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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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einsichtiges Eingreifen stellten die Ruhe des Landes wieder her, das einen
Augenblick in vollen Flammen der Noth und Revolution stand.

Bei der Bildung des Ministeriums Aberdeen trat Clarendon zuerst auf
den Posten, auf dem er seinen Ruf als europäischer Staatsmann gegründet,
er ward Minister des Auswärtigen und blieb dies während der ereigniß-
reichen Jahre von 1853--68. Der Krimkrieg und der Pariser Frieden bilden
den Höhepunkt seines politischen Wirkens, noch mehr als Palmerston ward
er die Seele der westmächtlichen Alltanz und bis an das Ende seines Lebens
blieb es seine Ueberzeugung, daß dieselbe die einzige Garantie des Welt-
friedens sei und daher um jeden Preis aufrecht erhalten werden müsse. Daß
er dieser Ueberzeugung beim Abschluß des Friedens zu große Opfer gebracht
hat. kann nicht bestritten werden, und sein Verhalten auf dem Pariser Con-
greß unterliegt gerechter Kritik. Aber wenn dies zugegeben werden muß, so
darf man andererseits nicht die Schwierigkeiten übersehen, mit welchen er
zu kämpfen hatte. Frankreich war des Krieges müde und der Kaiser speciell
wünschte dringend den Frieden, weil er keinen Weg zu neuen Erfolgen sah
ohne an die Revolution zu appelltren, die ihm selbst zu leicht gefährlich wer¬
den konnte. Oestreich war lau und wurde nur mit Mühe an der ohnehin
ziemlich nichtssagenden Allianz mit den Westmächten festgehalten, Rußland
hatte trotz aller Opfer, die ihm der Krieg gekostet, eingesehen, wie schwer es
den Alliirten werden mußte, seine wirkliche Macht zu brechen und war, wenn¬
gleich es den Frieden sehr wünschte, doch nicht geneigt, große Concessionen
zu machen. England allein war für die Fortsetzung des Krieges bis zur
wirklichen Demüthigung Rußlands, aber es mußte sich sagen, daß es dies
Ziel allein schwerlich erreichen könne. War es also entschlossen, nicht Frie¬
den zu machen, so mußte es vor Allem Frankreich festhalten, und dazu bot
der Allianzvertrag vom April 1834 die Handhabe, nach welchem keine der
beiden Mächte separat Frieden schließen durste. Diese Handhabe aber hob
England auf, indem es dem Ultimatum an Rußland in der festen Hoffnung
zustimmte, daß dasselbe in Petersburg verworfen werden würde. Das Be¬
nehmen des Kaisers Napoleon gegen seinen Alliirten war allerdings keineswegs
loyal; er einigte sich zuerst in aller Stille mit dem Wiener Cabinet über das
Ultimatum und legte es dann dem englischen Ministerium als das Marimum
dessen vor. was von Oestreich zu erreichen sei. Waren aber Palmerston und
Clarendon nicht geneigt, auf diese Bedingungen Frieden zu machen, so durf¬
ten sie auch nicht dem Ultimatum zustimmen. Nachdem sie dies aber einmal
gethan, blieb ihnen nichts übrig, als auf Stricker Ausführung desselben zu be¬
stehen, die Winkelzüge standhaft zurückzuweisen, mit denen Rußland wieder
von den einmal angenommenen Bedingungen abzuspringen versuchte, aber
auch nichts mehr zu fordern. Diese klar gebotene Politik jedoch hielt Pät-


einsichtiges Eingreifen stellten die Ruhe des Landes wieder her, das einen
Augenblick in vollen Flammen der Noth und Revolution stand.

Bei der Bildung des Ministeriums Aberdeen trat Clarendon zuerst auf
den Posten, auf dem er seinen Ruf als europäischer Staatsmann gegründet,
er ward Minister des Auswärtigen und blieb dies während der ereigniß-
reichen Jahre von 1853—68. Der Krimkrieg und der Pariser Frieden bilden
den Höhepunkt seines politischen Wirkens, noch mehr als Palmerston ward
er die Seele der westmächtlichen Alltanz und bis an das Ende seines Lebens
blieb es seine Ueberzeugung, daß dieselbe die einzige Garantie des Welt-
friedens sei und daher um jeden Preis aufrecht erhalten werden müsse. Daß
er dieser Ueberzeugung beim Abschluß des Friedens zu große Opfer gebracht
hat. kann nicht bestritten werden, und sein Verhalten auf dem Pariser Con-
greß unterliegt gerechter Kritik. Aber wenn dies zugegeben werden muß, so
darf man andererseits nicht die Schwierigkeiten übersehen, mit welchen er
zu kämpfen hatte. Frankreich war des Krieges müde und der Kaiser speciell
wünschte dringend den Frieden, weil er keinen Weg zu neuen Erfolgen sah
ohne an die Revolution zu appelltren, die ihm selbst zu leicht gefährlich wer¬
den konnte. Oestreich war lau und wurde nur mit Mühe an der ohnehin
ziemlich nichtssagenden Allianz mit den Westmächten festgehalten, Rußland
hatte trotz aller Opfer, die ihm der Krieg gekostet, eingesehen, wie schwer es
den Alliirten werden mußte, seine wirkliche Macht zu brechen und war, wenn¬
gleich es den Frieden sehr wünschte, doch nicht geneigt, große Concessionen
zu machen. England allein war für die Fortsetzung des Krieges bis zur
wirklichen Demüthigung Rußlands, aber es mußte sich sagen, daß es dies
Ziel allein schwerlich erreichen könne. War es also entschlossen, nicht Frie¬
den zu machen, so mußte es vor Allem Frankreich festhalten, und dazu bot
der Allianzvertrag vom April 1834 die Handhabe, nach welchem keine der
beiden Mächte separat Frieden schließen durste. Diese Handhabe aber hob
England auf, indem es dem Ultimatum an Rußland in der festen Hoffnung
zustimmte, daß dasselbe in Petersburg verworfen werden würde. Das Be¬
nehmen des Kaisers Napoleon gegen seinen Alliirten war allerdings keineswegs
loyal; er einigte sich zuerst in aller Stille mit dem Wiener Cabinet über das
Ultimatum und legte es dann dem englischen Ministerium als das Marimum
dessen vor. was von Oestreich zu erreichen sei. Waren aber Palmerston und
Clarendon nicht geneigt, auf diese Bedingungen Frieden zu machen, so durf¬
ten sie auch nicht dem Ultimatum zustimmen. Nachdem sie dies aber einmal
gethan, blieb ihnen nichts übrig, als auf Stricker Ausführung desselben zu be¬
stehen, die Winkelzüge standhaft zurückzuweisen, mit denen Rußland wieder
von den einmal angenommenen Bedingungen abzuspringen versuchte, aber
auch nichts mehr zu fordern. Diese klar gebotene Politik jedoch hielt Pät-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/151>, abgerufen am 17.06.2024.