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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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deren letzte uns Allen unübersehbar ist, und er bornirt nicht nur die Stim¬
mung im französischen Volke, sondern er erschwert eine gute Lösung im In¬
teresse Frankreichs auch vor Deutschen und Spaniern. Mit gutem Grunde
protestirten von der Linken Cremieux und Arago gegen das ministerielle
Bulletin, und es war eine trostlose Wahrheit in den Worten, welche sie der
Kriegsdrohung des Ministers entgegenwarfen: "Sie haben dadurch den
Spaniern einen König und Frankreich den Krieg gegeben." Solche Kriegs¬
blitze im Geschmack Ludwig XIV. und Napoleon I. mahnen uns vor Allem,
daß wir in Frankreich mit Leuten zu thun haben, mit denen ruhige Aus¬
gleichung und der herkömmliche diplomatiiche Verkehr kaum mehr möglich ist.
Und in dieser Stimmung verlieren wir die Füglichkeit, aus freundlicher Rück¬
sicht auf die krankhaft erregte Empfindlichkeit Frankreichs das Wenige zu thun,
was wir allenfalls thun könnten, um guten Nachbarn gefällig zu sein.

Erschien den Franzosen unleidlich, daß der Prinz von Hohenzollein König
von Spanien werde, so gab es einen wohlbekannten, seit Jahrhunderten gang¬
baren Weg. Wozu ist die Diplomatie in der Welt? Wozu hat Frankreich
seinen Gesandten in Berlin mit Botschasterrang versehen? Etwa damit Paris
durch reichere Goldstickerei vertreten sei und damit die Gemahlin des Ver¬
treters bei Hoffesten auf ihrem Tabouret nahe an der Königin von Preußen
sitze? Wollte man in dieser Familienangelegenheit nicht mit dem Grafen
Bismarck verhandeln. so hatte Herr von Benedetti ja als Botschafter das
Recht, dem König von Preußen selbst das Bedürfniß Frankreichs vorzutragen.
Und geräuschlos, in den artigen und freundschaftlichen Formen des persön¬
lichen Verkehrs konnte dann erreicht werden, was der König irgend zu thun
vermag. Statt dessen schreit man eine Drohung aus die Straße hinaus,
die von vorn herein gerade das vermindert, was den französischen Wünschen
allein bei uns hätte dienen können, die iheilnehmrnde Sorge um die schwie¬
rige Lage des Kaisers Napoleon. Es ist plump, von Krieg zu sprechen, wenn
man ihn herbeiführen will, aber es ist ein schlechter Theatercoup, der die ganze
Rolle verdirbt, wenn man droht, um, wie man versichert, Krieg zu vermeiden.

Wahrscheinlich hat den Punzen Leopold dieser auflodernde Eifer in
Frankreich gerate so überrascht wie uns Alle. Ihm und seiner Familie war
der Antrag, die Chaleaux d'Espagne in Besitz zrr nehmen, nicht grade lockend.
Als der Antrag zuerst kam, wurde er dem Könige von Preußen mitgetheilt,
der König und der Kronprinz, beide riethen entschieden ob. Daß Deutschland
durch eine Annahme der sehr bedenklichen und hvffnungsarmen Krone irgend¬
wie engagirt werden würde, daran dachte Niemand, von irgend welcher
Unterstützung der Throncandidatur durch Preußen war gar nicht die Rede.
Die Bedenken wurden, wie man vernimmt, nur durch die Rücksichten auf
das Glück und fürstliche Selbstgefühl des Prinzen eingegeben. Doch die


deren letzte uns Allen unübersehbar ist, und er bornirt nicht nur die Stim¬
mung im französischen Volke, sondern er erschwert eine gute Lösung im In¬
teresse Frankreichs auch vor Deutschen und Spaniern. Mit gutem Grunde
protestirten von der Linken Cremieux und Arago gegen das ministerielle
Bulletin, und es war eine trostlose Wahrheit in den Worten, welche sie der
Kriegsdrohung des Ministers entgegenwarfen: „Sie haben dadurch den
Spaniern einen König und Frankreich den Krieg gegeben." Solche Kriegs¬
blitze im Geschmack Ludwig XIV. und Napoleon I. mahnen uns vor Allem,
daß wir in Frankreich mit Leuten zu thun haben, mit denen ruhige Aus¬
gleichung und der herkömmliche diplomatiiche Verkehr kaum mehr möglich ist.
Und in dieser Stimmung verlieren wir die Füglichkeit, aus freundlicher Rück¬
sicht auf die krankhaft erregte Empfindlichkeit Frankreichs das Wenige zu thun,
was wir allenfalls thun könnten, um guten Nachbarn gefällig zu sein.

Erschien den Franzosen unleidlich, daß der Prinz von Hohenzollein König
von Spanien werde, so gab es einen wohlbekannten, seit Jahrhunderten gang¬
baren Weg. Wozu ist die Diplomatie in der Welt? Wozu hat Frankreich
seinen Gesandten in Berlin mit Botschasterrang versehen? Etwa damit Paris
durch reichere Goldstickerei vertreten sei und damit die Gemahlin des Ver¬
treters bei Hoffesten auf ihrem Tabouret nahe an der Königin von Preußen
sitze? Wollte man in dieser Familienangelegenheit nicht mit dem Grafen
Bismarck verhandeln. so hatte Herr von Benedetti ja als Botschafter das
Recht, dem König von Preußen selbst das Bedürfniß Frankreichs vorzutragen.
Und geräuschlos, in den artigen und freundschaftlichen Formen des persön¬
lichen Verkehrs konnte dann erreicht werden, was der König irgend zu thun
vermag. Statt dessen schreit man eine Drohung aus die Straße hinaus,
die von vorn herein gerade das vermindert, was den französischen Wünschen
allein bei uns hätte dienen können, die iheilnehmrnde Sorge um die schwie¬
rige Lage des Kaisers Napoleon. Es ist plump, von Krieg zu sprechen, wenn
man ihn herbeiführen will, aber es ist ein schlechter Theatercoup, der die ganze
Rolle verdirbt, wenn man droht, um, wie man versichert, Krieg zu vermeiden.

Wahrscheinlich hat den Punzen Leopold dieser auflodernde Eifer in
Frankreich gerate so überrascht wie uns Alle. Ihm und seiner Familie war
der Antrag, die Chaleaux d'Espagne in Besitz zrr nehmen, nicht grade lockend.
Als der Antrag zuerst kam, wurde er dem Könige von Preußen mitgetheilt,
der König und der Kronprinz, beide riethen entschieden ob. Daß Deutschland
durch eine Annahme der sehr bedenklichen und hvffnungsarmen Krone irgend¬
wie engagirt werden würde, daran dachte Niemand, von irgend welcher
Unterstützung der Throncandidatur durch Preußen war gar nicht die Rede.
Die Bedenken wurden, wie man vernimmt, nur durch die Rücksichten auf
das Glück und fürstliche Selbstgefühl des Prinzen eingegeben. Doch die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/90>, abgerufen am 17.06.2024.