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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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Degen sich wieder berühren. Er studirt seinen Widersacher einen Augenblick,
indem er ihm aus die Hand sieht und durch Fühlung mit seiner Klinge seine
Absicht zu errathen sucht, dann thut er einige leichte Schläge an dessen Degen,
die je nach der Fühlung bis zu sechs steigen, worauf er mit einem mächtigen
Stoß ausfällt, wenn jener ihm nicht zuvorgekommen ist, was in der Regel
zwischen den letzten Schlägen geschieht und, wenn der Stoß geschickt geführt
ist, der Sache sofort ein vergnügtes oder unerwünschtes Ende bereitet. Wird
richtig parirt, so dauert der nun begonnene Kampf fort, und Stoß folgt
auf Stoß, Finte auf Finte zwei Minuten lang, worauf, wenn es "keinen
Blutigen" gegeben hat, die Kämpfer athemlos und schweißübergossen Halt
machen und ihre Degen, die inzwischen das Gewicht des Hauptankers eines
Panzerschiffes ersten Ranges erlangt haben, ihren Secundärem übergeben,
um auszuruhen.^ Wieder zu Athem und Kräften gekommen, beginnen sie
ihre Ausfälle und Nückwärtssprünge wie früher, bis abermals eine Ruhepause
folgt. Selten dauert ein Duell länger als acht Minuten. Häufig endigt es
nur mit einer kleinen Hautabschürfung, aus welcher der Wundarzt vermittelst
kräftigen und kunstvollen Drückens und Quetschens eine kleine Blutperle zu
Produeiren versteht. Das genügt. Der eoäs ä'Koiwöur ist ein Homöopath.
Jenes Tröpflein des bekannten "besondern Safts" reicht hin, alle Verunrei¬
nigung des Wappenschildes der beleidigten Seite abzuwischen -- "der Ehre
ist Genüge geschehen." Die Gegner drücken sich die Hände und erklären sich
mit der ausgesuchtesten Höflichkeit gegenseitig ihr tiefstes Bedauern, daß
zwischen ihnen jemals ein Mißverständniß habe stattfinden können. Zum
Schluß giebts Kaffee.

Aeußerst selten ist der Ausgang tragisch, gewöhnlich weil beide Gegner
das Handwerk nicht verstehen, bisweilen auch, weil der eine von ihnen Feig¬
heit mit Ungeschick verbindet.




Koch ein Wort zur "Iromotionsftage.

Herr Professor Mommsen hatte in den von uns in Ur. 25. d. Bl. er¬
wähnten Aufsätzen der Preuß. Jahrb. von einer Mißwirtschaft gesprochen,
die in Heidelberg, Gießen, Freiburg und Jena hinsichtlich der Doctorpro-
motionen bestehe, und namentlich von der philosophischen Facultät der letztge-


Grenzboten lit. 187K. 34

Degen sich wieder berühren. Er studirt seinen Widersacher einen Augenblick,
indem er ihm aus die Hand sieht und durch Fühlung mit seiner Klinge seine
Absicht zu errathen sucht, dann thut er einige leichte Schläge an dessen Degen,
die je nach der Fühlung bis zu sechs steigen, worauf er mit einem mächtigen
Stoß ausfällt, wenn jener ihm nicht zuvorgekommen ist, was in der Regel
zwischen den letzten Schlägen geschieht und, wenn der Stoß geschickt geführt
ist, der Sache sofort ein vergnügtes oder unerwünschtes Ende bereitet. Wird
richtig parirt, so dauert der nun begonnene Kampf fort, und Stoß folgt
auf Stoß, Finte auf Finte zwei Minuten lang, worauf, wenn es „keinen
Blutigen" gegeben hat, die Kämpfer athemlos und schweißübergossen Halt
machen und ihre Degen, die inzwischen das Gewicht des Hauptankers eines
Panzerschiffes ersten Ranges erlangt haben, ihren Secundärem übergeben,
um auszuruhen.^ Wieder zu Athem und Kräften gekommen, beginnen sie
ihre Ausfälle und Nückwärtssprünge wie früher, bis abermals eine Ruhepause
folgt. Selten dauert ein Duell länger als acht Minuten. Häufig endigt es
nur mit einer kleinen Hautabschürfung, aus welcher der Wundarzt vermittelst
kräftigen und kunstvollen Drückens und Quetschens eine kleine Blutperle zu
Produeiren versteht. Das genügt. Der eoäs ä'Koiwöur ist ein Homöopath.
Jenes Tröpflein des bekannten „besondern Safts" reicht hin, alle Verunrei¬
nigung des Wappenschildes der beleidigten Seite abzuwischen — „der Ehre
ist Genüge geschehen." Die Gegner drücken sich die Hände und erklären sich
mit der ausgesuchtesten Höflichkeit gegenseitig ihr tiefstes Bedauern, daß
zwischen ihnen jemals ein Mißverständniß habe stattfinden können. Zum
Schluß giebts Kaffee.

Aeußerst selten ist der Ausgang tragisch, gewöhnlich weil beide Gegner
das Handwerk nicht verstehen, bisweilen auch, weil der eine von ihnen Feig¬
heit mit Ungeschick verbindet.




Koch ein Wort zur "Iromotionsftage.

Herr Professor Mommsen hatte in den von uns in Ur. 25. d. Bl. er¬
wähnten Aufsätzen der Preuß. Jahrb. von einer Mißwirtschaft gesprochen,
die in Heidelberg, Gießen, Freiburg und Jena hinsichtlich der Doctorpro-
motionen bestehe, und namentlich von der philosophischen Facultät der letztge-


Grenzboten lit. 187K. 34
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[0273] Degen sich wieder berühren. Er studirt seinen Widersacher einen Augenblick, indem er ihm aus die Hand sieht und durch Fühlung mit seiner Klinge seine Absicht zu errathen sucht, dann thut er einige leichte Schläge an dessen Degen, die je nach der Fühlung bis zu sechs steigen, worauf er mit einem mächtigen Stoß ausfällt, wenn jener ihm nicht zuvorgekommen ist, was in der Regel zwischen den letzten Schlägen geschieht und, wenn der Stoß geschickt geführt ist, der Sache sofort ein vergnügtes oder unerwünschtes Ende bereitet. Wird richtig parirt, so dauert der nun begonnene Kampf fort, und Stoß folgt auf Stoß, Finte auf Finte zwei Minuten lang, worauf, wenn es „keinen Blutigen" gegeben hat, die Kämpfer athemlos und schweißübergossen Halt machen und ihre Degen, die inzwischen das Gewicht des Hauptankers eines Panzerschiffes ersten Ranges erlangt haben, ihren Secundärem übergeben, um auszuruhen.^ Wieder zu Athem und Kräften gekommen, beginnen sie ihre Ausfälle und Nückwärtssprünge wie früher, bis abermals eine Ruhepause folgt. Selten dauert ein Duell länger als acht Minuten. Häufig endigt es nur mit einer kleinen Hautabschürfung, aus welcher der Wundarzt vermittelst kräftigen und kunstvollen Drückens und Quetschens eine kleine Blutperle zu Produeiren versteht. Das genügt. Der eoäs ä'Koiwöur ist ein Homöopath. Jenes Tröpflein des bekannten „besondern Safts" reicht hin, alle Verunrei¬ nigung des Wappenschildes der beleidigten Seite abzuwischen — „der Ehre ist Genüge geschehen." Die Gegner drücken sich die Hände und erklären sich mit der ausgesuchtesten Höflichkeit gegenseitig ihr tiefstes Bedauern, daß zwischen ihnen jemals ein Mißverständniß habe stattfinden können. Zum Schluß giebts Kaffee. Aeußerst selten ist der Ausgang tragisch, gewöhnlich weil beide Gegner das Handwerk nicht verstehen, bisweilen auch, weil der eine von ihnen Feig¬ heit mit Ungeschick verbindet. Koch ein Wort zur "Iromotionsftage. Herr Professor Mommsen hatte in den von uns in Ur. 25. d. Bl. er¬ wähnten Aufsätzen der Preuß. Jahrb. von einer Mißwirtschaft gesprochen, die in Heidelberg, Gießen, Freiburg und Jena hinsichtlich der Doctorpro- motionen bestehe, und namentlich von der philosophischen Facultät der letztge- Grenzboten lit. 187K. 34

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/273>, abgerufen am 30.04.2024.