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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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aber wohlgemeinte Verordnung aus Bremen vom Jahre 1300 erkennen:
Mllus eorum temporum oovvivi <zuoä 6iläizsea.p (Gildschaft) äieitur
inebriare äebebit a ä e v ut in lutum eaäat. -- In manchen Urkunden wird
als Zweck der Gilden angeführt, sie sollen ein brüderliches Band "in Lieb
und Leid sein", sie sollen brüderliche Lieb und Treue üben, vornehmlich in
der Traurigkeit und letztem Abschiede. Es wird sich zeigen, daß diese ursprüng¬
liche Bedeutung, welche später hinter jener von gewerblichen und bürgerlichen
Vereinigungen zurücktrat, sich bei den Malergilden in besonderer Form noch
längere Zeit erhielt.

Die Malerzünfte gehören ganz unzweifelhaft zu den Handwerkern, wie
schon die Vereinigung mit anderen Handwerkerzünften, jener der Glaser.
Tischler u. f. w. zeigt. Auch Brand läßt in seinem Narrenschiff Apelles im
Gesellenschiff in holder Nachbarschaft von Gevatter Schuster und Handschuh¬
macher auftreten. Das ist ja völlig selbstverständlich. Auch dies müssen wir
als naturgemäß betrachten, daß die einzelnen Bestimmungen der Zunftstatuten,
wo es sich nicht um malerische Specialitäten handelt, den Bestimmungen der
anderen Zünfte durchaus entsprechen. Beachtenswert!) aber ist die Erschei¬
nung, daß, wenn wir die Satzungen der verschiedenen Malerzünfte, gleichviel
ob in Krakau, Wien, Hamburg, Nürnberg miteinander vergleichen, wir eine
merkwürdige, selbst in das Detail gehende Uebereinstimmung finden. Wenn
diese auch noch nicht so weit gediehen ist als jene der Steinmetzen, welche
ernstlich damit umgingen, eine allgemeine deutsche Bauhütte zu gründen, so
gewährt doch schon die Gleichheit des Meisterstückes, der Ausnahmebedingungen,
die Allgemeingültigkeit der Lehrbriefe u. a., eine außerordentliche Erleichterung
des Verkehrs, wie sie denn auch einen lebhaften Verkehr der Zünfte ver¬
schiedener Länder miteinander voraussetzen.

Die Zunftvorsteher heißen Geschworene, oder Werkmeister oder Amt¬
leute. Nach Breslauer Urkunden werden sie von dem Rathe der Stadt er¬
wählt. Es sollen von ihnen zwei oder mindestens einer schwören. Sie stellen
die juristische Repräsentation der Zunft dar, nehmen im Namen derselben
Geschenke oder Erbschaften entgegen, kaufen und verkaufen, Präsentiren den
Meistercanditaten dem Rathe der Stadt und bürgen für ihre Innungsge-
nossen; sie verordnen Strafe und sind Schiedsrichter -- in erster Instanz;*)
endlich sind sie Sachverständige, befinden über das Meisterstück oder sind auch
außerdem verpflichtet, durch die Werkstätten zu gehen und zu prüfen, ob die



Es soll niemand dem andern, dat richte senden, edder borzhen afnemen, edder vor
deme rate uorklaghen, it en se mit der werkmestcre vulbord, -- vehalnen omne viao vnde
blöd vnde dat meine an sin uf edder sine gülte ghevt . . (d. h. mit Ausnahme der Kapital¬
fälle und schweren Körperverletzungen).

aber wohlgemeinte Verordnung aus Bremen vom Jahre 1300 erkennen:
Mllus eorum temporum oovvivi <zuoä 6iläizsea.p (Gildschaft) äieitur
inebriare äebebit a ä e v ut in lutum eaäat. — In manchen Urkunden wird
als Zweck der Gilden angeführt, sie sollen ein brüderliches Band „in Lieb
und Leid sein", sie sollen brüderliche Lieb und Treue üben, vornehmlich in
der Traurigkeit und letztem Abschiede. Es wird sich zeigen, daß diese ursprüng¬
liche Bedeutung, welche später hinter jener von gewerblichen und bürgerlichen
Vereinigungen zurücktrat, sich bei den Malergilden in besonderer Form noch
längere Zeit erhielt.

Die Malerzünfte gehören ganz unzweifelhaft zu den Handwerkern, wie
schon die Vereinigung mit anderen Handwerkerzünften, jener der Glaser.
Tischler u. f. w. zeigt. Auch Brand läßt in seinem Narrenschiff Apelles im
Gesellenschiff in holder Nachbarschaft von Gevatter Schuster und Handschuh¬
macher auftreten. Das ist ja völlig selbstverständlich. Auch dies müssen wir
als naturgemäß betrachten, daß die einzelnen Bestimmungen der Zunftstatuten,
wo es sich nicht um malerische Specialitäten handelt, den Bestimmungen der
anderen Zünfte durchaus entsprechen. Beachtenswert!) aber ist die Erschei¬
nung, daß, wenn wir die Satzungen der verschiedenen Malerzünfte, gleichviel
ob in Krakau, Wien, Hamburg, Nürnberg miteinander vergleichen, wir eine
merkwürdige, selbst in das Detail gehende Uebereinstimmung finden. Wenn
diese auch noch nicht so weit gediehen ist als jene der Steinmetzen, welche
ernstlich damit umgingen, eine allgemeine deutsche Bauhütte zu gründen, so
gewährt doch schon die Gleichheit des Meisterstückes, der Ausnahmebedingungen,
die Allgemeingültigkeit der Lehrbriefe u. a., eine außerordentliche Erleichterung
des Verkehrs, wie sie denn auch einen lebhaften Verkehr der Zünfte ver¬
schiedener Länder miteinander voraussetzen.

Die Zunftvorsteher heißen Geschworene, oder Werkmeister oder Amt¬
leute. Nach Breslauer Urkunden werden sie von dem Rathe der Stadt er¬
wählt. Es sollen von ihnen zwei oder mindestens einer schwören. Sie stellen
die juristische Repräsentation der Zunft dar, nehmen im Namen derselben
Geschenke oder Erbschaften entgegen, kaufen und verkaufen, Präsentiren den
Meistercanditaten dem Rathe der Stadt und bürgen für ihre Innungsge-
nossen; sie verordnen Strafe und sind Schiedsrichter — in erster Instanz;*)
endlich sind sie Sachverständige, befinden über das Meisterstück oder sind auch
außerdem verpflichtet, durch die Werkstätten zu gehen und zu prüfen, ob die



Es soll niemand dem andern, dat richte senden, edder borzhen afnemen, edder vor
deme rate uorklaghen, it en se mit der werkmestcre vulbord, — vehalnen omne viao vnde
blöd vnde dat meine an sin uf edder sine gülte ghevt . . (d. h. mit Ausnahme der Kapital¬
fälle und schweren Körperverletzungen).
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/93>, abgerufen am 05.06.2024.