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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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Prinzen des Hauses Sigmaringen stehen unabhängig seitwärts des könig¬
lichen Hauses, ihr Einkommen wird ihnen nicht von der königlichen Ehatoulle
gewährt, ihr Chef ist der Fürst Karl Anton von Hohenzollern. der dieses
Recht seiner früheren Souveränetät bewahrt. In wichtigen Familienange¬
legenheiten wird der Rath des Königs eingeholt, aber die Majestät von
Preußen entscheidet über Ehe, Umgebung, Reisen. Privatunternehmungen nicht
ebenso wie bei den Prinzen des Königshauses. Erbprinz Leopold lehnte ab,
er lehnte ein zweites Mal ab. noch vor wenig Wochen^galt die Sache für ent¬
schieden. Da kamen die Spanier zum dritten Male und forderten, wie ver¬
lautet, zu Sigmaringen den jüngsten Prinzen Friedrich. Darauf entschloß
sich Erbprinz Leopold doch noch zur Annahme. Sowohl die spanischen Agen¬
ten Prim's als er selbst hatten einigen Grund zu der Voraussetzung, daß
die Annahme auch dem Kaiser Napoleon willkommener sein werde, als
manche andere. Der Prinz gilt in der kaiserlichen Familie für einen Ver¬
wandten nicht darum, weil die Mutter seines Vaters eine Murat war, wohl
aber als Enkel von Stephanie Beauharnais, Großherzogin von Baden, kaiser¬
licher Prinzessin von Frankreich, der Adoptivtochter Napoleons, der Bluts¬
verwandten und Adoptivschwester von der Mutter Napoleon III. Bei aller
deutschen Loyalität des fürstlichen Hauses Hohenzollern sind die verwandt¬
schaftlichen Beziehungen desselben zum Hause Napoleon III. auch von Paris
aus stets gepflegt worden. Als Prinz Leopold vor Kurzem seine junge Ge¬
mahlin, eine Prinzessin von Portugal, an den kaiserlichen Hof von Paris
brachte, wurden beide nicht nur vom Kaiser, auch von der Kaiserin mit einer
so ungewöhnlichen Herzlichkeit aufgenommen und festgehalten, daß die Diplo¬
matie davon zu berichten hatte. Nach der Meinung der Spanier eröffnete der
Erwählte die Aussicht, daß ein besonders gutes Einvernehmen der regierenden
Familien vom Tajo bis über den Rhein dem Reiche zum Nutzen sein
werde. Und soweit über Besetzung eines uns Deutschen nicht nahe lie¬
genden Thrones ein Urtheil erlaubt ist, die Wahl traf, an sich betrachtet,
wahrscheinlich das Nichtige. Ein katholischer Hohenzoller, ganz fremd den spani¬
schen Parteien und Intriguen, gegen Niemanden verpflichtet, ein Herr von unbe¬
scholtenem Charakter, dem König von Portugal verschwägert, dem Kaiser von
Frankreich blutsverwandt: wenn einer nach Stamm und Familie sür die ausgezeich¬
net schwierigen Verhältnisse Spaniens passend gehalten werden konnte, so war es
gerade dieser Prinz. Und der Humor dieser ernsten Geschichte liegt darin,
daß nicht die Franzosen, sondern viel eher wir Grund hätten, von einer so
guten Vermittelung zwischen Portugal, Spanien und dem Frankreich Napoleon
des III. für Deutschland etwas zu besorgen, wenn wir überhaupt den Fehler
hätten, in dem nationalen Gedeihen anderer Völker eine Demüthigung un¬
seres Stolzes zu finden. Jede Seite der modernen Geschichte lehrt, daß die


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Prinzen des Hauses Sigmaringen stehen unabhängig seitwärts des könig¬
lichen Hauses, ihr Einkommen wird ihnen nicht von der königlichen Ehatoulle
gewährt, ihr Chef ist der Fürst Karl Anton von Hohenzollern. der dieses
Recht seiner früheren Souveränetät bewahrt. In wichtigen Familienange¬
legenheiten wird der Rath des Königs eingeholt, aber die Majestät von
Preußen entscheidet über Ehe, Umgebung, Reisen. Privatunternehmungen nicht
ebenso wie bei den Prinzen des Königshauses. Erbprinz Leopold lehnte ab,
er lehnte ein zweites Mal ab. noch vor wenig Wochen^galt die Sache für ent¬
schieden. Da kamen die Spanier zum dritten Male und forderten, wie ver¬
lautet, zu Sigmaringen den jüngsten Prinzen Friedrich. Darauf entschloß
sich Erbprinz Leopold doch noch zur Annahme. Sowohl die spanischen Agen¬
ten Prim's als er selbst hatten einigen Grund zu der Voraussetzung, daß
die Annahme auch dem Kaiser Napoleon willkommener sein werde, als
manche andere. Der Prinz gilt in der kaiserlichen Familie für einen Ver¬
wandten nicht darum, weil die Mutter seines Vaters eine Murat war, wohl
aber als Enkel von Stephanie Beauharnais, Großherzogin von Baden, kaiser¬
licher Prinzessin von Frankreich, der Adoptivtochter Napoleons, der Bluts¬
verwandten und Adoptivschwester von der Mutter Napoleon III. Bei aller
deutschen Loyalität des fürstlichen Hauses Hohenzollern sind die verwandt¬
schaftlichen Beziehungen desselben zum Hause Napoleon III. auch von Paris
aus stets gepflegt worden. Als Prinz Leopold vor Kurzem seine junge Ge¬
mahlin, eine Prinzessin von Portugal, an den kaiserlichen Hof von Paris
brachte, wurden beide nicht nur vom Kaiser, auch von der Kaiserin mit einer
so ungewöhnlichen Herzlichkeit aufgenommen und festgehalten, daß die Diplo¬
matie davon zu berichten hatte. Nach der Meinung der Spanier eröffnete der
Erwählte die Aussicht, daß ein besonders gutes Einvernehmen der regierenden
Familien vom Tajo bis über den Rhein dem Reiche zum Nutzen sein
werde. Und soweit über Besetzung eines uns Deutschen nicht nahe lie¬
genden Thrones ein Urtheil erlaubt ist, die Wahl traf, an sich betrachtet,
wahrscheinlich das Nichtige. Ein katholischer Hohenzoller, ganz fremd den spani¬
schen Parteien und Intriguen, gegen Niemanden verpflichtet, ein Herr von unbe¬
scholtenem Charakter, dem König von Portugal verschwägert, dem Kaiser von
Frankreich blutsverwandt: wenn einer nach Stamm und Familie sür die ausgezeich¬
net schwierigen Verhältnisse Spaniens passend gehalten werden konnte, so war es
gerade dieser Prinz. Und der Humor dieser ernsten Geschichte liegt darin,
daß nicht die Franzosen, sondern viel eher wir Grund hätten, von einer so
guten Vermittelung zwischen Portugal, Spanien und dem Frankreich Napoleon
des III. für Deutschland etwas zu besorgen, wenn wir überhaupt den Fehler
hätten, in dem nationalen Gedeihen anderer Völker eine Demüthigung un¬
seres Stolzes zu finden. Jede Seite der modernen Geschichte lehrt, daß die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/91>, abgerufen am 17.06.2024.