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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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lere diesseit des Rheines, welche auch von Elsassern und selbst von Fran¬
zosen besucht werden. Da die Naturschönheiten im Wasgenwald und selbst
an der mittleren Mosel nicht geringer sind, die alten Sagen und Dichtungen
dort aber noch fast stärker und zauberhafter wehen, als im Schwarzwald und
Taunus*), so scheint es mir keinem Zweifel zu unterliegen, daß auch sie nun¬
mehr sich eines zahlreichen Besuches zu erfreuen haben werden, besonders aus
dem großen Stammland, dessen Bewohner bisher ihren Sehnsuchtszug nach
dem unvergeßlichen Elsaß überwanden, weil ihnen dort nur schmerzliche Empfin¬
dungen im Herzen erregt wurden, während sie sich jetzt wieder mit gerechtem
Stolze ganz zu Hause werden fühlen können. Die deutsche Regierung wird
dazu wenig beizutragen haben, es wird nur nöthig sein, Störungen der
natürlichen Entwicklung der Dinge abzuwenden, nachdem das Haupthinderniß,
die Franzosenherrschaft, fortgeräumt ist.

Auch in der sonstigen Ausnutzung der mineralischen Schätze des Landes
hat die Regierung wohl nicht viel zu thun; die Privatthätigkeit hat sich ihrer
hinreichend bemächtigt. Ob die Gewinnung von Salz bei Salzburg aus
Soole noch so viel Ertragsüberschuß läßt, daß er die Transportkosten des
Steinsalzes aus Staßfurt und Würtemberg aufwiegt, wird zu erwägen sein.

Viel werthvoller ist Elsaß-Lothringen durch seine Bodenbeschaffenheit und
Bodenerzeugnisse. Beim Landbau bleibt einerseits die körperliche und sittliche
Tüchtigkeit des Cultur-Menschen am besten bewahrt, anderseits giebt sich diese
Tüchtigkeit hier für jedes offene Auge am leichtesten zu erkennen; der Land¬
bau ist und bleibt die Grundlage für das Gedeihen und den Wohlstand des
Staates. Erfreulich ist auch hier wieder, sogleich von vornherein ankündigen
zu können, daß der Elsasser (wenn auch nicht in demselben Maße der Deutsch-
Lothringer) ein eifriger, umsichtiger und sorgsamer Landwirth ist. Alle deut¬
schen Kriegsberichterstatter, welche das Land am Wasgengebirge noch nicht
kannten, waren überrascht durch seine Schönheit und seine vortreffliche Be¬
bauung. Um ein klares und genaues Bild von der Landwirthschaft zunächst
des Elsasses zu geben, müssen wir uns an französische Quellen halten, denen
amtliche Erhebungen zu Grunde liegen.

Einer der charakteristischen Züge der ElsässerLandwirthschaft,
sagt Tisserand, besteht darin, daß sie nicht ein Fleckchen Erde unbenutzt läßt,
nicht eine Höhlung in einem Felsen ohne einen Baum; die Wege sind nur
so breit, um die Communication zu gestatten, ihre Gräben sind angesäet und
bilden wirkliche Wiesen, überall Anzeichen einer sorgfältigen Cultur. Das
was die Statistik unter dem Namen Oeden und Hütungen (lanäss et Mis)
begreift, wird als Weide benutzt. Drei Viertheile, ja vier Fünftheile aller



^) Der Sagenkreis dieser Länder ist besonders schön behandelt in Elsaß und Deutsch-
D. R. Lothringen von l)r. Fr. S reger, Leipzig, Quandt u. Händel.

lere diesseit des Rheines, welche auch von Elsassern und selbst von Fran¬
zosen besucht werden. Da die Naturschönheiten im Wasgenwald und selbst
an der mittleren Mosel nicht geringer sind, die alten Sagen und Dichtungen
dort aber noch fast stärker und zauberhafter wehen, als im Schwarzwald und
Taunus*), so scheint es mir keinem Zweifel zu unterliegen, daß auch sie nun¬
mehr sich eines zahlreichen Besuches zu erfreuen haben werden, besonders aus
dem großen Stammland, dessen Bewohner bisher ihren Sehnsuchtszug nach
dem unvergeßlichen Elsaß überwanden, weil ihnen dort nur schmerzliche Empfin¬
dungen im Herzen erregt wurden, während sie sich jetzt wieder mit gerechtem
Stolze ganz zu Hause werden fühlen können. Die deutsche Regierung wird
dazu wenig beizutragen haben, es wird nur nöthig sein, Störungen der
natürlichen Entwicklung der Dinge abzuwenden, nachdem das Haupthinderniß,
die Franzosenherrschaft, fortgeräumt ist.

Auch in der sonstigen Ausnutzung der mineralischen Schätze des Landes
hat die Regierung wohl nicht viel zu thun; die Privatthätigkeit hat sich ihrer
hinreichend bemächtigt. Ob die Gewinnung von Salz bei Salzburg aus
Soole noch so viel Ertragsüberschuß läßt, daß er die Transportkosten des
Steinsalzes aus Staßfurt und Würtemberg aufwiegt, wird zu erwägen sein.

Viel werthvoller ist Elsaß-Lothringen durch seine Bodenbeschaffenheit und
Bodenerzeugnisse. Beim Landbau bleibt einerseits die körperliche und sittliche
Tüchtigkeit des Cultur-Menschen am besten bewahrt, anderseits giebt sich diese
Tüchtigkeit hier für jedes offene Auge am leichtesten zu erkennen; der Land¬
bau ist und bleibt die Grundlage für das Gedeihen und den Wohlstand des
Staates. Erfreulich ist auch hier wieder, sogleich von vornherein ankündigen
zu können, daß der Elsasser (wenn auch nicht in demselben Maße der Deutsch-
Lothringer) ein eifriger, umsichtiger und sorgsamer Landwirth ist. Alle deut¬
schen Kriegsberichterstatter, welche das Land am Wasgengebirge noch nicht
kannten, waren überrascht durch seine Schönheit und seine vortreffliche Be¬
bauung. Um ein klares und genaues Bild von der Landwirthschaft zunächst
des Elsasses zu geben, müssen wir uns an französische Quellen halten, denen
amtliche Erhebungen zu Grunde liegen.

Einer der charakteristischen Züge der ElsässerLandwirthschaft,
sagt Tisserand, besteht darin, daß sie nicht ein Fleckchen Erde unbenutzt läßt,
nicht eine Höhlung in einem Felsen ohne einen Baum; die Wege sind nur
so breit, um die Communication zu gestatten, ihre Gräben sind angesäet und
bilden wirkliche Wiesen, überall Anzeichen einer sorgfältigen Cultur. Das
was die Statistik unter dem Namen Oeden und Hütungen (lanäss et Mis)
begreift, wird als Weide benutzt. Drei Viertheile, ja vier Fünftheile aller



^) Der Sagenkreis dieser Länder ist besonders schön behandelt in Elsaß und Deutsch-
D. R. Lothringen von l)r. Fr. S reger, Leipzig, Quandt u. Händel.
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[0055] lere diesseit des Rheines, welche auch von Elsassern und selbst von Fran¬ zosen besucht werden. Da die Naturschönheiten im Wasgenwald und selbst an der mittleren Mosel nicht geringer sind, die alten Sagen und Dichtungen dort aber noch fast stärker und zauberhafter wehen, als im Schwarzwald und Taunus*), so scheint es mir keinem Zweifel zu unterliegen, daß auch sie nun¬ mehr sich eines zahlreichen Besuches zu erfreuen haben werden, besonders aus dem großen Stammland, dessen Bewohner bisher ihren Sehnsuchtszug nach dem unvergeßlichen Elsaß überwanden, weil ihnen dort nur schmerzliche Empfin¬ dungen im Herzen erregt wurden, während sie sich jetzt wieder mit gerechtem Stolze ganz zu Hause werden fühlen können. Die deutsche Regierung wird dazu wenig beizutragen haben, es wird nur nöthig sein, Störungen der natürlichen Entwicklung der Dinge abzuwenden, nachdem das Haupthinderniß, die Franzosenherrschaft, fortgeräumt ist. Auch in der sonstigen Ausnutzung der mineralischen Schätze des Landes hat die Regierung wohl nicht viel zu thun; die Privatthätigkeit hat sich ihrer hinreichend bemächtigt. Ob die Gewinnung von Salz bei Salzburg aus Soole noch so viel Ertragsüberschuß läßt, daß er die Transportkosten des Steinsalzes aus Staßfurt und Würtemberg aufwiegt, wird zu erwägen sein. Viel werthvoller ist Elsaß-Lothringen durch seine Bodenbeschaffenheit und Bodenerzeugnisse. Beim Landbau bleibt einerseits die körperliche und sittliche Tüchtigkeit des Cultur-Menschen am besten bewahrt, anderseits giebt sich diese Tüchtigkeit hier für jedes offene Auge am leichtesten zu erkennen; der Land¬ bau ist und bleibt die Grundlage für das Gedeihen und den Wohlstand des Staates. Erfreulich ist auch hier wieder, sogleich von vornherein ankündigen zu können, daß der Elsasser (wenn auch nicht in demselben Maße der Deutsch- Lothringer) ein eifriger, umsichtiger und sorgsamer Landwirth ist. Alle deut¬ schen Kriegsberichterstatter, welche das Land am Wasgengebirge noch nicht kannten, waren überrascht durch seine Schönheit und seine vortreffliche Be¬ bauung. Um ein klares und genaues Bild von der Landwirthschaft zunächst des Elsasses zu geben, müssen wir uns an französische Quellen halten, denen amtliche Erhebungen zu Grunde liegen. Einer der charakteristischen Züge der ElsässerLandwirthschaft, sagt Tisserand, besteht darin, daß sie nicht ein Fleckchen Erde unbenutzt läßt, nicht eine Höhlung in einem Felsen ohne einen Baum; die Wege sind nur so breit, um die Communication zu gestatten, ihre Gräben sind angesäet und bilden wirkliche Wiesen, überall Anzeichen einer sorgfältigen Cultur. Das was die Statistik unter dem Namen Oeden und Hütungen (lanäss et Mis) begreift, wird als Weide benutzt. Drei Viertheile, ja vier Fünftheile aller ^) Der Sagenkreis dieser Länder ist besonders schön behandelt in Elsaß und Deutsch- D. R. Lothringen von l)r. Fr. S reger, Leipzig, Quandt u. Händel.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/55>, abgerufen am 06.06.2024.