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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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Localpatriotismus bei einer solchen nicht xia kraus immer die Hauptrolle; es
bedarf großer Mühe seitens der Pariser Gelehrten, um die guten Provin-
cialen davon zu überzeugen, daß sie hinter's Licht geführt worden sind.
Man gibt zwar zu, daß die Inschrift falsch sein könnte, aber im Grunde des
Herzens glaubt man an ihre Aechtheit und verwünscht diese unausstehlichen
Leute aus der Hauptstadt, die nichts auf guten Glauben annehmen und
immer Alles besser wissen wollen! Wir können uns das Vergnügen nicht
versagen, ein paar amüsante Beispiele hier anzuführen.

In Luxeuil, einem Badeorte, wurde vor nicht langer Zeit "vor Maire
und Gemeinderath" -- also wußte man im Voraus von dem zu machenden
Funde, denn so ganz zufällig kommt der hochwürdige Magistrat doch wohl
nicht zusammen! -- eine Inschrift gefunden, welche lautete: "Labienus, Legat
des Julius Cäsar, hat diese Thermen erbaut". Fast jedes dieser Worte ist
hier ein Ding der Unmöglichkeit, das erkennt Jeder, der auch nur acht Tage
lang Epigraphik getrieben; wir würden aber keinem Menschen rathen, einem
Municipalrathe von Luxeuil zu sagen, daß seine Inschrift ein recht schlechter
oder recht guter -- Witz sei. -- Großartiger angelegt waren die Fälschungen
von Neyrac. Nicht viel weniger als ein Dutzend langer, auf schönen Mar¬
mortafeln eingehauener Inschriften zu Ehren des Kaisers Tetricus (eines
von den sog. 30 Tyrannen) wurde nach und nach von dem Museum zu Tou¬
louse für gutes Geld gekauft. Allerlei Erbauliches und einem gallischen Her¬
zen Wohlthuendes war da zu lesen. Der gallische Prätendent, dem der Titel
Imperator aller Gallier gegeben wird, hatte das römische Reich vor dem Unter¬
gange gerettet; er war als Sieger in Bordeaux eingezogen; ein nicht übles
Relief zeigte den Kaiser nebst seinem Sohne auf dem Triumphwagen; natür-
hatte er und die Kaiserin die gute Stadt Neyrac geliebt und gefördert! --
Die Inschriften waren in Abkürzungen geschrieben, die kein Mensch hätte
errathen können ohne eine Erklärung des Verfassers zu besitzen oder einer
unbändigen Phantasie alle Zügel schießen zu lassen. Dies thaten denn auch
die patriotischen Aquitaner der Toulouser Akademie weidlich! Es war nur
ein böser Zufall, daß der Familienname des Kaisers falsch angegeben wurde,
damals (es war in den dreißiger Jahren) wußte*) man ihn noch nicht.
Der arme Gallier aus Neyrac konnte doch wahrlich nichts dafür! Vor we¬
nigen Jahren sind die schönen Marmortafeln von ihrem Ehrenplatze herab¬
genommen und in einen obscurer Winkel des Museums gestellt worden; sie
travsit Zloria munZj.

Doch nachdem die plumpen Nenniger Fälschungen von einem deutschen



') Er ist vor vier bis süllf Jahren erst durch einen Meilenstein ans der Nähe von Dijon
bekannt geworden.

Localpatriotismus bei einer solchen nicht xia kraus immer die Hauptrolle; es
bedarf großer Mühe seitens der Pariser Gelehrten, um die guten Provin-
cialen davon zu überzeugen, daß sie hinter's Licht geführt worden sind.
Man gibt zwar zu, daß die Inschrift falsch sein könnte, aber im Grunde des
Herzens glaubt man an ihre Aechtheit und verwünscht diese unausstehlichen
Leute aus der Hauptstadt, die nichts auf guten Glauben annehmen und
immer Alles besser wissen wollen! Wir können uns das Vergnügen nicht
versagen, ein paar amüsante Beispiele hier anzuführen.

In Luxeuil, einem Badeorte, wurde vor nicht langer Zeit „vor Maire
und Gemeinderath" — also wußte man im Voraus von dem zu machenden
Funde, denn so ganz zufällig kommt der hochwürdige Magistrat doch wohl
nicht zusammen! — eine Inschrift gefunden, welche lautete: „Labienus, Legat
des Julius Cäsar, hat diese Thermen erbaut". Fast jedes dieser Worte ist
hier ein Ding der Unmöglichkeit, das erkennt Jeder, der auch nur acht Tage
lang Epigraphik getrieben; wir würden aber keinem Menschen rathen, einem
Municipalrathe von Luxeuil zu sagen, daß seine Inschrift ein recht schlechter
oder recht guter — Witz sei. — Großartiger angelegt waren die Fälschungen
von Neyrac. Nicht viel weniger als ein Dutzend langer, auf schönen Mar¬
mortafeln eingehauener Inschriften zu Ehren des Kaisers Tetricus (eines
von den sog. 30 Tyrannen) wurde nach und nach von dem Museum zu Tou¬
louse für gutes Geld gekauft. Allerlei Erbauliches und einem gallischen Her¬
zen Wohlthuendes war da zu lesen. Der gallische Prätendent, dem der Titel
Imperator aller Gallier gegeben wird, hatte das römische Reich vor dem Unter¬
gange gerettet; er war als Sieger in Bordeaux eingezogen; ein nicht übles
Relief zeigte den Kaiser nebst seinem Sohne auf dem Triumphwagen; natür-
hatte er und die Kaiserin die gute Stadt Neyrac geliebt und gefördert! —
Die Inschriften waren in Abkürzungen geschrieben, die kein Mensch hätte
errathen können ohne eine Erklärung des Verfassers zu besitzen oder einer
unbändigen Phantasie alle Zügel schießen zu lassen. Dies thaten denn auch
die patriotischen Aquitaner der Toulouser Akademie weidlich! Es war nur
ein böser Zufall, daß der Familienname des Kaisers falsch angegeben wurde,
damals (es war in den dreißiger Jahren) wußte*) man ihn noch nicht.
Der arme Gallier aus Neyrac konnte doch wahrlich nichts dafür! Vor we¬
nigen Jahren sind die schönen Marmortafeln von ihrem Ehrenplatze herab¬
genommen und in einen obscurer Winkel des Museums gestellt worden; sie
travsit Zloria munZj.

Doch nachdem die plumpen Nenniger Fälschungen von einem deutschen



') Er ist vor vier bis süllf Jahren erst durch einen Meilenstein ans der Nähe von Dijon
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/199>, abgerufen am 17.06.2024.