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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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könnte das noch auf meinem Todtenvette als Wahrheit behaupten, und als
Beweis, daß der Fall nicht selten vorkommt, theile ich mit, daß sie da ein
Ding, Feuerspritze genannt, haben, welches große Ströme von Wasser
ausspeit und Tag und Nacht bereit gehalten wird, um nach Häusern eilen
zu können, die brennen. Ihr würdet nun meinen, eine Spritze wäre, genügend,
aber manche große Städte haben ihrer hundert, sie halten gemiethete Leute
und bezahlen sie monateweise, damit sie nichts weiter thun als Feuer
löschen. Für eine gewisse Summe würden andere Leute auch versichern, daß
euer Haus nicht niederbrennte, und wenn es doch niederbrennte, würden sie
euch dafür bezahlen. Es giebt dort Hunderte und tausende von Schulen, und
jedermann kann hinein gehen und lernen, klug zu sein wie ein Pfaffe. Wenn
in diesem wunderlichen Lande ein reicher Mann als Sünder stirbt, so
wird er verdammt, er kann sich die Seligkeit nicht mit Bezahlung für Messen
erkaufen. Es hat dort wirklich nicht viel Nutzen, reich zu sein. Nicht viel Nutzen,
was die jenseitige Welt angeht, aber viel, sehr viel Nutzen, was die diesseitige
betrifft, weil dort ein Mann, wenn er reich ist, sehr hoch geehrt wird und
Gesetzgeber, Gouverneur, General, Senator werden kann, gleichviel was für
ein dummer Esel er ist, ganz wie in unserm geliebten Italien die Adeligen
alle hohen Stellen innehaben, obwohl sie zuweilen geborne adelige Einfalts¬
pinsel sind. Dort geben sie einem Menschen, wenn er reich ist, kostbare Ge¬
schenke, bitten ihn zu Schmäusen, laden ihn ein, zusammengesetzte Getränke
zu trinken; ist er aber arm und verschuldet, so fordern sie ihn zu dem auf,
was sie Blechen nennen. Die Weiber legen jeden Tag verschiedene Kleider
an. Der Anzug ist gewöhnlich von feinem Stoff, aber von abgeschmackter
Form. Schnitt und Mode desselben ändern sich in hundert Jahren zwei
Mal, und befürchtete ich nicht, ein maßloser Verdreher der Thatsachen genannt
zu werden, so würde ich sagen, sie änderten sich sogar noch häufiger. Haar
wächst auf den Köpfen der amerikanischen Weiber nicht, es wird von geschickten
Arbeitern in den Läden für sie angefertigt und in Aergerniß gebende und
gottlose Formen gelockt und gekräuselt. Manche Leute tragen Augen von
Glas auf der Nase oder an einer Schnur vor der Brust, durch welche sie
vielleicht ganz bequem sehen, weil sie sich ihrer sonst nicht bedienen würden,
und in dem Munde einiger von ihnen befinden sich Zähne, die von ruchloser
Menschenhand gemacht sind. Der Anzug der Männer ist lächerlich komisch:
sie tragen für gewöhnlich keine Flinte, auch keine zugespitzte Stange, sie
tragen keinen weiten grüngefütterten Mantel, keinen spitzen schwarzen Filzhut,
keine bis an die Knie reichenden Ledergamaschen, keine Kniehosen von Ziegen¬
leder, an denen die rauhe Seite nach außen gekehrt ist, keine plumpen mit
dicken Nägeln beschlagenen Schuhe und keine ungeheuren Sporen. Sie
tragen einen kugelförmigen Hut, Ofenrohr genannt, einen Rock vom dunkelsten


könnte das noch auf meinem Todtenvette als Wahrheit behaupten, und als
Beweis, daß der Fall nicht selten vorkommt, theile ich mit, daß sie da ein
Ding, Feuerspritze genannt, haben, welches große Ströme von Wasser
ausspeit und Tag und Nacht bereit gehalten wird, um nach Häusern eilen
zu können, die brennen. Ihr würdet nun meinen, eine Spritze wäre, genügend,
aber manche große Städte haben ihrer hundert, sie halten gemiethete Leute
und bezahlen sie monateweise, damit sie nichts weiter thun als Feuer
löschen. Für eine gewisse Summe würden andere Leute auch versichern, daß
euer Haus nicht niederbrennte, und wenn es doch niederbrennte, würden sie
euch dafür bezahlen. Es giebt dort Hunderte und tausende von Schulen, und
jedermann kann hinein gehen und lernen, klug zu sein wie ein Pfaffe. Wenn
in diesem wunderlichen Lande ein reicher Mann als Sünder stirbt, so
wird er verdammt, er kann sich die Seligkeit nicht mit Bezahlung für Messen
erkaufen. Es hat dort wirklich nicht viel Nutzen, reich zu sein. Nicht viel Nutzen,
was die jenseitige Welt angeht, aber viel, sehr viel Nutzen, was die diesseitige
betrifft, weil dort ein Mann, wenn er reich ist, sehr hoch geehrt wird und
Gesetzgeber, Gouverneur, General, Senator werden kann, gleichviel was für
ein dummer Esel er ist, ganz wie in unserm geliebten Italien die Adeligen
alle hohen Stellen innehaben, obwohl sie zuweilen geborne adelige Einfalts¬
pinsel sind. Dort geben sie einem Menschen, wenn er reich ist, kostbare Ge¬
schenke, bitten ihn zu Schmäusen, laden ihn ein, zusammengesetzte Getränke
zu trinken; ist er aber arm und verschuldet, so fordern sie ihn zu dem auf,
was sie Blechen nennen. Die Weiber legen jeden Tag verschiedene Kleider
an. Der Anzug ist gewöhnlich von feinem Stoff, aber von abgeschmackter
Form. Schnitt und Mode desselben ändern sich in hundert Jahren zwei
Mal, und befürchtete ich nicht, ein maßloser Verdreher der Thatsachen genannt
zu werden, so würde ich sagen, sie änderten sich sogar noch häufiger. Haar
wächst auf den Köpfen der amerikanischen Weiber nicht, es wird von geschickten
Arbeitern in den Läden für sie angefertigt und in Aergerniß gebende und
gottlose Formen gelockt und gekräuselt. Manche Leute tragen Augen von
Glas auf der Nase oder an einer Schnur vor der Brust, durch welche sie
vielleicht ganz bequem sehen, weil sie sich ihrer sonst nicht bedienen würden,
und in dem Munde einiger von ihnen befinden sich Zähne, die von ruchloser
Menschenhand gemacht sind. Der Anzug der Männer ist lächerlich komisch:
sie tragen für gewöhnlich keine Flinte, auch keine zugespitzte Stange, sie
tragen keinen weiten grüngefütterten Mantel, keinen spitzen schwarzen Filzhut,
keine bis an die Knie reichenden Ledergamaschen, keine Kniehosen von Ziegen¬
leder, an denen die rauhe Seite nach außen gekehrt ist, keine plumpen mit
dicken Nägeln beschlagenen Schuhe und keine ungeheuren Sporen. Sie
tragen einen kugelförmigen Hut, Ofenrohr genannt, einen Rock vom dunkelsten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/232>, abgerufen am 16.06.2024.