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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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Weiden finden sich auf den Gipfeln und an den höchsten Abhängen der Vo-
gesen in einer Höhe von 1000 -- 1400 Meter, wo die mittlere Jahrestempe¬
ratur nicht 4--5 Grad Celsius übersteigt und wo der jährliche Regenfall
1 Meter (38 Zoll) und mehr beträgt. Diese Weiden werden seit Jahrhun¬
derten und zwar vom Juni bis September mit Kühen beweidet, deren Milch
zur Käsebereitung dient. In den Thälern geben die Weiden ein weniger
aromatisches, aber reichlicheres Futter. Sie werden selten von unbebauten,
steinigen und sandigen Stücken unterbrochen, die seit einer Reihe von Jahren
nach und nach bewaldet werden. Auch in der Ebene giebt es einige Weiden,
welche einer höheren Cultur fähig sind; es sind dies durchweg Gemeinde¬
gründe, welche durch dieses Rechtsverhältniß, wie überall, der Verbesserung
der Landwirthschaft hinderlich sind. Seit 1830 hat man jedoch zwei Dritt¬
theile dieser Flächen umgebrochen, und in Ackerland verwandelt. Straßburg
gab hierin das Beispiel; zehn Jahre nach dem ersten Anbruch, im Jahre
1840 gründete es, in der doppelten Absicht, die unfruchtbaren Ländereien zu
melioriren und die Taugenichtse seiner Bevölkerung zu bessern, die Ansiedelung
Ostwald. Seit 1848 sind die Kantone Ehrenstein, Geispolsheim, Oberehen-
Heim und Gebweiler in der Bewaldung des mageren Bodens und Aufbrechung
der humosen Gründe zu Acker gefolgt. Auch im Oberrhein geschah Bedeutendes.
In Ochsenfett wurden große Haiden cultivirt; besonders ragen die Leistungen des
landwirthschaftlichen Asyls zu Sennheim (Cernay) unter Leitung ihres Vorstehers
Zweifel hervor. Noch immer gibt es im Departement Oberrhein 18^-20,000 Hek¬
taren Weiden, Sandschollen und Triften, weil der höhere und zerrissenere Theil der
Vogesen dort liegt; ihre tragbare Fläche beträgt aber 94--95 Proz. der Gesammt-
fläche, die Oeden, Straßen, Kanäle, Flüsse, Teiche, Häuser nehmen nur 5--6 Proz.
ein,während dieselben in England und Schottland mehr als das Doppelte betragen.

Nach Abzug der Weiden nimmt der Ackerbau 514,000 Hektaren ein, und
zwar im Niederrhein 278.000 oder 61 Proz., im Oberrhein 237.000 oder 58
Proz. der Gesammtoberfläche.

Der Weinbau ist die erste Cultur, welche die Aufmerksamkeit fesselt,
wenn man in östlicher Richtung den Wasgenwald überschreitet. Er nimmt
25--26,000 Hektaren ein. Man findet die Weinberge nach den Annalen der
Landwirthschaft nirgends schöner, nirgends sorgfältiger gepflegt. Die Wahl
der Sorten kann besser sein, der Schnitt ein mehr vollkommener, der Wein
von größerer Güte, aber nirgends dürfte man Weinberge finden von größerer
Sauberkeit, mit besseren Wegen und mit größeren Erträgen. Man erntet von
der Hektare z. Th. 80--100 Hektoliter (14,5 bis 18,2 Ohm vom Morgen),
d. h. 1000--1500 Francs Rohertrag, was 8--9 Proz. Reinertrag ausmacht.
Einen gleich hohen Reinertrag giebt kein Zweig der Landwirthschaft, selbst
in den höchst cultivirten Ländern England und Sachsen. Da die Weingärten


Weiden finden sich auf den Gipfeln und an den höchsten Abhängen der Vo-
gesen in einer Höhe von 1000 — 1400 Meter, wo die mittlere Jahrestempe¬
ratur nicht 4—5 Grad Celsius übersteigt und wo der jährliche Regenfall
1 Meter (38 Zoll) und mehr beträgt. Diese Weiden werden seit Jahrhun¬
derten und zwar vom Juni bis September mit Kühen beweidet, deren Milch
zur Käsebereitung dient. In den Thälern geben die Weiden ein weniger
aromatisches, aber reichlicheres Futter. Sie werden selten von unbebauten,
steinigen und sandigen Stücken unterbrochen, die seit einer Reihe von Jahren
nach und nach bewaldet werden. Auch in der Ebene giebt es einige Weiden,
welche einer höheren Cultur fähig sind; es sind dies durchweg Gemeinde¬
gründe, welche durch dieses Rechtsverhältniß, wie überall, der Verbesserung
der Landwirthschaft hinderlich sind. Seit 1830 hat man jedoch zwei Dritt¬
theile dieser Flächen umgebrochen, und in Ackerland verwandelt. Straßburg
gab hierin das Beispiel; zehn Jahre nach dem ersten Anbruch, im Jahre
1840 gründete es, in der doppelten Absicht, die unfruchtbaren Ländereien zu
melioriren und die Taugenichtse seiner Bevölkerung zu bessern, die Ansiedelung
Ostwald. Seit 1848 sind die Kantone Ehrenstein, Geispolsheim, Oberehen-
Heim und Gebweiler in der Bewaldung des mageren Bodens und Aufbrechung
der humosen Gründe zu Acker gefolgt. Auch im Oberrhein geschah Bedeutendes.
In Ochsenfett wurden große Haiden cultivirt; besonders ragen die Leistungen des
landwirthschaftlichen Asyls zu Sennheim (Cernay) unter Leitung ihres Vorstehers
Zweifel hervor. Noch immer gibt es im Departement Oberrhein 18^-20,000 Hek¬
taren Weiden, Sandschollen und Triften, weil der höhere und zerrissenere Theil der
Vogesen dort liegt; ihre tragbare Fläche beträgt aber 94—95 Proz. der Gesammt-
fläche, die Oeden, Straßen, Kanäle, Flüsse, Teiche, Häuser nehmen nur 5—6 Proz.
ein,während dieselben in England und Schottland mehr als das Doppelte betragen.

Nach Abzug der Weiden nimmt der Ackerbau 514,000 Hektaren ein, und
zwar im Niederrhein 278.000 oder 61 Proz., im Oberrhein 237.000 oder 58
Proz. der Gesammtoberfläche.

Der Weinbau ist die erste Cultur, welche die Aufmerksamkeit fesselt,
wenn man in östlicher Richtung den Wasgenwald überschreitet. Er nimmt
25—26,000 Hektaren ein. Man findet die Weinberge nach den Annalen der
Landwirthschaft nirgends schöner, nirgends sorgfältiger gepflegt. Die Wahl
der Sorten kann besser sein, der Schnitt ein mehr vollkommener, der Wein
von größerer Güte, aber nirgends dürfte man Weinberge finden von größerer
Sauberkeit, mit besseren Wegen und mit größeren Erträgen. Man erntet von
der Hektare z. Th. 80—100 Hektoliter (14,5 bis 18,2 Ohm vom Morgen),
d. h. 1000—1500 Francs Rohertrag, was 8—9 Proz. Reinertrag ausmacht.
Einen gleich hohen Reinertrag giebt kein Zweig der Landwirthschaft, selbst
in den höchst cultivirten Ländern England und Sachsen. Da die Weingärten


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[0056] Weiden finden sich auf den Gipfeln und an den höchsten Abhängen der Vo- gesen in einer Höhe von 1000 — 1400 Meter, wo die mittlere Jahrestempe¬ ratur nicht 4—5 Grad Celsius übersteigt und wo der jährliche Regenfall 1 Meter (38 Zoll) und mehr beträgt. Diese Weiden werden seit Jahrhun¬ derten und zwar vom Juni bis September mit Kühen beweidet, deren Milch zur Käsebereitung dient. In den Thälern geben die Weiden ein weniger aromatisches, aber reichlicheres Futter. Sie werden selten von unbebauten, steinigen und sandigen Stücken unterbrochen, die seit einer Reihe von Jahren nach und nach bewaldet werden. Auch in der Ebene giebt es einige Weiden, welche einer höheren Cultur fähig sind; es sind dies durchweg Gemeinde¬ gründe, welche durch dieses Rechtsverhältniß, wie überall, der Verbesserung der Landwirthschaft hinderlich sind. Seit 1830 hat man jedoch zwei Dritt¬ theile dieser Flächen umgebrochen, und in Ackerland verwandelt. Straßburg gab hierin das Beispiel; zehn Jahre nach dem ersten Anbruch, im Jahre 1840 gründete es, in der doppelten Absicht, die unfruchtbaren Ländereien zu melioriren und die Taugenichtse seiner Bevölkerung zu bessern, die Ansiedelung Ostwald. Seit 1848 sind die Kantone Ehrenstein, Geispolsheim, Oberehen- Heim und Gebweiler in der Bewaldung des mageren Bodens und Aufbrechung der humosen Gründe zu Acker gefolgt. Auch im Oberrhein geschah Bedeutendes. In Ochsenfett wurden große Haiden cultivirt; besonders ragen die Leistungen des landwirthschaftlichen Asyls zu Sennheim (Cernay) unter Leitung ihres Vorstehers Zweifel hervor. Noch immer gibt es im Departement Oberrhein 18^-20,000 Hek¬ taren Weiden, Sandschollen und Triften, weil der höhere und zerrissenere Theil der Vogesen dort liegt; ihre tragbare Fläche beträgt aber 94—95 Proz. der Gesammt- fläche, die Oeden, Straßen, Kanäle, Flüsse, Teiche, Häuser nehmen nur 5—6 Proz. ein,während dieselben in England und Schottland mehr als das Doppelte betragen. Nach Abzug der Weiden nimmt der Ackerbau 514,000 Hektaren ein, und zwar im Niederrhein 278.000 oder 61 Proz., im Oberrhein 237.000 oder 58 Proz. der Gesammtoberfläche. Der Weinbau ist die erste Cultur, welche die Aufmerksamkeit fesselt, wenn man in östlicher Richtung den Wasgenwald überschreitet. Er nimmt 25—26,000 Hektaren ein. Man findet die Weinberge nach den Annalen der Landwirthschaft nirgends schöner, nirgends sorgfältiger gepflegt. Die Wahl der Sorten kann besser sein, der Schnitt ein mehr vollkommener, der Wein von größerer Güte, aber nirgends dürfte man Weinberge finden von größerer Sauberkeit, mit besseren Wegen und mit größeren Erträgen. Man erntet von der Hektare z. Th. 80—100 Hektoliter (14,5 bis 18,2 Ohm vom Morgen), d. h. 1000—1500 Francs Rohertrag, was 8—9 Proz. Reinertrag ausmacht. Einen gleich hohen Reinertrag giebt kein Zweig der Landwirthschaft, selbst in den höchst cultivirten Ländern England und Sachsen. Da die Weingärten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/56>, abgerufen am 06.06.2024.