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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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unzugänglich, da sie breitere Geleise haben als jene. Hier beginnt die erste Gruppe
der russischen Bahnen mit denen der großen russischen Eisenbahngesellschaft zwi¬
schen Petersburg und Warschau mit Seitenlinien, und von Petersburg nach
Moskau unter dem Namen Nikolaibahn, der Pulsader des inneren Verkehrs,
welche vor zwei Jahren der Staat übernommen hat. Die 2. Gruppe umfaßt die
Bahnen von Petersburg nach Helsingfors und Tavastehus und nach Reval. um
den finnischen Meerbusen; eine dritte diejenigen von Riga nach Mitau und
Dünaburg bis Witebsk. zum späteren Anschlusse nach Moskau von Warschau
aus; zu einer vierten gehören die Moskaner Bahnen, westlich nach Smolensk
und Witebsk, in entgegengesetzter Richtung nach Nischni-Nowgorod, südlich
nach Orel mit Anschluß nach Smolensk und Kursk zur Verbindung mit den
südlichen Bahnen, welche die fünfte und sechste Gruppe bilden, nämlich die
Odessaer Bahnen nach Kursk zum Anschluß von Moskau nach Balta und
Kiew, von da wieder nach Kursk, von Kursk nach Taganrock und nach der
Krim, sowie die Verbindung zwischen Wolga und Don. Unter den vor¬
erwähnten kaukasischen Bahnen, die eine besondere Gruppe bilden, ist die
zwischen Poli und Tiflis hervorzuheben.

Im Ganzen waren am Schlüsse des Jahres 1869 etwa 10.000 Werst
(g, Meile) größtenteils fertig, theils im Bau begriffen. Hierzu kommen
im laufenden Jahre eine Menge Projekte, unter denen von besonderer Wich¬
tigkeit die bereits concessionirte Bahn Litthauisch Brzesc (Brzes?-Litewsy-
Smolensk zur directen Verbindung Warschaus mit Moskau, und von Brzesc
nach Kijew zu nennen sind. Letztere Bahn hat sowohl für das Kriegsmini,
sterium großes Interesse (auch sollen sämmtliche Stationen mit Befestigungen
versehen werden), als auch für die Handelswelt, insofern sie die nächste direkte
Verbindung zwischen der Ostsee und dem Schwarzen Meere werden wird und
sonach von besonderer Wichtigkeit für Preußen, namentlich den Danziger
Hafen ist. Dazu kommt noch die Linie von Lyck über Btalystock nach Brzesc,
welche kürzlich, ungeachtet der seit Jahren mit Erfolg betriebenen Agitatio¬
nen gegen den Bau, doch noch concessionirt wurde. Im vorigen Jahre sind
die ersten Versuche in dem allerdings mit einigen Ausnahmen erst seit zehn
Jahren bestehenden Eisenbahnen gemacht worden, eine direkte Beförderung
der Personen- und Güterzüge auf sämmtlichen Linien herzustellen, und zwar
auf Anregung des russischen Finanzministers, wobei auch die Bedingungen
für den Austausch der Wagen vereinbart wurden. Es muß aber noch man¬
cherlei dort zu wünschen übrig bleiben, denn es werden in neuester Zeit
starke Remonstrationen gegen die Bahnverwaltungen laut. So wird lebhaft
geklagt, daß auf der Linie Kursk-Charkow der Waaren-Transport nicht
nur theurer als vor der Eröffnung der Eisenbahn, sondern auch langsamer
und unzuverlässiger sei; man behauptet, die Bahnen seien mit der größten


unzugänglich, da sie breitere Geleise haben als jene. Hier beginnt die erste Gruppe
der russischen Bahnen mit denen der großen russischen Eisenbahngesellschaft zwi¬
schen Petersburg und Warschau mit Seitenlinien, und von Petersburg nach
Moskau unter dem Namen Nikolaibahn, der Pulsader des inneren Verkehrs,
welche vor zwei Jahren der Staat übernommen hat. Die 2. Gruppe umfaßt die
Bahnen von Petersburg nach Helsingfors und Tavastehus und nach Reval. um
den finnischen Meerbusen; eine dritte diejenigen von Riga nach Mitau und
Dünaburg bis Witebsk. zum späteren Anschlusse nach Moskau von Warschau
aus; zu einer vierten gehören die Moskaner Bahnen, westlich nach Smolensk
und Witebsk, in entgegengesetzter Richtung nach Nischni-Nowgorod, südlich
nach Orel mit Anschluß nach Smolensk und Kursk zur Verbindung mit den
südlichen Bahnen, welche die fünfte und sechste Gruppe bilden, nämlich die
Odessaer Bahnen nach Kursk zum Anschluß von Moskau nach Balta und
Kiew, von da wieder nach Kursk, von Kursk nach Taganrock und nach der
Krim, sowie die Verbindung zwischen Wolga und Don. Unter den vor¬
erwähnten kaukasischen Bahnen, die eine besondere Gruppe bilden, ist die
zwischen Poli und Tiflis hervorzuheben.

Im Ganzen waren am Schlüsse des Jahres 1869 etwa 10.000 Werst
(g, Meile) größtenteils fertig, theils im Bau begriffen. Hierzu kommen
im laufenden Jahre eine Menge Projekte, unter denen von besonderer Wich¬
tigkeit die bereits concessionirte Bahn Litthauisch Brzesc (Brzes?-Litewsy-
Smolensk zur directen Verbindung Warschaus mit Moskau, und von Brzesc
nach Kijew zu nennen sind. Letztere Bahn hat sowohl für das Kriegsmini,
sterium großes Interesse (auch sollen sämmtliche Stationen mit Befestigungen
versehen werden), als auch für die Handelswelt, insofern sie die nächste direkte
Verbindung zwischen der Ostsee und dem Schwarzen Meere werden wird und
sonach von besonderer Wichtigkeit für Preußen, namentlich den Danziger
Hafen ist. Dazu kommt noch die Linie von Lyck über Btalystock nach Brzesc,
welche kürzlich, ungeachtet der seit Jahren mit Erfolg betriebenen Agitatio¬
nen gegen den Bau, doch noch concessionirt wurde. Im vorigen Jahre sind
die ersten Versuche in dem allerdings mit einigen Ausnahmen erst seit zehn
Jahren bestehenden Eisenbahnen gemacht worden, eine direkte Beförderung
der Personen- und Güterzüge auf sämmtlichen Linien herzustellen, und zwar
auf Anregung des russischen Finanzministers, wobei auch die Bedingungen
für den Austausch der Wagen vereinbart wurden. Es muß aber noch man¬
cherlei dort zu wünschen übrig bleiben, denn es werden in neuester Zeit
starke Remonstrationen gegen die Bahnverwaltungen laut. So wird lebhaft
geklagt, daß auf der Linie Kursk-Charkow der Waaren-Transport nicht
nur theurer als vor der Eröffnung der Eisenbahn, sondern auch langsamer
und unzuverlässiger sei; man behauptet, die Bahnen seien mit der größten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/79>, abgerufen am 17.06.2024.