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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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ringe, dieselben theilten den beliebten Satz, daß sich ein kluger Feldherr schont,
und vermieden es, sich allzusehr zu exponiren.

Der Schlag, den die liberalen Elemente durch diese Bresche im Cabinet
erfuhren, wog schwer. Hohenlohe war zwar kein Mann, der mit eisernem
Finger brach, was sich nicht biegen wollte und keine Natur, die zündet, .die
niederwirft und erobert. Nicht durch den Impetus, sondern durch die Mäßi¬
gung, die in seinem Wesen lag, war er von so unendlicher Bedeutung;
eine stille ernstblickende Gediegenheit, die niemals auf Kosten des Hörers
spielt, gab'ihm den Eindruck hoher Zuverlässigkeit. Was wohlthätig an
ihm hervortrat, das war der Mangel aller specifisch advocatischen Eigen¬
schaften und der Mangel jener diplomatisirenden Weise, wie sie an Beust
so gefährlich ist. Er hatte Geltung, ohne sich geltend zu machen.
Vom Aristokraten waren nur die positiven Seiten in seinem Wesen vertreten;
denn nie erhob sich seine Vornehmheit zur Exclusivität, niemals sank sie in
jene leichte Nachlässigkeit- herab, die den Angeredeten verletzen könnte. Eine
strenge allseitige Aufmerksamkeit war ein Grundzug seines Charakters, und
wenn man bisweilen mehr Entschiedenheit gewünscht hätte, so übersah man
oft, daß sich dieselbe nur hinter der rücksichtsvollsten Form verbarg.

Wir führen diese persönlichen Eigenschaften aus, weil sie in dem gege¬
benen Falle politische Eigenschaften waren, weil unter den subtilen Verhält¬
nissen, in denen sich Bayern befand, die Persönlichkeit seines Leiters von
weitgehender Bedeutung war.

Für diese Bedeutung fehlte freilich der neuen Kammermehrheit selbst das
Verständniß; der Cynismus, mit dem seine Verfolger (man kann kaum
sagen, seine Gegner) ihn angriffen, siel von seiner eigenen Würde in ent¬
würdigender Weise ab.

Mit Hörmann verlor daS Ministerium die rechte Hand, denn er stellte
gewissermaßen die Kraft der Regierung nach innen dar. Ebenso stämmig
und mächtig wie seine äußere Erscheinung tritt uns sein Charakter ent¬
gegen, wenn auch die Erregung der Zeit bisweilen in seiner Stimme und
seinen Mienen zittert. Die Energie, die sich in ihm verkörpert, hat eine
Wärme, und wenn ihre Stunde kommt, eine Leidenschaft, die uns mitten ins
Herz greift. Obwohl in der engen Schule der bayrischen Verwaltung heran¬
gebildet, war doch sein Auge stets auf einen weiteren Horizont und auf einen
höheren Gesichtspunkt gerichtet; nur den stillen Fleiß, jene Pflichttreue, die
ins Kleine geht, und eine ungeheure Arbeitskraft nahm er aus den Amts¬
stuben an den Ministertisch herüber. Jene Atmosphäre aber, in der sich
der Beamte zum Bureaukraten verdichtet, war ihm verhaßt und deshalb haßte
ihn jene Partei, die im Klerus und in der Bureaukratie ihre Wurzeln
findet. Die größte Anfeindung erfuhr seine Abänderung derj Wahl-


ringe, dieselben theilten den beliebten Satz, daß sich ein kluger Feldherr schont,
und vermieden es, sich allzusehr zu exponiren.

Der Schlag, den die liberalen Elemente durch diese Bresche im Cabinet
erfuhren, wog schwer. Hohenlohe war zwar kein Mann, der mit eisernem
Finger brach, was sich nicht biegen wollte und keine Natur, die zündet, .die
niederwirft und erobert. Nicht durch den Impetus, sondern durch die Mäßi¬
gung, die in seinem Wesen lag, war er von so unendlicher Bedeutung;
eine stille ernstblickende Gediegenheit, die niemals auf Kosten des Hörers
spielt, gab'ihm den Eindruck hoher Zuverlässigkeit. Was wohlthätig an
ihm hervortrat, das war der Mangel aller specifisch advocatischen Eigen¬
schaften und der Mangel jener diplomatisirenden Weise, wie sie an Beust
so gefährlich ist. Er hatte Geltung, ohne sich geltend zu machen.
Vom Aristokraten waren nur die positiven Seiten in seinem Wesen vertreten;
denn nie erhob sich seine Vornehmheit zur Exclusivität, niemals sank sie in
jene leichte Nachlässigkeit- herab, die den Angeredeten verletzen könnte. Eine
strenge allseitige Aufmerksamkeit war ein Grundzug seines Charakters, und
wenn man bisweilen mehr Entschiedenheit gewünscht hätte, so übersah man
oft, daß sich dieselbe nur hinter der rücksichtsvollsten Form verbarg.

Wir führen diese persönlichen Eigenschaften aus, weil sie in dem gege¬
benen Falle politische Eigenschaften waren, weil unter den subtilen Verhält¬
nissen, in denen sich Bayern befand, die Persönlichkeit seines Leiters von
weitgehender Bedeutung war.

Für diese Bedeutung fehlte freilich der neuen Kammermehrheit selbst das
Verständniß; der Cynismus, mit dem seine Verfolger (man kann kaum
sagen, seine Gegner) ihn angriffen, siel von seiner eigenen Würde in ent¬
würdigender Weise ab.

Mit Hörmann verlor daS Ministerium die rechte Hand, denn er stellte
gewissermaßen die Kraft der Regierung nach innen dar. Ebenso stämmig
und mächtig wie seine äußere Erscheinung tritt uns sein Charakter ent¬
gegen, wenn auch die Erregung der Zeit bisweilen in seiner Stimme und
seinen Mienen zittert. Die Energie, die sich in ihm verkörpert, hat eine
Wärme, und wenn ihre Stunde kommt, eine Leidenschaft, die uns mitten ins
Herz greift. Obwohl in der engen Schule der bayrischen Verwaltung heran¬
gebildet, war doch sein Auge stets auf einen weiteren Horizont und auf einen
höheren Gesichtspunkt gerichtet; nur den stillen Fleiß, jene Pflichttreue, die
ins Kleine geht, und eine ungeheure Arbeitskraft nahm er aus den Amts¬
stuben an den Ministertisch herüber. Jene Atmosphäre aber, in der sich
der Beamte zum Bureaukraten verdichtet, war ihm verhaßt und deshalb haßte
ihn jene Partei, die im Klerus und in der Bureaukratie ihre Wurzeln
findet. Die größte Anfeindung erfuhr seine Abänderung derj Wahl-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/45>, abgerufen am 24.05.2024.