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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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gemeinte. -- Es war, als ob alle Welt plötzlich von Stummheit befallen
worden wäre. Weingläser stiegen langsam auf den Tisch herab, ohne daß
ihr Inhalt gekostet gewesen wäre. Cigarren sielen unbemerkt aus kraftlosen
Fingern. Jedermann suchte das Auge seines Nachbars, fand aber keinen
Hoffnungsstrahl darin und keine Ermuthigung. Endlich wurde das furcht¬
bare Schweigen gebrochen. Der Schatten eines verzweifelten Entschlusses
legte sich wie eine Wolke über Blücher's Gesicht, und er erhob sich und sagte:
Wirth, das ist ein niederträchtiger gemeiner Schwindel, und nimmermehr laß
ich mir das gefallen. Hier sind hundertundfunfzig Dollars, Herr, und das
ist alles, was sie kriegen -- lieber will ich in meinem Blute schwimmen, als
daß ich einen Cent mehr bezahle. -- Wir kriegten Courage, wogegen der
Wirth ängstlich wurde. Wenigstens kam es uns so vor. Er war jedenfalls
verwirrt, trotzdem er von dem, was gesagt worden, nicht ein Wort verstanden
hatte. Er blickte von dem Häufchen Goldes mehrmals nach Blücher hin und
ging dann hinaus. Er muß einen Amerikaner besucht haben; dann als er
wiederkam, brachte er seine Rechnung in eine Sprache übersetzt zurück, die ein
Christenmensch verstehen konnte. Es ergab sich setzt, daß Blücher nicht mehr
als 21 Dollars 70 Cents zu bezahlen hatte. Wiederum herrschte Vergnügt¬
heit in der Gesellschaft, und es wurden weitere Erfrischungen bestellt."

Im nächsten Kapitel kommen wir mit dem Verfasser nach Gibraltar und
von da nach Tanger in Marokko und lernen verschiedene wunderliche Käuze der
Schiffsgesellschaft, z. B. das Orakel kennen, von dem im folgenden Nachstehendes
erzählt wird:

"Den Abend, wo wir von Gibraltar wegsegelten, schwamm dieser Fels
mit seinen harten Zügen in einem rahmfarbnen Nebel so warm, so mild, so
bezaubernd unbestimmt und träumerisch, daß selbst unser Orakel, dieser ewig
heitere, dieser inspirirte, dieser unermeßliche Windbeutel, das Gong, das zum
Diner rief, mit Verachtung von sich wies und verweilte, um anzubeten. Er
sagete: Na, das ist doch prächtig, nicht wahr? So 'was hat man bei uns
drüben nimmer mehr, nicht wahr? Ich nehme an, daß diese Lichtwirkungen
die Folge sind von der höheren Refragebilität, oder wie man auch sagen darf,
der diramischen Combination der Sonne mit dem lymphetischen Kräften der
Perihelions des Jubiter. Wie denken sie darüber? -- O gehen Sie doch zu
Bette! Es war Dan, der das sagte. -- O ja es ist schön, zu sagen: wenn
uns jemand ein Argument aufstellt, worauf der Andere nicht antworten kann.
Dan hat niemals Aussicht, mich bei einer Beweisführung zu widerlegen.
Und er weiß das auch. Was sagen Sie dazu, Jack? -- Hören Sie 'mal,
Doctor, kommen Sie mir nicht, und langweilen Sie mich nicht mit diesem
Geplapper aus dem Wörterbuch. Ich habe Ihnen ja nichts zu Leide gethan.
Also lassen sie mich in Frieden. -- Der ist auch fort. Diese Burschen haben


gemeinte. — Es war, als ob alle Welt plötzlich von Stummheit befallen
worden wäre. Weingläser stiegen langsam auf den Tisch herab, ohne daß
ihr Inhalt gekostet gewesen wäre. Cigarren sielen unbemerkt aus kraftlosen
Fingern. Jedermann suchte das Auge seines Nachbars, fand aber keinen
Hoffnungsstrahl darin und keine Ermuthigung. Endlich wurde das furcht¬
bare Schweigen gebrochen. Der Schatten eines verzweifelten Entschlusses
legte sich wie eine Wolke über Blücher's Gesicht, und er erhob sich und sagte:
Wirth, das ist ein niederträchtiger gemeiner Schwindel, und nimmermehr laß
ich mir das gefallen. Hier sind hundertundfunfzig Dollars, Herr, und das
ist alles, was sie kriegen — lieber will ich in meinem Blute schwimmen, als
daß ich einen Cent mehr bezahle. — Wir kriegten Courage, wogegen der
Wirth ängstlich wurde. Wenigstens kam es uns so vor. Er war jedenfalls
verwirrt, trotzdem er von dem, was gesagt worden, nicht ein Wort verstanden
hatte. Er blickte von dem Häufchen Goldes mehrmals nach Blücher hin und
ging dann hinaus. Er muß einen Amerikaner besucht haben; dann als er
wiederkam, brachte er seine Rechnung in eine Sprache übersetzt zurück, die ein
Christenmensch verstehen konnte. Es ergab sich setzt, daß Blücher nicht mehr
als 21 Dollars 70 Cents zu bezahlen hatte. Wiederum herrschte Vergnügt¬
heit in der Gesellschaft, und es wurden weitere Erfrischungen bestellt."

Im nächsten Kapitel kommen wir mit dem Verfasser nach Gibraltar und
von da nach Tanger in Marokko und lernen verschiedene wunderliche Käuze der
Schiffsgesellschaft, z. B. das Orakel kennen, von dem im folgenden Nachstehendes
erzählt wird:

„Den Abend, wo wir von Gibraltar wegsegelten, schwamm dieser Fels
mit seinen harten Zügen in einem rahmfarbnen Nebel so warm, so mild, so
bezaubernd unbestimmt und träumerisch, daß selbst unser Orakel, dieser ewig
heitere, dieser inspirirte, dieser unermeßliche Windbeutel, das Gong, das zum
Diner rief, mit Verachtung von sich wies und verweilte, um anzubeten. Er
sagete: Na, das ist doch prächtig, nicht wahr? So 'was hat man bei uns
drüben nimmer mehr, nicht wahr? Ich nehme an, daß diese Lichtwirkungen
die Folge sind von der höheren Refragebilität, oder wie man auch sagen darf,
der diramischen Combination der Sonne mit dem lymphetischen Kräften der
Perihelions des Jubiter. Wie denken sie darüber? — O gehen Sie doch zu
Bette! Es war Dan, der das sagte. — O ja es ist schön, zu sagen: wenn
uns jemand ein Argument aufstellt, worauf der Andere nicht antworten kann.
Dan hat niemals Aussicht, mich bei einer Beweisführung zu widerlegen.
Und er weiß das auch. Was sagen Sie dazu, Jack? — Hören Sie 'mal,
Doctor, kommen Sie mir nicht, und langweilen Sie mich nicht mit diesem
Geplapper aus dem Wörterbuch. Ich habe Ihnen ja nichts zu Leide gethan.
Also lassen sie mich in Frieden. — Der ist auch fort. Diese Burschen haben


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/223>, abgerufen am 16.06.2024.