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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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(d. h. wohl eine germanische) Insel genannt hat, und thut dies folgender¬
maßen: "Seit beinahe 40 Jahren haben die Deutschen/ die erfahren darin
sind, den Samen der Zwietracht unter Völker auszustreuen, deren natürliche
Verwandtschaft und herzliches Einverständniß ihnen lästig ist, die britische
Nation überredet, daß sie aus Ungko-Sachsen gebildet ist, während sie aus
Angeln besteht, die aus jenen dänischen Provinzen gekommen sind, die heute
an Preußen ausgeliefert sind, aus Celten und Neustro - Normannen. Macau-
lay, Carlisle, Tennyson haben entgegenkommend die geschichtlichen Fälschun¬
gen accreditirt, die die Ungko-Sachsen als erbliche Gegner der lateinischen
Rasse hinstellen, aus der sie doch Dank den Siegern von Hastings zum guten
Theil abstammen." Die Sieger von Hastings sind Normannen und diese
also nach Ausspruch dieses gelehrten Herrn lateinischen Ursprungs. Wir
meinen aber, daß, wer sich so wenig in der Geschichte seines eignen Landes
bewandert zeigt, seine Oracelsprüche über die Geschichte anderer Völker
von vorneherein verdächtig macht, und fast fürchten wir, daß man es uns
verdenken würde, wenn wir dieselben noch weiterhin einer ernsthaften Wider¬
legung würdigten. Von dieser Erwägung geleitet, werden wir uns fürder-
hin lediglich darauf beschränken, eine kleine Blumenlese aus seinen kühnsten
Aussprüchen zu veranstalten, die wir auch mit einigen Randglossen begleiten
werden und dann den von ihm ersonnenen Plan mittheilen, nach welchem
auf einem zukünftigen europäischen Congresse die Karte von Europa zu repe-
tiren ist, um endlich die Freundschaft zwischen Deutschen und Galliern und
damit dann auch den Weltfrieden herzustellen.

Mit welcher Miene mag wohl der ehrenwerthe Herr Verfasser folgende
Worte niedergeschrieben haben? "Zu welcher Zeit haben wir den Boden
Deutschlands mit Krieg überzogen, wofern wir dazu nicht durch unsere Ver¬
theidigung gezwungen waren? Und, wenn wir auf diese Seite des Rheines,
auf französischen Boden zurückgekommen sind, waren wir beladen mit Säcken
voll Gold und Edelsteinen wie die Reiter Johann Casimir's, zogen wir hinter
unsern Kanonen schwere Lastwagen her wie die Kriegsknechte Blücher's oder
die Pommern Werber's. Es wäre lehrreich den materiellen Vortheil zu be¬
rechnen, den die Deutschen aus diesen 28 Invasionen gezogen haben. Vom
16. Jahrhundert an wäre dies möglich, aber man würde diese Werthe für
excessiv halten, und es ist besser, daß man nicht weiß, welchen Aderlässen
die französischen Ersparnisse genügen können." Angesichts solcher Worte
könnte man darüber in Zweifel sein, ob die Ignoranz dieses ehrenwerthen
Historikers größer ist als seine Frechheit; wenn man aber die gleich daraus
folgenden Expectorationen liest, wird es einem scheinen, als ob sich beide
Tugenden bei ihm die Stange hielten: "Zu wiederholten Malen, in den
Jahren 843, 1610, 1632, 1704. 1812 und 1831 versuchten Politiker mit


(d. h. wohl eine germanische) Insel genannt hat, und thut dies folgender¬
maßen: „Seit beinahe 40 Jahren haben die Deutschen/ die erfahren darin
sind, den Samen der Zwietracht unter Völker auszustreuen, deren natürliche
Verwandtschaft und herzliches Einverständniß ihnen lästig ist, die britische
Nation überredet, daß sie aus Ungko-Sachsen gebildet ist, während sie aus
Angeln besteht, die aus jenen dänischen Provinzen gekommen sind, die heute
an Preußen ausgeliefert sind, aus Celten und Neustro - Normannen. Macau-
lay, Carlisle, Tennyson haben entgegenkommend die geschichtlichen Fälschun¬
gen accreditirt, die die Ungko-Sachsen als erbliche Gegner der lateinischen
Rasse hinstellen, aus der sie doch Dank den Siegern von Hastings zum guten
Theil abstammen." Die Sieger von Hastings sind Normannen und diese
also nach Ausspruch dieses gelehrten Herrn lateinischen Ursprungs. Wir
meinen aber, daß, wer sich so wenig in der Geschichte seines eignen Landes
bewandert zeigt, seine Oracelsprüche über die Geschichte anderer Völker
von vorneherein verdächtig macht, und fast fürchten wir, daß man es uns
verdenken würde, wenn wir dieselben noch weiterhin einer ernsthaften Wider¬
legung würdigten. Von dieser Erwägung geleitet, werden wir uns fürder-
hin lediglich darauf beschränken, eine kleine Blumenlese aus seinen kühnsten
Aussprüchen zu veranstalten, die wir auch mit einigen Randglossen begleiten
werden und dann den von ihm ersonnenen Plan mittheilen, nach welchem
auf einem zukünftigen europäischen Congresse die Karte von Europa zu repe-
tiren ist, um endlich die Freundschaft zwischen Deutschen und Galliern und
damit dann auch den Weltfrieden herzustellen.

Mit welcher Miene mag wohl der ehrenwerthe Herr Verfasser folgende
Worte niedergeschrieben haben? „Zu welcher Zeit haben wir den Boden
Deutschlands mit Krieg überzogen, wofern wir dazu nicht durch unsere Ver¬
theidigung gezwungen waren? Und, wenn wir auf diese Seite des Rheines,
auf französischen Boden zurückgekommen sind, waren wir beladen mit Säcken
voll Gold und Edelsteinen wie die Reiter Johann Casimir's, zogen wir hinter
unsern Kanonen schwere Lastwagen her wie die Kriegsknechte Blücher's oder
die Pommern Werber's. Es wäre lehrreich den materiellen Vortheil zu be¬
rechnen, den die Deutschen aus diesen 28 Invasionen gezogen haben. Vom
16. Jahrhundert an wäre dies möglich, aber man würde diese Werthe für
excessiv halten, und es ist besser, daß man nicht weiß, welchen Aderlässen
die französischen Ersparnisse genügen können." Angesichts solcher Worte
könnte man darüber in Zweifel sein, ob die Ignoranz dieses ehrenwerthen
Historikers größer ist als seine Frechheit; wenn man aber die gleich daraus
folgenden Expectorationen liest, wird es einem scheinen, als ob sich beide
Tugenden bei ihm die Stange hielten: „Zu wiederholten Malen, in den
Jahren 843, 1610, 1632, 1704. 1812 und 1831 versuchten Politiker mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/15>, abgerufen am 15.05.2024.