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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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Ausgabe eines Groschens eine weit geringere Last ist, als die Abfassung
eines Briefes, wenn man bedenkt, daß unter den gebildeten Ständen noch
immer der conventionelle Zwang besteht, die meisten Briefe, bis zu einem
gewissen Grade sogar die Geschäftsbriefe, -- stilvoll zu halten und mit der üb¬
lichen unwandelbaren Hochachtung zu beschließen? Ein solcher auf einfache Mitthei"
lungen sich beschränkender Brief wird selbst von einem Geschäftsmann selten in
weniger als 8--1V Minuten, von einem Ungeübten etwa in einer Viertelstunde her¬
gestellt werden; das einfache Aufschreiben einer solchen Mittheilung und der Adresse
ist aber oft genug in einer Minute möglich!

Hiernach mag man sich vorstellen, wie viel Zeit jährlich dem Geschäftsmann
-- und in gewissem Sinne ist dies heute Jeder -- durch die gegenwärtige Art der
Briefschreibung verloren geht, und dem entsprechend, welche Summen der Post jähr¬
lich dadurch entzogen werden, daß kleine Mittheilungen unterbleiben, weil die Um¬
ständlichkeiten des Briefschreibens davon abschrecken. Die Einführung des Tele¬
graphen-Stils in den Briefverkehr, den die Korrespondenzkarten uns bringen
werden und der für Ersparung von Zeit und Mühe gewiß noch weit wichtiger ist
als der Wegfall der Couvertirung, wird demnach eine wahre Wohlthat sowohl für
den Verkehr wie für die Bundeskasse sein. (Zur Beruhigung schreibseliger Herzen
fügen wir ausdrücklich bei, daß wir diesen allerdings reizlosen Stil nur für Briefe,
deren Zweck einzelne Mittheilungen sind, verlangen und erwarten, die ganze Ein¬
richtung ist ja überdies sacültativ und nicht obligatorisch -- und bis zur telegraphi¬
schen Liebeserklärung Hai es noch gute Wege.)

So bedeutende Vortheile wird also die Korrespondenzkarte dem Publikum
bringen, wenn es ihr gelingt, zu allgemeiner Verbreitung zu gelangen. Dies ist
aber noch von einer vom Publikum zu erfüllenden Bedingung abhängig. Den ge¬
schilderten Vortheilen der Karten steht nämlich ein offenkundiger Nachtheil gegen¬
über: der Mangel an Verschluß, welcher den Text der Karte Jedem, der sie in die
Hand bekommt, Preis gibt. Daß man in Folge dessen wichtige Geheimnisse den¬
selben nie anvertrauen wird, ist natürlich, doch unwesentlich, denn für diese wird
Niemand die größeren Weitläufigkeiten eines convertirten Briefes scheuen. Aber
auch bei minder wichtigen Nachrichten dürste dieser Umstand leicht der Verbreitung
der Korrespondenzkarten sehr hinderlich werden, weniger wegen der Scheu vor der
Neugier der Postbeamten, als der Hausgenossen. Es wird dem Hausherrn höchst
unerwünscht sein, einkommende Nachrichten stets durch die Hände der Dienstboten
gehen zu lassen, und nicht minder wird es den Geschäftsmann stören, wenn die
Geschäftsmittheilungen dem die Post in Empfang nehmenden Commis oder Lehrling
bekannt werden. Vorsichtige Leute, welche durch die hieraus hervorgehenden unver¬
meidlichen Jndiscretionen einmal geschädigt sind, werden dann wahrscheinlich erbitterte
Gegner der ganzen Einrichtung werden. Gerade unsere eigenen Hausgenossen, be¬
sonders die Dienstboten, wünschen wir uns in der Regel wohl am wenigsten als
Mitwisser aller brieflich für uns einlaufenden Nachrichten, und wir fürchten ernstlich,
daß die Abneigung gegen solche Mitwisser das Publikum von einem ausgedehnten
Gebrauch der Korrespondenzkarte abhalten wird, so lange es sich nicht an das einzige
ausreichende Präservativ gegen die mit derselben möglichen Jndiscretionen gewöhnt:
an die Einführung von Briefkasten in den Häusern, durch welche un¬
berufene Zwischeninstanzen zwischen dem Brief-Empfänger und den Postbeamten aus¬
geschlossen werden. Es ist klar, daß dieselben den durch die Publicität der Karten
herbeigeführten Nachtheil fast vollständig aufheben, darum aber auch -- nach dem
oben Ausgeführten -- unzweifelhaft, daß eine allgemeine Verbreitung der
Korrespondenzkarten von der Verbreitung der häuslichen Brief¬
kasten durchaus abhängig ist. Erst, wenn man bei allen seinen Bekannten,
resp. Geschäftsfreunden, voraussetzen darf, daß sie ihre Korrespondenz direct von
der Post erhalten, wird man es wagen können, ihnen die meisten Mittheilungen mit
0. der Korrespondenzkarte zukommen zu lassen._
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VerantwortlicherRedacteur: Gnstali Freytag.
Verlag von F. L. Herbig. -- Druck von Hüthel Lrgler in Leipzig.

Ausgabe eines Groschens eine weit geringere Last ist, als die Abfassung
eines Briefes, wenn man bedenkt, daß unter den gebildeten Ständen noch
immer der conventionelle Zwang besteht, die meisten Briefe, bis zu einem
gewissen Grade sogar die Geschäftsbriefe, — stilvoll zu halten und mit der üb¬
lichen unwandelbaren Hochachtung zu beschließen? Ein solcher auf einfache Mitthei«
lungen sich beschränkender Brief wird selbst von einem Geschäftsmann selten in
weniger als 8—1V Minuten, von einem Ungeübten etwa in einer Viertelstunde her¬
gestellt werden; das einfache Aufschreiben einer solchen Mittheilung und der Adresse
ist aber oft genug in einer Minute möglich!

Hiernach mag man sich vorstellen, wie viel Zeit jährlich dem Geschäftsmann
— und in gewissem Sinne ist dies heute Jeder — durch die gegenwärtige Art der
Briefschreibung verloren geht, und dem entsprechend, welche Summen der Post jähr¬
lich dadurch entzogen werden, daß kleine Mittheilungen unterbleiben, weil die Um¬
ständlichkeiten des Briefschreibens davon abschrecken. Die Einführung des Tele¬
graphen-Stils in den Briefverkehr, den die Korrespondenzkarten uns bringen
werden und der für Ersparung von Zeit und Mühe gewiß noch weit wichtiger ist
als der Wegfall der Couvertirung, wird demnach eine wahre Wohlthat sowohl für
den Verkehr wie für die Bundeskasse sein. (Zur Beruhigung schreibseliger Herzen
fügen wir ausdrücklich bei, daß wir diesen allerdings reizlosen Stil nur für Briefe,
deren Zweck einzelne Mittheilungen sind, verlangen und erwarten, die ganze Ein¬
richtung ist ja überdies sacültativ und nicht obligatorisch — und bis zur telegraphi¬
schen Liebeserklärung Hai es noch gute Wege.)

So bedeutende Vortheile wird also die Korrespondenzkarte dem Publikum
bringen, wenn es ihr gelingt, zu allgemeiner Verbreitung zu gelangen. Dies ist
aber noch von einer vom Publikum zu erfüllenden Bedingung abhängig. Den ge¬
schilderten Vortheilen der Karten steht nämlich ein offenkundiger Nachtheil gegen¬
über: der Mangel an Verschluß, welcher den Text der Karte Jedem, der sie in die
Hand bekommt, Preis gibt. Daß man in Folge dessen wichtige Geheimnisse den¬
selben nie anvertrauen wird, ist natürlich, doch unwesentlich, denn für diese wird
Niemand die größeren Weitläufigkeiten eines convertirten Briefes scheuen. Aber
auch bei minder wichtigen Nachrichten dürste dieser Umstand leicht der Verbreitung
der Korrespondenzkarten sehr hinderlich werden, weniger wegen der Scheu vor der
Neugier der Postbeamten, als der Hausgenossen. Es wird dem Hausherrn höchst
unerwünscht sein, einkommende Nachrichten stets durch die Hände der Dienstboten
gehen zu lassen, und nicht minder wird es den Geschäftsmann stören, wenn die
Geschäftsmittheilungen dem die Post in Empfang nehmenden Commis oder Lehrling
bekannt werden. Vorsichtige Leute, welche durch die hieraus hervorgehenden unver¬
meidlichen Jndiscretionen einmal geschädigt sind, werden dann wahrscheinlich erbitterte
Gegner der ganzen Einrichtung werden. Gerade unsere eigenen Hausgenossen, be¬
sonders die Dienstboten, wünschen wir uns in der Regel wohl am wenigsten als
Mitwisser aller brieflich für uns einlaufenden Nachrichten, und wir fürchten ernstlich,
daß die Abneigung gegen solche Mitwisser das Publikum von einem ausgedehnten
Gebrauch der Korrespondenzkarte abhalten wird, so lange es sich nicht an das einzige
ausreichende Präservativ gegen die mit derselben möglichen Jndiscretionen gewöhnt:
an die Einführung von Briefkasten in den Häusern, durch welche un¬
berufene Zwischeninstanzen zwischen dem Brief-Empfänger und den Postbeamten aus¬
geschlossen werden. Es ist klar, daß dieselben den durch die Publicität der Karten
herbeigeführten Nachtheil fast vollständig aufheben, darum aber auch — nach dem
oben Ausgeführten — unzweifelhaft, daß eine allgemeine Verbreitung der
Korrespondenzkarten von der Verbreitung der häuslichen Brief¬
kasten durchaus abhängig ist. Erst, wenn man bei allen seinen Bekannten,
resp. Geschäftsfreunden, voraussetzen darf, daß sie ihre Korrespondenz direct von
der Post erhalten, wird man es wagen können, ihnen die meisten Mittheilungen mit
0. der Korrespondenzkarte zukommen zu lassen._
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Verlag von F. L. Herbig. — Druck von Hüthel Lrgler in Leipzig.
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[0088] Ausgabe eines Groschens eine weit geringere Last ist, als die Abfassung eines Briefes, wenn man bedenkt, daß unter den gebildeten Ständen noch immer der conventionelle Zwang besteht, die meisten Briefe, bis zu einem gewissen Grade sogar die Geschäftsbriefe, — stilvoll zu halten und mit der üb¬ lichen unwandelbaren Hochachtung zu beschließen? Ein solcher auf einfache Mitthei« lungen sich beschränkender Brief wird selbst von einem Geschäftsmann selten in weniger als 8—1V Minuten, von einem Ungeübten etwa in einer Viertelstunde her¬ gestellt werden; das einfache Aufschreiben einer solchen Mittheilung und der Adresse ist aber oft genug in einer Minute möglich! Hiernach mag man sich vorstellen, wie viel Zeit jährlich dem Geschäftsmann — und in gewissem Sinne ist dies heute Jeder — durch die gegenwärtige Art der Briefschreibung verloren geht, und dem entsprechend, welche Summen der Post jähr¬ lich dadurch entzogen werden, daß kleine Mittheilungen unterbleiben, weil die Um¬ ständlichkeiten des Briefschreibens davon abschrecken. Die Einführung des Tele¬ graphen-Stils in den Briefverkehr, den die Korrespondenzkarten uns bringen werden und der für Ersparung von Zeit und Mühe gewiß noch weit wichtiger ist als der Wegfall der Couvertirung, wird demnach eine wahre Wohlthat sowohl für den Verkehr wie für die Bundeskasse sein. (Zur Beruhigung schreibseliger Herzen fügen wir ausdrücklich bei, daß wir diesen allerdings reizlosen Stil nur für Briefe, deren Zweck einzelne Mittheilungen sind, verlangen und erwarten, die ganze Ein¬ richtung ist ja überdies sacültativ und nicht obligatorisch — und bis zur telegraphi¬ schen Liebeserklärung Hai es noch gute Wege.) So bedeutende Vortheile wird also die Korrespondenzkarte dem Publikum bringen, wenn es ihr gelingt, zu allgemeiner Verbreitung zu gelangen. Dies ist aber noch von einer vom Publikum zu erfüllenden Bedingung abhängig. Den ge¬ schilderten Vortheilen der Karten steht nämlich ein offenkundiger Nachtheil gegen¬ über: der Mangel an Verschluß, welcher den Text der Karte Jedem, der sie in die Hand bekommt, Preis gibt. Daß man in Folge dessen wichtige Geheimnisse den¬ selben nie anvertrauen wird, ist natürlich, doch unwesentlich, denn für diese wird Niemand die größeren Weitläufigkeiten eines convertirten Briefes scheuen. Aber auch bei minder wichtigen Nachrichten dürste dieser Umstand leicht der Verbreitung der Korrespondenzkarten sehr hinderlich werden, weniger wegen der Scheu vor der Neugier der Postbeamten, als der Hausgenossen. Es wird dem Hausherrn höchst unerwünscht sein, einkommende Nachrichten stets durch die Hände der Dienstboten gehen zu lassen, und nicht minder wird es den Geschäftsmann stören, wenn die Geschäftsmittheilungen dem die Post in Empfang nehmenden Commis oder Lehrling bekannt werden. Vorsichtige Leute, welche durch die hieraus hervorgehenden unver¬ meidlichen Jndiscretionen einmal geschädigt sind, werden dann wahrscheinlich erbitterte Gegner der ganzen Einrichtung werden. Gerade unsere eigenen Hausgenossen, be¬ sonders die Dienstboten, wünschen wir uns in der Regel wohl am wenigsten als Mitwisser aller brieflich für uns einlaufenden Nachrichten, und wir fürchten ernstlich, daß die Abneigung gegen solche Mitwisser das Publikum von einem ausgedehnten Gebrauch der Korrespondenzkarte abhalten wird, so lange es sich nicht an das einzige ausreichende Präservativ gegen die mit derselben möglichen Jndiscretionen gewöhnt: an die Einführung von Briefkasten in den Häusern, durch welche un¬ berufene Zwischeninstanzen zwischen dem Brief-Empfänger und den Postbeamten aus¬ geschlossen werden. Es ist klar, daß dieselben den durch die Publicität der Karten herbeigeführten Nachtheil fast vollständig aufheben, darum aber auch — nach dem oben Ausgeführten — unzweifelhaft, daß eine allgemeine Verbreitung der Korrespondenzkarten von der Verbreitung der häuslichen Brief¬ kasten durchaus abhängig ist. Erst, wenn man bei allen seinen Bekannten, resp. Geschäftsfreunden, voraussetzen darf, daß sie ihre Korrespondenz direct von der Post erhalten, wird man es wagen können, ihnen die meisten Mittheilungen mit 0. der Korrespondenzkarte zukommen zu lassen._ ' VerantwortlicherRedacteur: Gnstali Freytag. Verlag von F. L. Herbig. — Druck von Hüthel Lrgler in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/88>, abgerufen am 17.06.2024.