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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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gedankt wird, solche Unternehmungen wider die Unterdrücker der Waldstätte
gethan, durch die dem Vaterlande Bortheil erwachsen." Die Geschichte dieser
Fälschung aber ist nach Rochholz folgende:

"Der Berner Pfarrer Uriel Freudenberger hatte über die historischen
Schwächen der Tellengeschichte einen kleinen Aufsatz verfaßt und denselben
1752 durch seine Freunde in der katholischen Schweiz (Haller und den Lu¬
zerner Staatsmann Felix v. Balthasar) dem Urner Pfarrvikar Johannes
Jmhoff zu Schaddorf unter dem gutmüthig lautenden, aber ironisch gemeinten
Ansinnen in die Hand spielen lassen, man möge den geschichtlich unbe¬
wanderten Opponenten mittelst der in Uri so reichlich vorhandenen Tellen-
urkunden kurzweg widerlegen. Die Intrigue war richtig vorberechnet; denn
die erhellten Documente waren wirklich auch in Uri so wenig vorhanden,
daß Jmhoff erst sieben Jahre nachher eine Reihe inzwischen aufgesammelter
Schriftstücke zu übersenden vermochte, welche sich auf den ersten Blick als
höchst abenteuerliche und erfolglose Bagatellen erwiesen. Sogleich auf diese
nichtigen Papiere hin veröffentlichte Freudenberger seine Brochüre "Suillaumö
toll f^bis vavoise" (1760). Sie mußte ebenso rasch in mehrern Cantonen
obrigkeitlich confiscire und verbrannt, ja durch dieselben Männer öffentlich
widerlegt werden, durch deren Hand vorher jener Schriftenaustausch nach und
von Uri gegangen war. Nun aber fielen diese neuesten Apologeten Teils
ernstlich und zwangsweise in diejenige Rolle zurück, welche Freudenberger vor-,
her nur scherzhaft gespielt hatte; denn auch sie suchten, um die "?a.d1ö
Ds-noise" zu widerlegen, in Uri alsbald weiter nach beweisenden Documen-
ten und erhielten solche ebenfalls zugeschickt, aber siehe da, dieselben waren
nicht weniger Träume und Fälschungen, als die vorher von Jmhoff über¬
sandten." Sie ließen die, welche sie in gutem Glauben benutzten, krassen Un¬
sinn als schlagende Beweismittel behandeln, wie dies namentlich v. Balthasar
Passirte, als er in seiner "Schutzschrift für Wilhelm Teil" das Zeugniß der
sogenannten Klingenberger Chronik anrief, indem er sagte: "Der verstorbene
Herr Landamman Püntener (aus Uri) hat emsig verschiedene Archive durch¬
sucht, um die Beweise für das Dasein Teils aufzufinden, und fand unter
Anderem in einer alten Klingenberger Chronik folgende Worte: ^Villielmus
l'eUo, Urlmiensis libortatis MoxuANAwi-, cum suis liberis (?uni<zlmo et.
^valtero, natu ninno, vixit anno 1307. ZHus LtWimu, romana extinetum
^t> z?uit xost delli Huietem nez^ruf in LurZIg, eeelesias Idurieensis
>>urs, se ^WÄtnero (!) ?urstü ad ^ttiugknusa,, hin ant.esigng.ol, Mner
^Megius; uteryus in bello Norgartensi Milo 131S." (Wilhelm Tell, der
Vorkämpfer der Freiheit Aris, hat mit seinen Söhnen Wilhelm und Walther
'^ Jahre 1307 gelebt. Sein Stamm ist noch nicht erloschen. Nachdem auf
den Krieg Ruhe gefolgt war, wurde er Verwalter zu Burglen für die Kirche


Grenzboten IV. 187ki. 18

gedankt wird, solche Unternehmungen wider die Unterdrücker der Waldstätte
gethan, durch die dem Vaterlande Bortheil erwachsen." Die Geschichte dieser
Fälschung aber ist nach Rochholz folgende:

„Der Berner Pfarrer Uriel Freudenberger hatte über die historischen
Schwächen der Tellengeschichte einen kleinen Aufsatz verfaßt und denselben
1752 durch seine Freunde in der katholischen Schweiz (Haller und den Lu¬
zerner Staatsmann Felix v. Balthasar) dem Urner Pfarrvikar Johannes
Jmhoff zu Schaddorf unter dem gutmüthig lautenden, aber ironisch gemeinten
Ansinnen in die Hand spielen lassen, man möge den geschichtlich unbe¬
wanderten Opponenten mittelst der in Uri so reichlich vorhandenen Tellen-
urkunden kurzweg widerlegen. Die Intrigue war richtig vorberechnet; denn
die erhellten Documente waren wirklich auch in Uri so wenig vorhanden,
daß Jmhoff erst sieben Jahre nachher eine Reihe inzwischen aufgesammelter
Schriftstücke zu übersenden vermochte, welche sich auf den ersten Blick als
höchst abenteuerliche und erfolglose Bagatellen erwiesen. Sogleich auf diese
nichtigen Papiere hin veröffentlichte Freudenberger seine Brochüre „Suillaumö
toll f^bis vavoise" (1760). Sie mußte ebenso rasch in mehrern Cantonen
obrigkeitlich confiscire und verbrannt, ja durch dieselben Männer öffentlich
widerlegt werden, durch deren Hand vorher jener Schriftenaustausch nach und
von Uri gegangen war. Nun aber fielen diese neuesten Apologeten Teils
ernstlich und zwangsweise in diejenige Rolle zurück, welche Freudenberger vor-,
her nur scherzhaft gespielt hatte; denn auch sie suchten, um die „?a.d1ö
Ds-noise" zu widerlegen, in Uri alsbald weiter nach beweisenden Documen-
ten und erhielten solche ebenfalls zugeschickt, aber siehe da, dieselben waren
nicht weniger Träume und Fälschungen, als die vorher von Jmhoff über¬
sandten." Sie ließen die, welche sie in gutem Glauben benutzten, krassen Un¬
sinn als schlagende Beweismittel behandeln, wie dies namentlich v. Balthasar
Passirte, als er in seiner „Schutzschrift für Wilhelm Teil" das Zeugniß der
sogenannten Klingenberger Chronik anrief, indem er sagte: „Der verstorbene
Herr Landamman Püntener (aus Uri) hat emsig verschiedene Archive durch¬
sucht, um die Beweise für das Dasein Teils aufzufinden, und fand unter
Anderem in einer alten Klingenberger Chronik folgende Worte: ^Villielmus
l'eUo, Urlmiensis libortatis MoxuANAwi-, cum suis liberis (?uni<zlmo et.
^valtero, natu ninno, vixit anno 1307. ZHus LtWimu, romana extinetum
^t> z?uit xost delli Huietem nez^ruf in LurZIg, eeelesias Idurieensis
>>urs, se ^WÄtnero (!) ?urstü ad ^ttiugknusa,, hin ant.esigng.ol, Mner
^Megius; uteryus in bello Norgartensi Milo 131S." (Wilhelm Tell, der
Vorkämpfer der Freiheit Aris, hat mit seinen Söhnen Wilhelm und Walther
'^ Jahre 1307 gelebt. Sein Stamm ist noch nicht erloschen. Nachdem auf
den Krieg Ruhe gefolgt war, wurde er Verwalter zu Burglen für die Kirche


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/141>, abgerufen am 31.05.2024.