir gar nicht Grenznachbarn, und wir
besorgen nicht, die Schamröthe auf dem Antlitz italienischer Soldaten erblicken
zu müssen, wenn sie im Dienst des französischen Interesses über die Rhone
gezogen werden, um auf preußische Helme zu zielen. Nach Allem wird es
ein Kampf zwischen den beiden großen Culturvölkern des Continents von
Europa; und die Nationen um uns herum werden in Frieden dem Riesen¬
kampf zuschauen. Uns ist das recht; wir sind entschlossen, bis zur letzten Kraft
für das zu streiten, was mehr werth ist als das Leben. Wir merken, unserem
Geschlecht ist die Aufgabe gestellt, zu vollenden, was die Väter im Jahre 1813
begannen : Freiheit gegen äußere Uebermacht und Einigkeit im Innern. Und
wir sind gewillt, uns daran zu geben, damit unsere Nachkommen in dem frohen
Selbstgefühl erwachsen, welches die sicherste Grundlage der männlichen Tüchtig¬
keit bei allem Friedenswerke ist, und welche Viele von uns entbehren mußten.


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uns erklärt, daß sie den Eintritt der Süddeutschen in den deutschen Bund
nicht dulden würden, auch wenn eine Regierung und ein Volk des Südens von
sich selbst den Eintritt begehrte. Und wir haben wieder das schwere Opfer
gebracht, wir haben den Wunsch Badens abgewiesen. In Wahrheit nur,
um Frieden mit Frankreich zu erhalten. Jetzt aber ist ihnen Hoffarth und
Gelüst, uns zu demüthigen, so hoch geschwellt, daß sie eine geringe Angelegen¬
heit vom Zaun brachen, um uns vor aller Welt als gehorsame Vasallen
ihres Willens zu zeigen, und als auch hier ihre Forderung erfüllt war, aber
in der einfachen und unser Selbstgefühl schonenden Weise, welche die Ange¬
legenheit verstattet, da erhob sich ein Zorngeschrei unter ihnen, und ärgerlich
darüber, daß die Gelegenheit zum Kriege geschwunden oder die Demüthigung
nicht wie sie meinten gelungen war. versuchten sie an König Wilhelm durch
den Landsmann ihres Kaisers, den Grafen Benedetti, fast genau dieselbe Be¬
handlung, welche Fürst Menschikoff vor dem Krimkriege dem türkischen Sultan
zu Theil werden ließ. Und als die Majestät des Königs dieser befohlenen
Unverschämtheit begegnete, wie sichs gebührte, da hatten die Minister des
Kaisers die maßlose Dreistigkeit zu behaupten, daß wir zum Kriege zwängen,
daß wir längst heimlich gegen sie gerüstet hätten, und daß die Ehre Frank¬
reichs blutige Sühne auf dem Schlachtfeld verlange.

Wir sehen, fast das gesammte Europa sieht die Sache im Grunde ge¬
nau so an wie wir, und wir dürfen hoffen, daß auch abgeneigte Regierungen
sich vor ihren Bevölkerungen scheuen werden, nach einem so tollen, sogar
jedes Vorwandes baren Kriegsgeschrei Frankreichs der Neutralität zu ent¬
sagen. Oestreich und Dänemark haben bis jetzt eine durchaus neutrale Hal¬
tung bewahrt und gewähren die Aussicht, dabei zu beharren, Italien, dessen
Regierung leider noch durch die Verhältnisse in unwürdiger Abhängigkeit
von französischem Einflüsse gehalten wird, wird es schwer finden, gegen
die Meinung der Italiener uns zu befehden, vier Jahre nach treuer
Bundesgenossenschaft. Zudem sind wir gar nicht Grenznachbarn, und wir
besorgen nicht, die Schamröthe auf dem Antlitz italienischer Soldaten erblicken
zu müssen, wenn sie im Dienst des französischen Interesses über die Rhone
gezogen werden, um auf preußische Helme zu zielen. Nach Allem wird es
ein Kampf zwischen den beiden großen Culturvölkern des Continents von
Europa; und die Nationen um uns herum werden in Frieden dem Riesen¬
kampf zuschauen. Uns ist das recht; wir sind entschlossen, bis zur letzten Kraft
für das zu streiten, was mehr werth ist als das Leben. Wir merken, unserem
Geschlecht ist die Aufgabe gestellt, zu vollenden, was die Väter im Jahre 1813
begannen : Freiheit gegen äußere Uebermacht und Einigkeit im Innern. Und
wir sind gewillt, uns daran zu geben, damit unsere Nachkommen in dem frohen
Selbstgefühl erwachsen, welches die sicherste Grundlage der männlichen Tüchtig¬
keit bei allem Friedenswerke ist, und welche Viele von uns entbehren mußten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/131>, abgerufen am 17.06.2024.