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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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nehmen, dreiunddreißig in Steuern zu bezahlen, klagen sie, wenn sie sieben zu
entrichten haben. Es sind wunderliche Menschen. Sie wissen gar nicht, wie
gut es ihnen geht. Bettelnde Priester treiben sich nicht unter ihnen herum
mit Körben, in die sie für die Kirche sammeln, und essen ihnen nicht das
liebe Brot vor dem Munde weg. Kaum jemals steht man einen Geistlichen,
der barfuß, einen Korb am Arme, herumzieht und um Lebensmittel bittet.
In jenem Lande sind die Prediger nicht wie unsre Bettelmönche -- sie besitzen
zwei oder drei Anzüge, und sie waschen sich bisweilen.

In jenem Lande sind die Berge weit höher als das Albanergebirge, und
die großmächtig sich erstreckende römische Campagna. hundert Meilen lang
und ganze vierzig breit, ist wirklich klein, wenn man sie mit den Bereinigten
Staaten von Amerika vergleicht. Der Tiber, unser berühmter Fluß, der seinen
gewaltigen Lauf fast zweihundert Meilen ausdehnt, und über welchen ein
Junge kaum einen Stein nach Rom werfen kann, ist nicht so lang noch auch
so breit wie der amerikanische Mississippi oder der Ohio oder auch nur der
Hudson. In Amerika sind die Leute unbedingt klüger und wissen viel mehr
als ihre Großväter. Sie pflügen nicht mit einem zugespitzten Stocke oder
einem dreieckigen Holzklötze, der nur die Oberfläche des Bodens ritzt. Wir
thun das, weil es unsre Väter vermuthlich vor dreitausend Jahren so machten.
Aber diese Leute haben keine fromme Hochachtung vor ihren Vorfahren. Sie
pflügen mit einem Pfluge, der eine scharfe, gekrümmte Eisenklinge ist. Er
schneidet ganze fünf Zoll in die Erde hinein. Und das ist noch nicht Alles.
Sie mähen ihr Getreide mit einer gräßlichen Maschine, die ganze Felder in
einem Tage abschneidet. Wenn ich mir's getraute, so wollte ich sagen, daß
sie sich bisweilen eines höllischen Pflugs bedienen, der mit Feuer und Dampf
arbeitet und einen ganzen Morgen in einer einzigen Stunde aufreißt. -- Aber
-- aber -- ich sehe an euren Mienen, daß ihr die Dinge, die ich euch erzähle,
nicht glaubt. Ach, mein guter Ruf ist zu Grunde gerichtet, und ich bin
gebrandmarkt als ein Mensch, der Unwahrheiten redet."

Wir schließen die Reihe unsrer Proben, indem wir einen Theil der
komischen Einfälle mittheilen, die unser Autor vor dem Colosseum entwickelt.

"In Amerika machen wir Verbrecher zugleich nützlich, indem wir sie für
ihre Verbrechen bestrafen. Wir vermiethen sie zu Farmersknechten und zwingen
sie. dem Staate durch Anfertigung von Fässern und Straßenbau Geld zu
verdienen. So verbinden wir das Geschäft mit der Vergeltung, und Alles
ist in schönster Ordnung. Aber im Alterthum verbanden sie die religiöse
Pflicht mit dem Vergnügen. Da es nothwendig war, die neue Secte, die sich
Christen nannte, auszurotten, so hielt das Volk es für klug, diese Arbeit
zugleich das Publicum unterhalten zu lassen. Als Zugabe zu den Gladia¬
torenkämpfen und andern Schaustellungen warf man zuweilen Mitglieder


nehmen, dreiunddreißig in Steuern zu bezahlen, klagen sie, wenn sie sieben zu
entrichten haben. Es sind wunderliche Menschen. Sie wissen gar nicht, wie
gut es ihnen geht. Bettelnde Priester treiben sich nicht unter ihnen herum
mit Körben, in die sie für die Kirche sammeln, und essen ihnen nicht das
liebe Brot vor dem Munde weg. Kaum jemals steht man einen Geistlichen,
der barfuß, einen Korb am Arme, herumzieht und um Lebensmittel bittet.
In jenem Lande sind die Prediger nicht wie unsre Bettelmönche — sie besitzen
zwei oder drei Anzüge, und sie waschen sich bisweilen.

In jenem Lande sind die Berge weit höher als das Albanergebirge, und
die großmächtig sich erstreckende römische Campagna. hundert Meilen lang
und ganze vierzig breit, ist wirklich klein, wenn man sie mit den Bereinigten
Staaten von Amerika vergleicht. Der Tiber, unser berühmter Fluß, der seinen
gewaltigen Lauf fast zweihundert Meilen ausdehnt, und über welchen ein
Junge kaum einen Stein nach Rom werfen kann, ist nicht so lang noch auch
so breit wie der amerikanische Mississippi oder der Ohio oder auch nur der
Hudson. In Amerika sind die Leute unbedingt klüger und wissen viel mehr
als ihre Großväter. Sie pflügen nicht mit einem zugespitzten Stocke oder
einem dreieckigen Holzklötze, der nur die Oberfläche des Bodens ritzt. Wir
thun das, weil es unsre Väter vermuthlich vor dreitausend Jahren so machten.
Aber diese Leute haben keine fromme Hochachtung vor ihren Vorfahren. Sie
pflügen mit einem Pfluge, der eine scharfe, gekrümmte Eisenklinge ist. Er
schneidet ganze fünf Zoll in die Erde hinein. Und das ist noch nicht Alles.
Sie mähen ihr Getreide mit einer gräßlichen Maschine, die ganze Felder in
einem Tage abschneidet. Wenn ich mir's getraute, so wollte ich sagen, daß
sie sich bisweilen eines höllischen Pflugs bedienen, der mit Feuer und Dampf
arbeitet und einen ganzen Morgen in einer einzigen Stunde aufreißt. — Aber
— aber — ich sehe an euren Mienen, daß ihr die Dinge, die ich euch erzähle,
nicht glaubt. Ach, mein guter Ruf ist zu Grunde gerichtet, und ich bin
gebrandmarkt als ein Mensch, der Unwahrheiten redet."

Wir schließen die Reihe unsrer Proben, indem wir einen Theil der
komischen Einfälle mittheilen, die unser Autor vor dem Colosseum entwickelt.

„In Amerika machen wir Verbrecher zugleich nützlich, indem wir sie für
ihre Verbrechen bestrafen. Wir vermiethen sie zu Farmersknechten und zwingen
sie. dem Staate durch Anfertigung von Fässern und Straßenbau Geld zu
verdienen. So verbinden wir das Geschäft mit der Vergeltung, und Alles
ist in schönster Ordnung. Aber im Alterthum verbanden sie die religiöse
Pflicht mit dem Vergnügen. Da es nothwendig war, die neue Secte, die sich
Christen nannte, auszurotten, so hielt das Volk es für klug, diese Arbeit
zugleich das Publicum unterhalten zu lassen. Als Zugabe zu den Gladia¬
torenkämpfen und andern Schaustellungen warf man zuweilen Mitglieder


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/234>, abgerufen am 16.06.2024.