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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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innerhalb des Ministeriums, außerhalb desselben höchstens mit einzelnen ange¬
sehenen Mitgliedern, deren Autorität bei der gerade vorliegenden Frage etwa
besonders in Betracht kommt. Am häufigsten erfolgt die Verständigung
zwischen dem Ministerium und der ministeriellen Partei durch den sogenannten
Einpeitscher -- ntupper in -- durch welchen das Ministerium nicht etwa
die Meinung der Partei einholt, sondern einfach die Meinung kund giebt,
daß es bei der und der Gelegenheit auf den zahlreichen Beistand der Partei
rechnet. In den meisten Fällen genügt es. daß der Führer der ministeriellen
Partei, der eine Stellung im Ministerium einnehmen muß. die ihn nach dem
technisch parlamentarischen Ausdruck zum Leiter des Unterhauses macht, sich
erhebt, um zu bewirken, daß die Partei ihm folgt. Zuweilen, aber äußerst
selten kommt es vor, daß der Parteiführer die älteren und angeseheneren
Parteimitglieder zu einer vertraulichen Mittheilung zusammenruft und die
Meinung der Mitglieder anhört. Aber niemals, auch bei diesen Gelegenheiten
nicht, macht sich der Führer zum Instrument der Partei. Kann er die Par¬
tei, d. h. die' angesehenen Mitglieder derselben nicht für seine Meinung ge¬
winnen, so kann es vorkommen, daß er die Führerstellung niederlegt, er kann
auch einmal einen Plan aufgeben oder vertagen, aber er wird sich nie zum
ausführenden Strategen eines zufälligen Mehrheitsbeschlusses machen, der in
einem anderen als seinem Haupte entsprungen. Was die Jüngeren. d. h.
die noch nicht auf eine lange parlamentarische Praxis und parlamentarische Ver¬
dienste sich stützenden Parteimitglieder betrifft, also die Mehrzahl der Partei,
so sind sie, um die Ziele der Parteipolitik kennen zu lernen, auf das angewiesen, was
sie in den Theegesellschaften aufschnappen: 0n Meters it trou tke tea-i-vous. --

Wir hegen auch nicht im allermindesten den Wunsch, die parlamentari¬
schen Sitten Englands mit ihren Voraussetzungen und Folgen bei uns ein¬
zubürgern. Eine englische parlamentarische Partei ist einfach eine Coterie, wir
Zollen nicht sagen, zur Ausbeutung des Staates aber doch zur Besetzung der
^egierungsgewalt; eine Coterie, von welcher der größere Theil Stimmsoldaten für
Lohn einer Regierungsversorgung sind, ein ganz kleiner Theil nur gouvernemen-
t"le Talente, die mit der Befriedigung ihres Talentes allerdings dem Besten des
Staates dienen, weil sie ohne das sich nicht in der Regierung behaupten und nicht
wieder zur Regierung gelangen könnten. Eine deutsche Partei ist ein himmelwett
^rschiedenes Ding. Eine deutsche Partei ist eine Vereinigung grundrecht-
sicher Männer, von denen aber auch jeder sein ganzes Gewissen bis auf den
^dem Bodensatz aller Tugenden, Launen und Vorurtheile in der Partei zur
Geltung bringen will. Daher das in England unbekannte Berather der
^actlonen. Mit einer solchen Partei kann man sich eben nur in einer
^vßen öffentlichen Berathung verständigen, wodurch immer wieder die Aus¬
übe sich erneuert, die Partei zusammenzuhalten. Was hülfe es, wenn der


innerhalb des Ministeriums, außerhalb desselben höchstens mit einzelnen ange¬
sehenen Mitgliedern, deren Autorität bei der gerade vorliegenden Frage etwa
besonders in Betracht kommt. Am häufigsten erfolgt die Verständigung
zwischen dem Ministerium und der ministeriellen Partei durch den sogenannten
Einpeitscher — ntupper in — durch welchen das Ministerium nicht etwa
die Meinung der Partei einholt, sondern einfach die Meinung kund giebt,
daß es bei der und der Gelegenheit auf den zahlreichen Beistand der Partei
rechnet. In den meisten Fällen genügt es. daß der Führer der ministeriellen
Partei, der eine Stellung im Ministerium einnehmen muß. die ihn nach dem
technisch parlamentarischen Ausdruck zum Leiter des Unterhauses macht, sich
erhebt, um zu bewirken, daß die Partei ihm folgt. Zuweilen, aber äußerst
selten kommt es vor, daß der Parteiführer die älteren und angeseheneren
Parteimitglieder zu einer vertraulichen Mittheilung zusammenruft und die
Meinung der Mitglieder anhört. Aber niemals, auch bei diesen Gelegenheiten
nicht, macht sich der Führer zum Instrument der Partei. Kann er die Par¬
tei, d. h. die' angesehenen Mitglieder derselben nicht für seine Meinung ge¬
winnen, so kann es vorkommen, daß er die Führerstellung niederlegt, er kann
auch einmal einen Plan aufgeben oder vertagen, aber er wird sich nie zum
ausführenden Strategen eines zufälligen Mehrheitsbeschlusses machen, der in
einem anderen als seinem Haupte entsprungen. Was die Jüngeren. d. h.
die noch nicht auf eine lange parlamentarische Praxis und parlamentarische Ver¬
dienste sich stützenden Parteimitglieder betrifft, also die Mehrzahl der Partei,
so sind sie, um die Ziele der Parteipolitik kennen zu lernen, auf das angewiesen, was
sie in den Theegesellschaften aufschnappen: 0n Meters it trou tke tea-i-vous. —

Wir hegen auch nicht im allermindesten den Wunsch, die parlamentari¬
schen Sitten Englands mit ihren Voraussetzungen und Folgen bei uns ein¬
zubürgern. Eine englische parlamentarische Partei ist einfach eine Coterie, wir
Zollen nicht sagen, zur Ausbeutung des Staates aber doch zur Besetzung der
^egierungsgewalt; eine Coterie, von welcher der größere Theil Stimmsoldaten für
Lohn einer Regierungsversorgung sind, ein ganz kleiner Theil nur gouvernemen-
t»le Talente, die mit der Befriedigung ihres Talentes allerdings dem Besten des
Staates dienen, weil sie ohne das sich nicht in der Regierung behaupten und nicht
wieder zur Regierung gelangen könnten. Eine deutsche Partei ist ein himmelwett
^rschiedenes Ding. Eine deutsche Partei ist eine Vereinigung grundrecht-
sicher Männer, von denen aber auch jeder sein ganzes Gewissen bis auf den
^dem Bodensatz aller Tugenden, Launen und Vorurtheile in der Partei zur
Geltung bringen will. Daher das in England unbekannte Berather der
^actlonen. Mit einer solchen Partei kann man sich eben nur in einer
^vßen öffentlichen Berathung verständigen, wodurch immer wieder die Aus¬
übe sich erneuert, die Partei zusammenzuhalten. Was hülfe es, wenn der


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[0281] innerhalb des Ministeriums, außerhalb desselben höchstens mit einzelnen ange¬ sehenen Mitgliedern, deren Autorität bei der gerade vorliegenden Frage etwa besonders in Betracht kommt. Am häufigsten erfolgt die Verständigung zwischen dem Ministerium und der ministeriellen Partei durch den sogenannten Einpeitscher — ntupper in — durch welchen das Ministerium nicht etwa die Meinung der Partei einholt, sondern einfach die Meinung kund giebt, daß es bei der und der Gelegenheit auf den zahlreichen Beistand der Partei rechnet. In den meisten Fällen genügt es. daß der Führer der ministeriellen Partei, der eine Stellung im Ministerium einnehmen muß. die ihn nach dem technisch parlamentarischen Ausdruck zum Leiter des Unterhauses macht, sich erhebt, um zu bewirken, daß die Partei ihm folgt. Zuweilen, aber äußerst selten kommt es vor, daß der Parteiführer die älteren und angeseheneren Parteimitglieder zu einer vertraulichen Mittheilung zusammenruft und die Meinung der Mitglieder anhört. Aber niemals, auch bei diesen Gelegenheiten nicht, macht sich der Führer zum Instrument der Partei. Kann er die Par¬ tei, d. h. die' angesehenen Mitglieder derselben nicht für seine Meinung ge¬ winnen, so kann es vorkommen, daß er die Führerstellung niederlegt, er kann auch einmal einen Plan aufgeben oder vertagen, aber er wird sich nie zum ausführenden Strategen eines zufälligen Mehrheitsbeschlusses machen, der in einem anderen als seinem Haupte entsprungen. Was die Jüngeren. d. h. die noch nicht auf eine lange parlamentarische Praxis und parlamentarische Ver¬ dienste sich stützenden Parteimitglieder betrifft, also die Mehrzahl der Partei, so sind sie, um die Ziele der Parteipolitik kennen zu lernen, auf das angewiesen, was sie in den Theegesellschaften aufschnappen: 0n Meters it trou tke tea-i-vous. — Wir hegen auch nicht im allermindesten den Wunsch, die parlamentari¬ schen Sitten Englands mit ihren Voraussetzungen und Folgen bei uns ein¬ zubürgern. Eine englische parlamentarische Partei ist einfach eine Coterie, wir Zollen nicht sagen, zur Ausbeutung des Staates aber doch zur Besetzung der ^egierungsgewalt; eine Coterie, von welcher der größere Theil Stimmsoldaten für Lohn einer Regierungsversorgung sind, ein ganz kleiner Theil nur gouvernemen- t»le Talente, die mit der Befriedigung ihres Talentes allerdings dem Besten des Staates dienen, weil sie ohne das sich nicht in der Regierung behaupten und nicht wieder zur Regierung gelangen könnten. Eine deutsche Partei ist ein himmelwett ^rschiedenes Ding. Eine deutsche Partei ist eine Vereinigung grundrecht- sicher Männer, von denen aber auch jeder sein ganzes Gewissen bis auf den ^dem Bodensatz aller Tugenden, Launen und Vorurtheile in der Partei zur Geltung bringen will. Daher das in England unbekannte Berather der ^actlonen. Mit einer solchen Partei kann man sich eben nur in einer ^vßen öffentlichen Berathung verständigen, wodurch immer wieder die Aus¬ übe sich erneuert, die Partei zusammenzuhalten. Was hülfe es, wenn der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/281>, abgerufen am 29.05.2024.