Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Cäsar noch eben so wenig, wie es Franzosen gab.) "Nachdem sie unzählige
Male ihnen durch erheuchelte Freundschaft zu schmeicheln gewußt, haben sie
endlich die Maske abgeworfen, sobald sie ungestraft ihre Pläne eingestehen
konnten. Die feierliche Ironie der Einweihung des Hermannsdenkmals gleich
nach dem Kriege von 1870 ist der Beweis dazu. Die Italiener haben end¬
lich ein Einsehen gehabt. Um auf geistreiche Weise die dem Varus angethane
Schmach zu rächen, sind sie auf den Gedanken gekommen, in Legnano ein
Denkmal zum Andenken des berühmten Tages vom 29. Mai 1176 zu errich¬
ten, an welchem Kaiser Friedrich Barbarossa, von den vereinigten Lombarden
geschlagen, 20,000 Deutsche verlor und bei seiner Flucht seinen Helm, seine
Fahnen und seinen Hochmuth zurückließ. Unsere Freunde jenseits der Berge
sind reich an solchen Erinnerungen; es hinge nur von ihnen ab, für jeden
Tag des Jahres eine Niederlage ihres traditionellen Feindes aufzuzählen, den
Dante mit dieser gewaltigen Apostrophe brandmarkte:


l^ol, walaclstto Iiixo:
Ousuwü, Ssutro es von tus rabbi"."

Die Stelle findet sich im 7. Gesang des Inferno und hat selbstverständlich
keinen Bezug auf Deutschland. Virgil nämlich redet mit diesen Worten
Pluto an. Man fragt sich hier wie an so manchen andern Stellen dieses
merkwürdigen Buches: Liegt hier eine Fälschung aus Bosheit vor, oder ist
es ein durch Unwissenheit verursachter Irrthum und ist letzteres der Fall,
geht die Unwissenheit dieses preisgekrönten Historikers so weit, daß er nicht
einmal weiß, daß Dante ein eifriger Ghibelline war, der das Erscheinen des
deutschen Kaisers Heinrich VII. auf dem Boden Italiens durch eine lateinische
Schrift über die Monarchie, von der er eine endliche Beilegung der italieni¬
schen Wirren erhoffte und durch Lieder feierte, die bald von einem Ende Ita¬
liens bis zum andern wiederhallten?

Die schon vorher besprochene Stelle aus Daniel giebt auch unserm Ver¬
sasser Gelegenheit ganz Europa gegen Preußen unter die Waffen zu rufen.
"Oestreich und Rußland", sagt er, "nehmen diese Windbeuteleien der preußi¬
schen Schulmeister noch nicht ernsthaft, aber der Same, den man in das Hirn
der jungen Deutschen wirft, gährt und geht auf; noch eine kurze Spanne
Zeit, und wenn dann plötzlich die Kanonen eines zweiten Sadowa oder
eines anderen Sedan ertönen, werden wir Soldaten zu bekämpfen haben,
die entflammt sind von dem Stolze des Sieges und von der Ueberzeugung,
daß sie, indem sie Oestreich, Rußland oder Frankreich verheeren, sich nur
des alten Erbes ihrer Väter bemächtigen, das ehrgeizige Nachbarn ihnen ge¬
raubt haben, Rußland, welches so viel für die französische Einheit gethan
hat in den Jahren 1815, 1818. 1871. 187S und dem Frankreich auf das
Tiefste txi-okvnäämt'my erkenntlich bleibt" (viao: Lebastoxol) "Nußland allein


Cäsar noch eben so wenig, wie es Franzosen gab.) „Nachdem sie unzählige
Male ihnen durch erheuchelte Freundschaft zu schmeicheln gewußt, haben sie
endlich die Maske abgeworfen, sobald sie ungestraft ihre Pläne eingestehen
konnten. Die feierliche Ironie der Einweihung des Hermannsdenkmals gleich
nach dem Kriege von 1870 ist der Beweis dazu. Die Italiener haben end¬
lich ein Einsehen gehabt. Um auf geistreiche Weise die dem Varus angethane
Schmach zu rächen, sind sie auf den Gedanken gekommen, in Legnano ein
Denkmal zum Andenken des berühmten Tages vom 29. Mai 1176 zu errich¬
ten, an welchem Kaiser Friedrich Barbarossa, von den vereinigten Lombarden
geschlagen, 20,000 Deutsche verlor und bei seiner Flucht seinen Helm, seine
Fahnen und seinen Hochmuth zurückließ. Unsere Freunde jenseits der Berge
sind reich an solchen Erinnerungen; es hinge nur von ihnen ab, für jeden
Tag des Jahres eine Niederlage ihres traditionellen Feindes aufzuzählen, den
Dante mit dieser gewaltigen Apostrophe brandmarkte:


l^ol, walaclstto Iiixo:
Ousuwü, Ssutro es von tus rabbi»."

Die Stelle findet sich im 7. Gesang des Inferno und hat selbstverständlich
keinen Bezug auf Deutschland. Virgil nämlich redet mit diesen Worten
Pluto an. Man fragt sich hier wie an so manchen andern Stellen dieses
merkwürdigen Buches: Liegt hier eine Fälschung aus Bosheit vor, oder ist
es ein durch Unwissenheit verursachter Irrthum und ist letzteres der Fall,
geht die Unwissenheit dieses preisgekrönten Historikers so weit, daß er nicht
einmal weiß, daß Dante ein eifriger Ghibelline war, der das Erscheinen des
deutschen Kaisers Heinrich VII. auf dem Boden Italiens durch eine lateinische
Schrift über die Monarchie, von der er eine endliche Beilegung der italieni¬
schen Wirren erhoffte und durch Lieder feierte, die bald von einem Ende Ita¬
liens bis zum andern wiederhallten?

Die schon vorher besprochene Stelle aus Daniel giebt auch unserm Ver¬
sasser Gelegenheit ganz Europa gegen Preußen unter die Waffen zu rufen.
„Oestreich und Rußland", sagt er, „nehmen diese Windbeuteleien der preußi¬
schen Schulmeister noch nicht ernsthaft, aber der Same, den man in das Hirn
der jungen Deutschen wirft, gährt und geht auf; noch eine kurze Spanne
Zeit, und wenn dann plötzlich die Kanonen eines zweiten Sadowa oder
eines anderen Sedan ertönen, werden wir Soldaten zu bekämpfen haben,
die entflammt sind von dem Stolze des Sieges und von der Ueberzeugung,
daß sie, indem sie Oestreich, Rußland oder Frankreich verheeren, sich nur
des alten Erbes ihrer Väter bemächtigen, das ehrgeizige Nachbarn ihnen ge¬
raubt haben, Rußland, welches so viel für die französische Einheit gethan
hat in den Jahren 1815, 1818. 1871. 187S und dem Frankreich auf das
Tiefste txi-okvnäämt'my erkenntlich bleibt" (viao: Lebastoxol) „Nußland allein


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0017" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/136656"/>
          <p xml:id="ID_35" prev="#ID_34"> Cäsar noch eben so wenig, wie es Franzosen gab.) &#x201E;Nachdem sie unzählige<lb/>
Male ihnen durch erheuchelte Freundschaft zu schmeicheln gewußt, haben sie<lb/>
endlich die Maske abgeworfen, sobald sie ungestraft ihre Pläne eingestehen<lb/>
konnten. Die feierliche Ironie der Einweihung des Hermannsdenkmals gleich<lb/>
nach dem Kriege von 1870 ist der Beweis dazu. Die Italiener haben end¬<lb/>
lich ein Einsehen gehabt. Um auf geistreiche Weise die dem Varus angethane<lb/>
Schmach zu rächen, sind sie auf den Gedanken gekommen, in Legnano ein<lb/>
Denkmal zum Andenken des berühmten Tages vom 29. Mai 1176 zu errich¬<lb/>
ten, an welchem Kaiser Friedrich Barbarossa, von den vereinigten Lombarden<lb/>
geschlagen, 20,000 Deutsche verlor und bei seiner Flucht seinen Helm, seine<lb/>
Fahnen und seinen Hochmuth zurückließ. Unsere Freunde jenseits der Berge<lb/>
sind reich an solchen Erinnerungen; es hinge nur von ihnen ab, für jeden<lb/>
Tag des Jahres eine Niederlage ihres traditionellen Feindes aufzuzählen, den<lb/>
Dante mit dieser gewaltigen Apostrophe brandmarkte:</p><lb/>
          <quote> l^ol, walaclstto Iiixo:<lb/>
Ousuwü, Ssutro es von tus rabbi»."</quote><lb/>
          <p xml:id="ID_36"> Die Stelle findet sich im 7. Gesang des Inferno und hat selbstverständlich<lb/>
keinen Bezug auf Deutschland. Virgil nämlich redet mit diesen Worten<lb/>
Pluto an. Man fragt sich hier wie an so manchen andern Stellen dieses<lb/>
merkwürdigen Buches: Liegt hier eine Fälschung aus Bosheit vor, oder ist<lb/>
es ein durch Unwissenheit verursachter Irrthum und ist letzteres der Fall,<lb/>
geht die Unwissenheit dieses preisgekrönten Historikers so weit, daß er nicht<lb/>
einmal weiß, daß Dante ein eifriger Ghibelline war, der das Erscheinen des<lb/>
deutschen Kaisers Heinrich VII. auf dem Boden Italiens durch eine lateinische<lb/>
Schrift über die Monarchie, von der er eine endliche Beilegung der italieni¬<lb/>
schen Wirren erhoffte und durch Lieder feierte, die bald von einem Ende Ita¬<lb/>
liens bis zum andern wiederhallten?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_37" next="#ID_38"> Die schon vorher besprochene Stelle aus Daniel giebt auch unserm Ver¬<lb/>
sasser Gelegenheit ganz Europa gegen Preußen unter die Waffen zu rufen.<lb/>
&#x201E;Oestreich und Rußland", sagt er, &#x201E;nehmen diese Windbeuteleien der preußi¬<lb/>
schen Schulmeister noch nicht ernsthaft, aber der Same, den man in das Hirn<lb/>
der jungen Deutschen wirft, gährt und geht auf; noch eine kurze Spanne<lb/>
Zeit, und wenn dann plötzlich die Kanonen eines zweiten Sadowa oder<lb/>
eines anderen Sedan ertönen, werden wir Soldaten zu bekämpfen haben,<lb/>
die entflammt sind von dem Stolze des Sieges und von der Ueberzeugung,<lb/>
daß sie, indem sie Oestreich, Rußland oder Frankreich verheeren, sich nur<lb/>
des alten Erbes ihrer Väter bemächtigen, das ehrgeizige Nachbarn ihnen ge¬<lb/>
raubt haben, Rußland, welches so viel für die französische Einheit gethan<lb/>
hat in den Jahren 1815, 1818. 1871. 187S und dem Frankreich auf das<lb/>
Tiefste txi-okvnäämt'my erkenntlich bleibt" (viao: Lebastoxol) &#x201E;Nußland allein</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0017] Cäsar noch eben so wenig, wie es Franzosen gab.) „Nachdem sie unzählige Male ihnen durch erheuchelte Freundschaft zu schmeicheln gewußt, haben sie endlich die Maske abgeworfen, sobald sie ungestraft ihre Pläne eingestehen konnten. Die feierliche Ironie der Einweihung des Hermannsdenkmals gleich nach dem Kriege von 1870 ist der Beweis dazu. Die Italiener haben end¬ lich ein Einsehen gehabt. Um auf geistreiche Weise die dem Varus angethane Schmach zu rächen, sind sie auf den Gedanken gekommen, in Legnano ein Denkmal zum Andenken des berühmten Tages vom 29. Mai 1176 zu errich¬ ten, an welchem Kaiser Friedrich Barbarossa, von den vereinigten Lombarden geschlagen, 20,000 Deutsche verlor und bei seiner Flucht seinen Helm, seine Fahnen und seinen Hochmuth zurückließ. Unsere Freunde jenseits der Berge sind reich an solchen Erinnerungen; es hinge nur von ihnen ab, für jeden Tag des Jahres eine Niederlage ihres traditionellen Feindes aufzuzählen, den Dante mit dieser gewaltigen Apostrophe brandmarkte: l^ol, walaclstto Iiixo: Ousuwü, Ssutro es von tus rabbi»." Die Stelle findet sich im 7. Gesang des Inferno und hat selbstverständlich keinen Bezug auf Deutschland. Virgil nämlich redet mit diesen Worten Pluto an. Man fragt sich hier wie an so manchen andern Stellen dieses merkwürdigen Buches: Liegt hier eine Fälschung aus Bosheit vor, oder ist es ein durch Unwissenheit verursachter Irrthum und ist letzteres der Fall, geht die Unwissenheit dieses preisgekrönten Historikers so weit, daß er nicht einmal weiß, daß Dante ein eifriger Ghibelline war, der das Erscheinen des deutschen Kaisers Heinrich VII. auf dem Boden Italiens durch eine lateinische Schrift über die Monarchie, von der er eine endliche Beilegung der italieni¬ schen Wirren erhoffte und durch Lieder feierte, die bald von einem Ende Ita¬ liens bis zum andern wiederhallten? Die schon vorher besprochene Stelle aus Daniel giebt auch unserm Ver¬ sasser Gelegenheit ganz Europa gegen Preußen unter die Waffen zu rufen. „Oestreich und Rußland", sagt er, „nehmen diese Windbeuteleien der preußi¬ schen Schulmeister noch nicht ernsthaft, aber der Same, den man in das Hirn der jungen Deutschen wirft, gährt und geht auf; noch eine kurze Spanne Zeit, und wenn dann plötzlich die Kanonen eines zweiten Sadowa oder eines anderen Sedan ertönen, werden wir Soldaten zu bekämpfen haben, die entflammt sind von dem Stolze des Sieges und von der Ueberzeugung, daß sie, indem sie Oestreich, Rußland oder Frankreich verheeren, sich nur des alten Erbes ihrer Väter bemächtigen, das ehrgeizige Nachbarn ihnen ge¬ raubt haben, Rußland, welches so viel für die französische Einheit gethan hat in den Jahren 1815, 1818. 1871. 187S und dem Frankreich auf das Tiefste txi-okvnäämt'my erkenntlich bleibt" (viao: Lebastoxol) „Nußland allein

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/17
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/17>, abgerufen am 15.05.2024.