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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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bekommen, und unsere einzige kümmerliche kleine Genugthuung bestand in
dem Gedanken, daß Ferguson uns nicht ein ein einziges seidnes Kleid
verkauft hatte."

Im nächsten Kapitel wird u. A. sehr ergötzlich die Empfindsamkeit
Lamartines verspottet, die über Abälard und Heloise solche Katarakte von
Thränen vergossen hat. Dann spüren die Reisenden verschiedene Sorten von
Ladenschwindel aus, zum Beispiel folgenden:

"Häusig sehen wir ein Schild, welches besagte: Alle Arten amerikanischer
Getränke werden hier kunstgerecht zubereitet. Wir verschafften uns die Dienste
eines in der Nomenklatur des amerikanischen Schenktisches bewanderten Herrn
und rückten den Arbeiten eines dieser Betrüger auf den Leib. Ein weiß
beschürzter Franzose voller Bücklinge tänzelte auf uns zu und sagte: (Zuv
vvulen Jos Nossivurs? Ich weiß nicht, was das heißt, aber so lautete seine
Bemerkung. -- Unser General sagte: Wir wollen einen Whiskey-Straight
haben. -- Der Franzose machte große Augen. -- Gut, wenn Sie nicht wissen,
was das ist, so geben Sie uns einen Champagner-Cocktail. -- Große Augen
und Achselzucken. -- Nun, dann lassen Sie uns einen Sherry-Cobbler haben.
-- Der Franzmann war matt gesetzt. Das war Alles Griechisch für ihn. --
Nun, dann einen Brandy-Smash her! -- Der Franzose begann sich zurück¬
zuziehen, ängstlich geworden durch die ominös starke Betonung des letzten
Befehles; er zuckte die Achseln und breitete die Hände aus, wie wenn er sich
entschuldigen wollte. Der General folgte ihm und gewann einen vollständigen
Sieg. Der unerzogene Fremdling konnte uns nicht einmal einen Santa-
Cruz-Punsch, einen Eye-Opemer, einen Stone-Ferne oder ein Earthquake liefern.
Es war klar, es war ein ruchloser Betrüger."

Im folgenden Abschnitte sehen wir die Arglosen in Genua und dann in
Mailand. Wir können die vielen hübschen Bemerkungen, komischen Situa¬
tionen und saubern Carricaturen, die sich auch in diesem Capitel finden, nicht
alle nennen, geschweige denn ganz mittheilen. Wir begnügen uns, die Ver¬
spottung gewisser Kunstfreunde theilweise abzudrucken, zu welcher Leonardo's
berühmtes Abendmahl unserm Humoristen Gelegenheit giebt. Dieses Bild
ist bekanntlich arg von der Zeit mitgenommen, nach allen Richtungen hin
zerstoßen und bekritzelt und mit Rissen und Flecken bedeckt; die Farben der
Gewänder sind erblichen, die Gesichter haben sich zum Theil geschält, und fast
aller Ausdruck ist von ihnen verschwunden, das Haar ist ein nichts sagender
Klex auf der Wand; und es ist kein Leben in den Augen. Nun aber kommen
von allen Welttheilen Leute hierher und rühmen das Meisterwerk. Mark
Twain sagt von diesen Enthusiasten:

"Wie verzückt stehen sie da mit verhaltenem Athem und geöffneten Lippen
und wenn sie sprechen, geschieht es nur in den hastigen Ausrufen einer hin-


bekommen, und unsere einzige kümmerliche kleine Genugthuung bestand in
dem Gedanken, daß Ferguson uns nicht ein ein einziges seidnes Kleid
verkauft hatte."

Im nächsten Kapitel wird u. A. sehr ergötzlich die Empfindsamkeit
Lamartines verspottet, die über Abälard und Heloise solche Katarakte von
Thränen vergossen hat. Dann spüren die Reisenden verschiedene Sorten von
Ladenschwindel aus, zum Beispiel folgenden:

„Häusig sehen wir ein Schild, welches besagte: Alle Arten amerikanischer
Getränke werden hier kunstgerecht zubereitet. Wir verschafften uns die Dienste
eines in der Nomenklatur des amerikanischen Schenktisches bewanderten Herrn
und rückten den Arbeiten eines dieser Betrüger auf den Leib. Ein weiß
beschürzter Franzose voller Bücklinge tänzelte auf uns zu und sagte: (Zuv
vvulen Jos Nossivurs? Ich weiß nicht, was das heißt, aber so lautete seine
Bemerkung. — Unser General sagte: Wir wollen einen Whiskey-Straight
haben. — Der Franzose machte große Augen. — Gut, wenn Sie nicht wissen,
was das ist, so geben Sie uns einen Champagner-Cocktail. — Große Augen
und Achselzucken. — Nun, dann lassen Sie uns einen Sherry-Cobbler haben.
— Der Franzmann war matt gesetzt. Das war Alles Griechisch für ihn. —
Nun, dann einen Brandy-Smash her! — Der Franzose begann sich zurück¬
zuziehen, ängstlich geworden durch die ominös starke Betonung des letzten
Befehles; er zuckte die Achseln und breitete die Hände aus, wie wenn er sich
entschuldigen wollte. Der General folgte ihm und gewann einen vollständigen
Sieg. Der unerzogene Fremdling konnte uns nicht einmal einen Santa-
Cruz-Punsch, einen Eye-Opemer, einen Stone-Ferne oder ein Earthquake liefern.
Es war klar, es war ein ruchloser Betrüger."

Im folgenden Abschnitte sehen wir die Arglosen in Genua und dann in
Mailand. Wir können die vielen hübschen Bemerkungen, komischen Situa¬
tionen und saubern Carricaturen, die sich auch in diesem Capitel finden, nicht
alle nennen, geschweige denn ganz mittheilen. Wir begnügen uns, die Ver¬
spottung gewisser Kunstfreunde theilweise abzudrucken, zu welcher Leonardo's
berühmtes Abendmahl unserm Humoristen Gelegenheit giebt. Dieses Bild
ist bekanntlich arg von der Zeit mitgenommen, nach allen Richtungen hin
zerstoßen und bekritzelt und mit Rissen und Flecken bedeckt; die Farben der
Gewänder sind erblichen, die Gesichter haben sich zum Theil geschält, und fast
aller Ausdruck ist von ihnen verschwunden, das Haar ist ein nichts sagender
Klex auf der Wand; und es ist kein Leben in den Augen. Nun aber kommen
von allen Welttheilen Leute hierher und rühmen das Meisterwerk. Mark
Twain sagt von diesen Enthusiasten:

„Wie verzückt stehen sie da mit verhaltenem Athem und geöffneten Lippen
und wenn sie sprechen, geschieht es nur in den hastigen Ausrufen einer hin-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/228>, abgerufen am 16.06.2024.