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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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mit herzlichem Beifall aufgenommen. Er verstand sich nicht recht auf den
Hieb mit verkehrter Hand, aber es that seinen zahlreichen Freunden wohl,
zu erkennen, daß er mit der Zeit über diesen Mangel hinwegkommen würde.
Er wurde indeß getödtet. Seine Schwestern, die zugegen waren, drückten
beträchtliche Betrübniß aus. Der andere junge Mann setzte den Kampf
mit solchem Feuer fort, daß begeisterte Beifallsrufe losbrachen.

Als er zuletzt entseelt zusammenbrach, lief seine betagte Mutter kreischend,
mit aufgelösten Haaren und von Thränen strömenden Augen umher und fiel
in Ohnmacht, gerade als ihre Hände das Geländer der Arena erfaßten. Sie
wurde sofort von der Polizei weggebracht. Unter diesen Umständen war das
Betragen der Frau vielleicht verzeihlich; aber wir möchten doch zu bedenken
geben, daß solche Auftritte gegen das Decorum verstoßen, welches während
der Vorstellungen gewahrt bleiben sollte. Der Parther focht tapfer und ge¬
schickt. Seine Frau und seine Kinder waren da, um seine Arme mit der
Liebe zu ihnen zu stahlen und ihn an die alte Heimath zu erinnern, die er
wiedersehen sollte, wenn er die Oberhand behielt. Als sein zweiter Angreifer
fiel, drückte das Weib die Kinder an die Brust und weinte vor Freude.
Aber es war nur ein vorübergehendes Glück. Der Gefangne taumelte auf
sie zu, und sie sah, daß er tödtlich verwundet war. So schloß der erste Act
in einer Weise, die höchlich zufrieden stellte. Der Director wurde vor den
Vorhang gerufen und sprach seinen Dank für die ihm widerfahrene Ehre in
einer Rede aus, die voll Witz und Humor war und mit der Hoffnung schloß,
daß seine bescheidenen Versuche, heitere und lehrreiche Unterhaltung zu gewähren,
auch ferner der Billigung des römischen Publikums begegnen würden.

Jetzt erschien der Stern des Abends, empfangen von lautschallenden
Beifall und dem gleichzeitigen Wedeln von sechzigtausend Taschentüchern.
Marcus Marcellus Valerian (sein Bühnenname, eigentlich heißt er Schmidt)
ist ein prächtiges Beispiel physischer Ausbildung und ein Künstler von seltnem
Verdienst. Seine Handhabung der Streitaxt ist wundervoll. Seine Heiterkeit
und Spaßhaftigkeit sind unwiderstehlich in seinen komischen Rollen, und doch
treten sie hinter der erhabnen Auffassung derjenigen zurück, in denen er das
ernste Bereich der Tragödie betritt. Als seine Axt um die Köpfe der ver¬
blüfften Barbaren feurige Kreise beschrieb, genau im Takte mit seinem auf¬
springenden Körper und seinen vorwärts schnellenden Beinen, überließ sich
die Zuschauermasse Ausbrüchen eines nicht zu bändigenden Lachens; aber als
der Rücken seiner Axt dem Einen den Schädel einschlug und fast im selben
Augenblick ihre Schneide den Körper des Andern entzwei spaltete, war das
Geheul begeisterten Beifalls, welches das Haus erschütterte, die Anerkennung
einer kritischen Versammlung, daß er Meister in der edelsten Abtheilung seines
Berufes sei. Wenn er einen Fehler hat. so ist es der, daß er mitten in den


mit herzlichem Beifall aufgenommen. Er verstand sich nicht recht auf den
Hieb mit verkehrter Hand, aber es that seinen zahlreichen Freunden wohl,
zu erkennen, daß er mit der Zeit über diesen Mangel hinwegkommen würde.
Er wurde indeß getödtet. Seine Schwestern, die zugegen waren, drückten
beträchtliche Betrübniß aus. Der andere junge Mann setzte den Kampf
mit solchem Feuer fort, daß begeisterte Beifallsrufe losbrachen.

Als er zuletzt entseelt zusammenbrach, lief seine betagte Mutter kreischend,
mit aufgelösten Haaren und von Thränen strömenden Augen umher und fiel
in Ohnmacht, gerade als ihre Hände das Geländer der Arena erfaßten. Sie
wurde sofort von der Polizei weggebracht. Unter diesen Umständen war das
Betragen der Frau vielleicht verzeihlich; aber wir möchten doch zu bedenken
geben, daß solche Auftritte gegen das Decorum verstoßen, welches während
der Vorstellungen gewahrt bleiben sollte. Der Parther focht tapfer und ge¬
schickt. Seine Frau und seine Kinder waren da, um seine Arme mit der
Liebe zu ihnen zu stahlen und ihn an die alte Heimath zu erinnern, die er
wiedersehen sollte, wenn er die Oberhand behielt. Als sein zweiter Angreifer
fiel, drückte das Weib die Kinder an die Brust und weinte vor Freude.
Aber es war nur ein vorübergehendes Glück. Der Gefangne taumelte auf
sie zu, und sie sah, daß er tödtlich verwundet war. So schloß der erste Act
in einer Weise, die höchlich zufrieden stellte. Der Director wurde vor den
Vorhang gerufen und sprach seinen Dank für die ihm widerfahrene Ehre in
einer Rede aus, die voll Witz und Humor war und mit der Hoffnung schloß,
daß seine bescheidenen Versuche, heitere und lehrreiche Unterhaltung zu gewähren,
auch ferner der Billigung des römischen Publikums begegnen würden.

Jetzt erschien der Stern des Abends, empfangen von lautschallenden
Beifall und dem gleichzeitigen Wedeln von sechzigtausend Taschentüchern.
Marcus Marcellus Valerian (sein Bühnenname, eigentlich heißt er Schmidt)
ist ein prächtiges Beispiel physischer Ausbildung und ein Künstler von seltnem
Verdienst. Seine Handhabung der Streitaxt ist wundervoll. Seine Heiterkeit
und Spaßhaftigkeit sind unwiderstehlich in seinen komischen Rollen, und doch
treten sie hinter der erhabnen Auffassung derjenigen zurück, in denen er das
ernste Bereich der Tragödie betritt. Als seine Axt um die Köpfe der ver¬
blüfften Barbaren feurige Kreise beschrieb, genau im Takte mit seinem auf¬
springenden Körper und seinen vorwärts schnellenden Beinen, überließ sich
die Zuschauermasse Ausbrüchen eines nicht zu bändigenden Lachens; aber als
der Rücken seiner Axt dem Einen den Schädel einschlug und fast im selben
Augenblick ihre Schneide den Körper des Andern entzwei spaltete, war das
Geheul begeisterten Beifalls, welches das Haus erschütterte, die Anerkennung
einer kritischen Versammlung, daß er Meister in der edelsten Abtheilung seines
Berufes sei. Wenn er einen Fehler hat. so ist es der, daß er mitten in den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/236>, abgerufen am 16.06.2024.