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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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in den wesentlichsten Zügen, mit Uebergehung aller gleichartigen Details,
sowie auch die Eindrücke auf die unbefangene Zuhörerschaft zu schildern ver¬
suchen, und zwar aus eigener Anschauung der Vorstellung, welche in diesem
Sommer am 23. Juni stattfand und andern Tags wiederholt wurde. Es
war die sechste Vorstellung in diesem Jahre; im Juli finden noch fünf, im
August vier und im September noch fünf Wiederholungen desselben Spieles
statt, -- abgesehn von denjenigen Vorstellungen, welche, wenn die Masse des
Fremdenbesuches zu groß ist. am Tage nach der im Programm angesetzten
Vorstellung wiederholt werden, wie es auch in diesem Sommer schon drei¬
mal geschehen mußte.

Wenn man von der aus München nach Partenkirchen führenden Straße
seitswärts über Ettal in das Ammergauer Thal gelangt ist und den saubern
Ort Oberammergau ganz durchschritten hat, so befindet man sich vor einem
freien breiten Wiesenplan. Auf diesem ist das Theater für die Passtons¬
spiele erbaut, und zwar der Art, daß die Zuschauer dem Orte den Rücken
kehren und die Blicke nach den nur mäßig hohen Bergen wenden, die das
Thal zunächst begrenzen.

Außerordentliches Interesse erregt vor Allem die ganze Einrichtung des
Theaters, das nicht allein aus einer Bühne und dem Zuschauerraum besteht,
sondern gleichsam einen doppelten, ja dreifachen Bühnenraum zeigt. Zunächst
vor dem Auditorium und zwar in gleicher Breite mit demselben (etwa 80
Fuß) bildet das Proscenium, in einer Tiefe von 20 Fuß, den großen und
allgemeinen Spielraum. Zu beiden Seiten ist dasselbe durch gemalte Säulen
abgeschlossen. Im Hintergrunde, als Mittelpunkt des Ganzen, steht ein ge¬
schlossenes Theater; dessen beide Seiten sind durch gleichartige schmale Häuser
begrenzt, jedes mit einem Balkon versehn. An diese Häuser, nach den
äußern Seiten hin, schließen sich wieder offene Thore durch welche man in
Straßendekorationen blickt, die Jerusalem vorstellen sollen. Die beiden
Häuser und die daran grenzenden offenen Thore wie auch der ganze breite
Vorraum der Bühne sind so vortrefflich für die ganze Handlung und die
äußerliche Gruppirung zu verwerthen, daß der gesammte Bau in der That als
das beste Vorbild für ein Volkstheater gelten kann. Die ganze Prosceniums-
Dekoration mit den beiden praktikabeln Häusern und Thoren bleibt stets
offen, ist unveränderlich und befindet sich unter freiem Himmel, wie auch der
Hauptraum des Auditoriums. Die im Hintergrunde des Prosceniums be¬
findliche und zwar den Mittelpunkt desselben bildende eigentliche Bühne ist
oben geschlossen und mit einem Vorhang versehen. Bei den ältesten Passions¬
spielen, in Deutschland wie auch in Frankreich, war bekanntlich ein groß,
artiges Gerüste erbaut, das aus mehreren Etagen bestand, die wiederum
zahlreiche Abtheilungen enthielten. In diese verschiedenen Abtheilungen, die


in den wesentlichsten Zügen, mit Uebergehung aller gleichartigen Details,
sowie auch die Eindrücke auf die unbefangene Zuhörerschaft zu schildern ver¬
suchen, und zwar aus eigener Anschauung der Vorstellung, welche in diesem
Sommer am 23. Juni stattfand und andern Tags wiederholt wurde. Es
war die sechste Vorstellung in diesem Jahre; im Juli finden noch fünf, im
August vier und im September noch fünf Wiederholungen desselben Spieles
statt, — abgesehn von denjenigen Vorstellungen, welche, wenn die Masse des
Fremdenbesuches zu groß ist. am Tage nach der im Programm angesetzten
Vorstellung wiederholt werden, wie es auch in diesem Sommer schon drei¬
mal geschehen mußte.

Wenn man von der aus München nach Partenkirchen führenden Straße
seitswärts über Ettal in das Ammergauer Thal gelangt ist und den saubern
Ort Oberammergau ganz durchschritten hat, so befindet man sich vor einem
freien breiten Wiesenplan. Auf diesem ist das Theater für die Passtons¬
spiele erbaut, und zwar der Art, daß die Zuschauer dem Orte den Rücken
kehren und die Blicke nach den nur mäßig hohen Bergen wenden, die das
Thal zunächst begrenzen.

Außerordentliches Interesse erregt vor Allem die ganze Einrichtung des
Theaters, das nicht allein aus einer Bühne und dem Zuschauerraum besteht,
sondern gleichsam einen doppelten, ja dreifachen Bühnenraum zeigt. Zunächst
vor dem Auditorium und zwar in gleicher Breite mit demselben (etwa 80
Fuß) bildet das Proscenium, in einer Tiefe von 20 Fuß, den großen und
allgemeinen Spielraum. Zu beiden Seiten ist dasselbe durch gemalte Säulen
abgeschlossen. Im Hintergrunde, als Mittelpunkt des Ganzen, steht ein ge¬
schlossenes Theater; dessen beide Seiten sind durch gleichartige schmale Häuser
begrenzt, jedes mit einem Balkon versehn. An diese Häuser, nach den
äußern Seiten hin, schließen sich wieder offene Thore durch welche man in
Straßendekorationen blickt, die Jerusalem vorstellen sollen. Die beiden
Häuser und die daran grenzenden offenen Thore wie auch der ganze breite
Vorraum der Bühne sind so vortrefflich für die ganze Handlung und die
äußerliche Gruppirung zu verwerthen, daß der gesammte Bau in der That als
das beste Vorbild für ein Volkstheater gelten kann. Die ganze Prosceniums-
Dekoration mit den beiden praktikabeln Häusern und Thoren bleibt stets
offen, ist unveränderlich und befindet sich unter freiem Himmel, wie auch der
Hauptraum des Auditoriums. Die im Hintergrunde des Prosceniums be¬
findliche und zwar den Mittelpunkt desselben bildende eigentliche Bühne ist
oben geschlossen und mit einem Vorhang versehen. Bei den ältesten Passions¬
spielen, in Deutschland wie auch in Frankreich, war bekanntlich ein groß,
artiges Gerüste erbaut, das aus mehreren Etagen bestand, die wiederum
zahlreiche Abtheilungen enthielten. In diese verschiedenen Abtheilungen, die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/52>, abgerufen am 17.06.2024.