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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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der Ebene nur unsichere Ernten von geringer Güte gaben, so sind sie dort
zum größten Theil verschwunden; die Hügel dagegen haben sich mit neuen
Pflanzungen bedeckt.

Den Weinstock führten bekanntlich die Römer am Rheine ein, mit ihm
zugleich die Kastanie, den Nußbaum, die Pfirsiche, die Kirsche und fast alle
übrigen Ob se bäume. Kastanienwälder bedecken nur einige hundert Hektaren
und die Nußbäume dienen nur zur Einfassung der Landstraßen. Ebenso ist
merkwürdiger Weise der Obstbau von geringer Bedeutung.

Wenn wir von den Holzgewächsen absehen, so nehmen der Acker und die
Wiesen noch etwas mehr als die Hälfte der Oberfläche ein, und zwar im
Niederrhein 57 Proz., im Oberrhein 84,69 Proz. Bemerkenswerth ist die große
Zahl von Pflanzen, welche im Elsaß angebaut werden. Im 1,1540 wurde der
Mais eingeführt, wenige Jahre später der Hopfen. Unsere wackeren Krieger haben
die Gärten des Letzteren bei Weißenburg und Wörth kennen gelernt und zum
Theil mit ihrem Blute gedüngt. Die Kartoffel dagegen kam spät dahin, erst
nach 1796 fand sie allgemein Beachtung. Der Tabakbau begann 1620, aber
schon vor Ende des 17. Jahrhunderts gewann er im Elsaß einen bedeuten¬
den Umfang. Mit dem Jahre 1718 stieg die Erzeugung auf 8 Millionen
Pfund und in Straßburg allein zählte man 72 Tabakfabriken mit 8000 Ar¬
beitern. Den Krapp hat Karl V. hier eingeführt. Endlich gewannen seit 1774
die werthvollsten Futterpflanzen, wie der Klee, die Luzerne und Esparsette,
welche schon im 16. Jahrhundert eingeführt waren, eine große Bedeutung auf
den Brachfeldern des Elsasses, das ist zu einer Zeit, wo sie dem übrigen
Frankreich noch fast unbekannt waren.

Schon aus dem Anbau der aufgeführten Handels- und Futtergewächse
kann man schließen, daß im Elsaß eine sogenannte intensive Wirth¬
schaft geführt wird. In der That gibt es dort, wenigstens in der unteren
Hälfte des Landes, fast keine Schwarzbrache (dieses Kennzeichen extensiver
Wirthschaft) mehr; ihre Stelle wird von Futterkräutern, Kartoffeln und
Rüben eingenommen. Der reichlich gedüngte Boden gibt alljährlich eine
reiche Ernte; ja nicht selten macht der Elsasser Landwirth alljährlich zwei
Ernten; nach Roggen baut er noch Buchweizen, nach Winterlein und Winter¬
gerste Hirse, nach Mais Kürbisse und Melonen, nach Weizen Rüben, nach
der Gerste gewinnt er von dem in dieselbe gescieten Klee noch zwei Schnitte.
In den besonders fruchtbaren Strichen ist die Zweifelderwirthschaft eingeführt;
es folgen dort ununterbrochen auf Weizen oder Gerste in dem einen Jahre,
Tabak, Raps, Mohn oder Lein in dem andern. Feldfrüchte armer Lände¬
reien werden besonders im Unterelsaß entweder gar nicht, oder doch wie wir
so eben gesehen haben, nur als Nebenfrüchte gebaut; auch der Roggen nimmt


Grenzboten I. 1871. 73

der Ebene nur unsichere Ernten von geringer Güte gaben, so sind sie dort
zum größten Theil verschwunden; die Hügel dagegen haben sich mit neuen
Pflanzungen bedeckt.

Den Weinstock führten bekanntlich die Römer am Rheine ein, mit ihm
zugleich die Kastanie, den Nußbaum, die Pfirsiche, die Kirsche und fast alle
übrigen Ob se bäume. Kastanienwälder bedecken nur einige hundert Hektaren
und die Nußbäume dienen nur zur Einfassung der Landstraßen. Ebenso ist
merkwürdiger Weise der Obstbau von geringer Bedeutung.

Wenn wir von den Holzgewächsen absehen, so nehmen der Acker und die
Wiesen noch etwas mehr als die Hälfte der Oberfläche ein, und zwar im
Niederrhein 57 Proz., im Oberrhein 84,69 Proz. Bemerkenswerth ist die große
Zahl von Pflanzen, welche im Elsaß angebaut werden. Im 1,1540 wurde der
Mais eingeführt, wenige Jahre später der Hopfen. Unsere wackeren Krieger haben
die Gärten des Letzteren bei Weißenburg und Wörth kennen gelernt und zum
Theil mit ihrem Blute gedüngt. Die Kartoffel dagegen kam spät dahin, erst
nach 1796 fand sie allgemein Beachtung. Der Tabakbau begann 1620, aber
schon vor Ende des 17. Jahrhunderts gewann er im Elsaß einen bedeuten¬
den Umfang. Mit dem Jahre 1718 stieg die Erzeugung auf 8 Millionen
Pfund und in Straßburg allein zählte man 72 Tabakfabriken mit 8000 Ar¬
beitern. Den Krapp hat Karl V. hier eingeführt. Endlich gewannen seit 1774
die werthvollsten Futterpflanzen, wie der Klee, die Luzerne und Esparsette,
welche schon im 16. Jahrhundert eingeführt waren, eine große Bedeutung auf
den Brachfeldern des Elsasses, das ist zu einer Zeit, wo sie dem übrigen
Frankreich noch fast unbekannt waren.

Schon aus dem Anbau der aufgeführten Handels- und Futtergewächse
kann man schließen, daß im Elsaß eine sogenannte intensive Wirth¬
schaft geführt wird. In der That gibt es dort, wenigstens in der unteren
Hälfte des Landes, fast keine Schwarzbrache (dieses Kennzeichen extensiver
Wirthschaft) mehr; ihre Stelle wird von Futterkräutern, Kartoffeln und
Rüben eingenommen. Der reichlich gedüngte Boden gibt alljährlich eine
reiche Ernte; ja nicht selten macht der Elsasser Landwirth alljährlich zwei
Ernten; nach Roggen baut er noch Buchweizen, nach Winterlein und Winter¬
gerste Hirse, nach Mais Kürbisse und Melonen, nach Weizen Rüben, nach
der Gerste gewinnt er von dem in dieselbe gescieten Klee noch zwei Schnitte.
In den besonders fruchtbaren Strichen ist die Zweifelderwirthschaft eingeführt;
es folgen dort ununterbrochen auf Weizen oder Gerste in dem einen Jahre,
Tabak, Raps, Mohn oder Lein in dem andern. Feldfrüchte armer Lände¬
reien werden besonders im Unterelsaß entweder gar nicht, oder doch wie wir
so eben gesehen haben, nur als Nebenfrüchte gebaut; auch der Roggen nimmt


Grenzboten I. 1871. 73
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/57>, abgerufen am 13.06.2024.