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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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zu Zürich und berühmter Schwiegersohn von Walther Fürst von Atting-
hausen, seinem Rottenführer. Beide haben an dem Kriege zu Morgarten
theilgenommen im Jahre 1315. -- Dieser Satz ist die Quelle jener Bericht¬
erstattung, mit welcher die obengenannte Pförtnerin auf der Bürglener
Thurmruine die Fremden zu empfangen pflegte.

"So viele Angaben diese Stelle macht", sagt Rochholz hierzu, ebenso
viele Zeugnisse plumper Unwissenheit trägt sie zur Schau. Allerdings war
das Bürglener Meieramt ein Lehen der Aebtisstn des Züricher Frauenmün-
sterstiftes, aber keine einzige der Züricher Schriften, die über dieses Bürglener
Patronatsrecht handeln, kennt einen Meier Namens Tell; erstlich einen "Meyerus"
nicht, weil ein solcher in der Amtssprache des Züricherstists stabil und aus¬
schließlich "villleus" betitelt war, und sodann einen Tell nicht, da dieser
Personenname selbst in den vier Archiven und in sämmtlichen Ehe-, Tauf¬
und Todtenbüchern der Urkantone gleichfalls mit keiner Sylbe zu finden,
ist. Auch würde die Textstelle "eeelLsig, tnnriesnsis", wenn sie echt sein
sollte, zu lauten haben "monastörium gMg.lig.L tliuriesnsis". Besonders
aber ist das "Hus stemma, nonclum extinewm sse" im Munde eines gleich'
zeitigen Schriftstellers ein Widersinn und weist auf eine Zeit hin, wo die
Urner Näki sich Takt nannten, aber schon dem Aussterben nahe waren."
Woher nahm aber Püntener die ganze lateinische Stelle? Aus der
Klingenverger Chronik kann er sie nicht abgeschrieben haben; denn erstens
ist das Sammelwerk, welchem man fälschlich den Namen einer Chronik der
Thurgauer Edeln von Klingenberg beigelegt hat, deutsch abgefaßt, und ander¬
seits ist es eine Züricher Stadtgeschichte, die im österreichischen Interesse ge¬
schrieben ist, schon aus diesem Grunde von einem "Vorkämpfer der Freiheit
Uri's" nichts enthalten kann und in der That auch, wie der von Anton
Henne besorgte Abdruck jetzt bezeugt, den Namen Teils. des Befreiers,
nirgends erwähnt. Püntener muß also sein Citat in einer ähnlich beschaffne^
auf die Klingenbergische sich berufenden Chronik gefunden haben, und unsere
Schrift weist nach, daß dies diejenige seines Ahnen Johann Püntiner ge'
wesen ist. Letzterer, der in den Jahren 1441 bis 1468 abwechselnd ^s
Landesstatthalter und Landammann zu Uri in der Regierung gestanden,
alten Zürichkrieg mitgemacht und dabei eine Wunde davon getragen ha^'
war der Verfasser einer "LKronieg, wiseellg,", welche 1799 beim Brande des
Fleckens Altorf ein Raub der Flammen geworden sein soll. Obwohl die'
selbe also nicht mehr existirt. kennt man sie doch nach ihrem Inhalte
Genüge, theils durch ältere Chronisten, welche gemeinsam aus ihr geschöpl
haben, ohne sie zu nennen, theils durch die neueren Geschichtsschreiber d
Urkantone, denen sie noch vorlag und zu Auszügen diente. Sie alle ^
weisen, daß ihr Original eine fabelhafte Geschichte der Urzeit enthalten ha-


zu Zürich und berühmter Schwiegersohn von Walther Fürst von Atting-
hausen, seinem Rottenführer. Beide haben an dem Kriege zu Morgarten
theilgenommen im Jahre 1315. — Dieser Satz ist die Quelle jener Bericht¬
erstattung, mit welcher die obengenannte Pförtnerin auf der Bürglener
Thurmruine die Fremden zu empfangen pflegte.

„So viele Angaben diese Stelle macht", sagt Rochholz hierzu, ebenso
viele Zeugnisse plumper Unwissenheit trägt sie zur Schau. Allerdings war
das Bürglener Meieramt ein Lehen der Aebtisstn des Züricher Frauenmün-
sterstiftes, aber keine einzige der Züricher Schriften, die über dieses Bürglener
Patronatsrecht handeln, kennt einen Meier Namens Tell; erstlich einen „Meyerus"
nicht, weil ein solcher in der Amtssprache des Züricherstists stabil und aus¬
schließlich „villleus" betitelt war, und sodann einen Tell nicht, da dieser
Personenname selbst in den vier Archiven und in sämmtlichen Ehe-, Tauf¬
und Todtenbüchern der Urkantone gleichfalls mit keiner Sylbe zu finden,
ist. Auch würde die Textstelle „eeelLsig, tnnriesnsis", wenn sie echt sein
sollte, zu lauten haben „monastörium gMg.lig.L tliuriesnsis". Besonders
aber ist das „Hus stemma, nonclum extinewm sse" im Munde eines gleich'
zeitigen Schriftstellers ein Widersinn und weist auf eine Zeit hin, wo die
Urner Näki sich Takt nannten, aber schon dem Aussterben nahe waren."
Woher nahm aber Püntener die ganze lateinische Stelle? Aus der
Klingenverger Chronik kann er sie nicht abgeschrieben haben; denn erstens
ist das Sammelwerk, welchem man fälschlich den Namen einer Chronik der
Thurgauer Edeln von Klingenberg beigelegt hat, deutsch abgefaßt, und ander¬
seits ist es eine Züricher Stadtgeschichte, die im österreichischen Interesse ge¬
schrieben ist, schon aus diesem Grunde von einem „Vorkämpfer der Freiheit
Uri's" nichts enthalten kann und in der That auch, wie der von Anton
Henne besorgte Abdruck jetzt bezeugt, den Namen Teils. des Befreiers,
nirgends erwähnt. Püntener muß also sein Citat in einer ähnlich beschaffne^
auf die Klingenbergische sich berufenden Chronik gefunden haben, und unsere
Schrift weist nach, daß dies diejenige seines Ahnen Johann Püntiner ge'
wesen ist. Letzterer, der in den Jahren 1441 bis 1468 abwechselnd ^s
Landesstatthalter und Landammann zu Uri in der Regierung gestanden,
alten Zürichkrieg mitgemacht und dabei eine Wunde davon getragen ha^'
war der Verfasser einer „LKronieg, wiseellg,", welche 1799 beim Brande des
Fleckens Altorf ein Raub der Flammen geworden sein soll. Obwohl die'
selbe also nicht mehr existirt. kennt man sie doch nach ihrem Inhalte
Genüge, theils durch ältere Chronisten, welche gemeinsam aus ihr geschöpl
haben, ohne sie zu nennen, theils durch die neueren Geschichtsschreiber d
Urkantone, denen sie noch vorlag und zu Auszügen diente. Sie alle ^
weisen, daß ihr Original eine fabelhafte Geschichte der Urzeit enthalten ha-


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[0142] zu Zürich und berühmter Schwiegersohn von Walther Fürst von Atting- hausen, seinem Rottenführer. Beide haben an dem Kriege zu Morgarten theilgenommen im Jahre 1315. — Dieser Satz ist die Quelle jener Bericht¬ erstattung, mit welcher die obengenannte Pförtnerin auf der Bürglener Thurmruine die Fremden zu empfangen pflegte. „So viele Angaben diese Stelle macht", sagt Rochholz hierzu, ebenso viele Zeugnisse plumper Unwissenheit trägt sie zur Schau. Allerdings war das Bürglener Meieramt ein Lehen der Aebtisstn des Züricher Frauenmün- sterstiftes, aber keine einzige der Züricher Schriften, die über dieses Bürglener Patronatsrecht handeln, kennt einen Meier Namens Tell; erstlich einen „Meyerus" nicht, weil ein solcher in der Amtssprache des Züricherstists stabil und aus¬ schließlich „villleus" betitelt war, und sodann einen Tell nicht, da dieser Personenname selbst in den vier Archiven und in sämmtlichen Ehe-, Tauf¬ und Todtenbüchern der Urkantone gleichfalls mit keiner Sylbe zu finden, ist. Auch würde die Textstelle „eeelLsig, tnnriesnsis", wenn sie echt sein sollte, zu lauten haben „monastörium gMg.lig.L tliuriesnsis". Besonders aber ist das „Hus stemma, nonclum extinewm sse" im Munde eines gleich' zeitigen Schriftstellers ein Widersinn und weist auf eine Zeit hin, wo die Urner Näki sich Takt nannten, aber schon dem Aussterben nahe waren." Woher nahm aber Püntener die ganze lateinische Stelle? Aus der Klingenverger Chronik kann er sie nicht abgeschrieben haben; denn erstens ist das Sammelwerk, welchem man fälschlich den Namen einer Chronik der Thurgauer Edeln von Klingenberg beigelegt hat, deutsch abgefaßt, und ander¬ seits ist es eine Züricher Stadtgeschichte, die im österreichischen Interesse ge¬ schrieben ist, schon aus diesem Grunde von einem „Vorkämpfer der Freiheit Uri's" nichts enthalten kann und in der That auch, wie der von Anton Henne besorgte Abdruck jetzt bezeugt, den Namen Teils. des Befreiers, nirgends erwähnt. Püntener muß also sein Citat in einer ähnlich beschaffne^ auf die Klingenbergische sich berufenden Chronik gefunden haben, und unsere Schrift weist nach, daß dies diejenige seines Ahnen Johann Püntiner ge' wesen ist. Letzterer, der in den Jahren 1441 bis 1468 abwechselnd ^s Landesstatthalter und Landammann zu Uri in der Regierung gestanden, alten Zürichkrieg mitgemacht und dabei eine Wunde davon getragen ha^' war der Verfasser einer „LKronieg, wiseellg,", welche 1799 beim Brande des Fleckens Altorf ein Raub der Flammen geworden sein soll. Obwohl die' selbe also nicht mehr existirt. kennt man sie doch nach ihrem Inhalte Genüge, theils durch ältere Chronisten, welche gemeinsam aus ihr geschöpl haben, ohne sie zu nennen, theils durch die neueren Geschichtsschreiber d Urkantone, denen sie noch vorlag und zu Auszügen diente. Sie alle ^ weisen, daß ihr Original eine fabelhafte Geschichte der Urzeit enthalten ha-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/142>, abgerufen am 31.05.2024.