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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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demonstriren, daß sie Unrecht gehabt, als sie geglaubt haben, einen groben
Klotz mit Glacehandschuhen streicheln zu müssen und daß es immer wahr
bleibt, daß auf einen groben Klotz unter allen Umständen ein grober Keil
gehöre. So können oft die besten Absichten verkannt werden.

Preußen ist also nach Herrn Victor genöthigt, Frankreich zu vernichten
oder es sich zum Freunde zu machen; es würde unbedingt das erste thun,
wenn Rußland nicht wäre, und so bleibt ihm nichts anderes übrig, als das
zweite zu versuchen. Frankreich ist demnach in der glücklichen Lage, an die
Verleihung seiner Freundschaft Bedingungen zu knüpfen. Daß dieselben aber
höchst billig sind, wird man bei der bekannten Großmuth der Franzosen im
Allgemeinen und bei dem noch größern Edelmuth des Herrn Verfassers im
Besonderen als selbstverständlich voraussetzen. Zugleich sucht dieser treffliche
preisgekrönte Geschichtsschreiber dieselben historisch zu begründen, indem er in
brillanten ApereM die Geschichte Galliens von der römischen Eroberung an
bis zum Frankfurter Frieden behandelt, wobei er natürlich die Kämpfe mit
dem Erbfeinde in lichtvoller Weise in den Vordergrund zu schieben weiß.

Nach dem bereits aus den einleitenden Kapiteln Mitgetheilten wird man
sich leicht vorstellen, welche Fülle von Gelehrsamkeit, welche Tiefe der Ge¬
danken, welche Weite des Horizonts, wie viel Originelles und Neues darin
enthalten sein muß, und wir bedauern aufrichtig, daß uns der Raum dieser
Arbeit nicht erlaubt, nach Belieben aus diesem Reichthum zu schöpfen. Doch
können wir uns nicht versagen, einige Lichtstrahlen aus demselben aufzufangen,
die unsere blöden nordischen Augen ganz besonders blenden werden. So
lesen wir Seite 44 von den Franken: "Der Tod allein kann sie niederwerfen.
Die Furcht findet sie unzugänglich. Tapfer wie die Gallier, sind sie nicht
grausam wie die Germanen; man kann das Wort des Horaz auf sie an¬
wenden : von kuuers, Mvet, sie haben keine Todesfurcht im Gegensatz zum
Germanen, der sich am Blute delectirt: ca-sels Muüet; der Eine tödtet um
zu siegen, der Andere tödtet um zu tödten." Einige Seiten vorher bei der
Erwähnung der römischen Eroberung Galliens lesen wir folgendes: "Ihm,
Cäsar waren wir Deutsche. Ich verzeihe dem Cäsar." Wie rührend: Ur.
Victor Mräoriue o. L6se>,r. Ist das sublime oder einfach riäiouls? Seite
132 heißt es: "Die 16. Invasion der Deutschen gab uns Metz, dieses Boll¬
werk Frankreichs, diese edelmüthige und stolze Stadt, deren größter Schmerz
in unsern neuesten Opfern der gewesen ist, übergeben worden zu sein, ohne
haben kämpfen zu können. Die Vertheidigung von Metz hat die lothringischen
Fürsten populär gemacht und hätte ihnen beinahe einen Thron eingebracht.
Was bewahrt Frankreich nicht für denjenigen auf, der ihm Lothringen zurück¬
geben wird." Seite 174 heißt es: "Die Invasion Hollands im Jahre 1672
führte zwei Jahre später die Invasion des Elsaß durch die verbündeten


Grenzboten IV. 1876. 3

demonstriren, daß sie Unrecht gehabt, als sie geglaubt haben, einen groben
Klotz mit Glacehandschuhen streicheln zu müssen und daß es immer wahr
bleibt, daß auf einen groben Klotz unter allen Umständen ein grober Keil
gehöre. So können oft die besten Absichten verkannt werden.

Preußen ist also nach Herrn Victor genöthigt, Frankreich zu vernichten
oder es sich zum Freunde zu machen; es würde unbedingt das erste thun,
wenn Rußland nicht wäre, und so bleibt ihm nichts anderes übrig, als das
zweite zu versuchen. Frankreich ist demnach in der glücklichen Lage, an die
Verleihung seiner Freundschaft Bedingungen zu knüpfen. Daß dieselben aber
höchst billig sind, wird man bei der bekannten Großmuth der Franzosen im
Allgemeinen und bei dem noch größern Edelmuth des Herrn Verfassers im
Besonderen als selbstverständlich voraussetzen. Zugleich sucht dieser treffliche
preisgekrönte Geschichtsschreiber dieselben historisch zu begründen, indem er in
brillanten ApereM die Geschichte Galliens von der römischen Eroberung an
bis zum Frankfurter Frieden behandelt, wobei er natürlich die Kämpfe mit
dem Erbfeinde in lichtvoller Weise in den Vordergrund zu schieben weiß.

Nach dem bereits aus den einleitenden Kapiteln Mitgetheilten wird man
sich leicht vorstellen, welche Fülle von Gelehrsamkeit, welche Tiefe der Ge¬
danken, welche Weite des Horizonts, wie viel Originelles und Neues darin
enthalten sein muß, und wir bedauern aufrichtig, daß uns der Raum dieser
Arbeit nicht erlaubt, nach Belieben aus diesem Reichthum zu schöpfen. Doch
können wir uns nicht versagen, einige Lichtstrahlen aus demselben aufzufangen,
die unsere blöden nordischen Augen ganz besonders blenden werden. So
lesen wir Seite 44 von den Franken: „Der Tod allein kann sie niederwerfen.
Die Furcht findet sie unzugänglich. Tapfer wie die Gallier, sind sie nicht
grausam wie die Germanen; man kann das Wort des Horaz auf sie an¬
wenden : von kuuers, Mvet, sie haben keine Todesfurcht im Gegensatz zum
Germanen, der sich am Blute delectirt: ca-sels Muüet; der Eine tödtet um
zu siegen, der Andere tödtet um zu tödten." Einige Seiten vorher bei der
Erwähnung der römischen Eroberung Galliens lesen wir folgendes: „Ihm,
Cäsar waren wir Deutsche. Ich verzeihe dem Cäsar." Wie rührend: Ur.
Victor Mräoriue o. L6se>,r. Ist das sublime oder einfach riäiouls? Seite
132 heißt es: „Die 16. Invasion der Deutschen gab uns Metz, dieses Boll¬
werk Frankreichs, diese edelmüthige und stolze Stadt, deren größter Schmerz
in unsern neuesten Opfern der gewesen ist, übergeben worden zu sein, ohne
haben kämpfen zu können. Die Vertheidigung von Metz hat die lothringischen
Fürsten populär gemacht und hätte ihnen beinahe einen Thron eingebracht.
Was bewahrt Frankreich nicht für denjenigen auf, der ihm Lothringen zurück¬
geben wird." Seite 174 heißt es: „Die Invasion Hollands im Jahre 1672
führte zwei Jahre später die Invasion des Elsaß durch die verbündeten


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[0021] demonstriren, daß sie Unrecht gehabt, als sie geglaubt haben, einen groben Klotz mit Glacehandschuhen streicheln zu müssen und daß es immer wahr bleibt, daß auf einen groben Klotz unter allen Umständen ein grober Keil gehöre. So können oft die besten Absichten verkannt werden. Preußen ist also nach Herrn Victor genöthigt, Frankreich zu vernichten oder es sich zum Freunde zu machen; es würde unbedingt das erste thun, wenn Rußland nicht wäre, und so bleibt ihm nichts anderes übrig, als das zweite zu versuchen. Frankreich ist demnach in der glücklichen Lage, an die Verleihung seiner Freundschaft Bedingungen zu knüpfen. Daß dieselben aber höchst billig sind, wird man bei der bekannten Großmuth der Franzosen im Allgemeinen und bei dem noch größern Edelmuth des Herrn Verfassers im Besonderen als selbstverständlich voraussetzen. Zugleich sucht dieser treffliche preisgekrönte Geschichtsschreiber dieselben historisch zu begründen, indem er in brillanten ApereM die Geschichte Galliens von der römischen Eroberung an bis zum Frankfurter Frieden behandelt, wobei er natürlich die Kämpfe mit dem Erbfeinde in lichtvoller Weise in den Vordergrund zu schieben weiß. Nach dem bereits aus den einleitenden Kapiteln Mitgetheilten wird man sich leicht vorstellen, welche Fülle von Gelehrsamkeit, welche Tiefe der Ge¬ danken, welche Weite des Horizonts, wie viel Originelles und Neues darin enthalten sein muß, und wir bedauern aufrichtig, daß uns der Raum dieser Arbeit nicht erlaubt, nach Belieben aus diesem Reichthum zu schöpfen. Doch können wir uns nicht versagen, einige Lichtstrahlen aus demselben aufzufangen, die unsere blöden nordischen Augen ganz besonders blenden werden. So lesen wir Seite 44 von den Franken: „Der Tod allein kann sie niederwerfen. Die Furcht findet sie unzugänglich. Tapfer wie die Gallier, sind sie nicht grausam wie die Germanen; man kann das Wort des Horaz auf sie an¬ wenden : von kuuers, Mvet, sie haben keine Todesfurcht im Gegensatz zum Germanen, der sich am Blute delectirt: ca-sels Muüet; der Eine tödtet um zu siegen, der Andere tödtet um zu tödten." Einige Seiten vorher bei der Erwähnung der römischen Eroberung Galliens lesen wir folgendes: „Ihm, Cäsar waren wir Deutsche. Ich verzeihe dem Cäsar." Wie rührend: Ur. Victor Mräoriue o. L6se>,r. Ist das sublime oder einfach riäiouls? Seite 132 heißt es: „Die 16. Invasion der Deutschen gab uns Metz, dieses Boll¬ werk Frankreichs, diese edelmüthige und stolze Stadt, deren größter Schmerz in unsern neuesten Opfern der gewesen ist, übergeben worden zu sein, ohne haben kämpfen zu können. Die Vertheidigung von Metz hat die lothringischen Fürsten populär gemacht und hätte ihnen beinahe einen Thron eingebracht. Was bewahrt Frankreich nicht für denjenigen auf, der ihm Lothringen zurück¬ geben wird." Seite 174 heißt es: „Die Invasion Hollands im Jahre 1672 führte zwei Jahre später die Invasion des Elsaß durch die verbündeten Grenzboten IV. 1876. 3

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/21>, abgerufen am 15.05.2024.