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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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schichtswerke nicht ganz unberücksichtigt gelassen werden, überhaupt so viel blühen¬
der Unsinn aufgetischt werden kann. In einem dritten Artikel tritt der Mit¬
arbeiter Philo-Jsrael auf die Mensur mit dem Herrn Oberst Gawler, welcher
die letz.rische Ansicht vertritt, daß nur neun Stämme in England eingewandert
seien. "Gott selbst verheißt an vielen Stellen der Schrift seinem Volk der-
einstige Macht und Herrlichkeit auf den Inseln; vgl. 2 Sam. 7, V. 10--11,
1 Chron. 13, V. 9--10. Hiernach behaupten wir gegen Oberst Gawler,
daß die h. Schrift Schritt für Schritt unsere Ansicht bestätigt, daß die zehn
Stämme en masss nach den britischen Inseln gewandert sind und ersuchen
ihn, uns zu widerlegen. Er möge den Nachweis liefern, wo seine neun
Stämme seßhaft geworden sind, doch verbitten wir uns jeden Hinweis auf
Oxforder oder ähnliche Autoritäten, von welchen Engländer und Deutsche
ohne Weiteres als Zweige desselben Stammes behandelt werden." Dann
die plötzliche und unerwartete Wendung: "Ist dies übrigens die Zeit, unsere
geistigen Fähigkeiten und Kräfte über Streitfragen zu vergeuden, die uns
gar nichts angehen? Jetzt, wo die orientalische Frage an uns heranrückt
und das Ottomannische Reich mit raschen Schritten seinem Untergange ent¬
gegengeht und das dumpfe- Rollen des kommenden Sturmes schon in un¬
seren Ohren klingt?" Dieser Apostrophe zum Trotz werden schließlich dennoch
die Gläubigen noch einmal zum Ausharren und zu eifriger Propaganda auf¬
gemuntert. Ungefähr auf derselben Stufe stehen die Leistungen des Herrn
Cockburn-Muir in Putney, welcher in einem Briefe an einen Herrn
Bird in Clifton die Heilswahrheit gegen die Universitäten vertheidigt, "die
da in rettungsloser Dunkelheit befangen sind," und zwar an der Hand der
Geschichte, der Ueberlieferung, der Ethnologie und der Sprachwissenschaft, die
sämmtlich auf unserer Seite sind."

Den Gipfelpunkt aber wahnwitziger Exegese und blühenden Blödsinnes,
der hie und da mit gesundem Menschenverstand verquickt ist, scheinen der
Herr B. S. und seine Widersacher erreicht zu haben. Was letzterer dem Ver¬
fasser des Artikels zugetraut haben muß, erhellt aus der folgenden Erörterung
auf Grund der Stellen Apokalypse 14, 9--11 und 20, 4. "Und was nun
den Antheil des deutschen Reiches an dem verfluchten Maalzeichen des
Thieres durch Einführung des neuen Decimalsystems in Maß und Gewicht
anbetrifft, so ist dieser Gegenstand von so hoher Wichtigkeit, daß wir uns
veranlaßt sehen, gegen eine so gehässige Auslegung jenes ganz legalen Maals
der Abtrünnigkeit Verwahrung einzulegen, welches doch Alle, die es annehmen,
zu ewigen Höllenstrafen verurtheilt; vgl. Ap. 14, 11: "Und der Rauch ihrer
Qual wird aussteigen von Ewigkeit zu Ewigkeit; und sie haben keine Ruhe
Tag und Nacht, die das Thier haben angebetet und sein Bild; und so Je¬
mand hat das Maalzeichen seines Namens angenommen." Wie es dem be-


schichtswerke nicht ganz unberücksichtigt gelassen werden, überhaupt so viel blühen¬
der Unsinn aufgetischt werden kann. In einem dritten Artikel tritt der Mit¬
arbeiter Philo-Jsrael auf die Mensur mit dem Herrn Oberst Gawler, welcher
die letz.rische Ansicht vertritt, daß nur neun Stämme in England eingewandert
seien. „Gott selbst verheißt an vielen Stellen der Schrift seinem Volk der-
einstige Macht und Herrlichkeit auf den Inseln; vgl. 2 Sam. 7, V. 10—11,
1 Chron. 13, V. 9—10. Hiernach behaupten wir gegen Oberst Gawler,
daß die h. Schrift Schritt für Schritt unsere Ansicht bestätigt, daß die zehn
Stämme en masss nach den britischen Inseln gewandert sind und ersuchen
ihn, uns zu widerlegen. Er möge den Nachweis liefern, wo seine neun
Stämme seßhaft geworden sind, doch verbitten wir uns jeden Hinweis auf
Oxforder oder ähnliche Autoritäten, von welchen Engländer und Deutsche
ohne Weiteres als Zweige desselben Stammes behandelt werden." Dann
die plötzliche und unerwartete Wendung: „Ist dies übrigens die Zeit, unsere
geistigen Fähigkeiten und Kräfte über Streitfragen zu vergeuden, die uns
gar nichts angehen? Jetzt, wo die orientalische Frage an uns heranrückt
und das Ottomannische Reich mit raschen Schritten seinem Untergange ent¬
gegengeht und das dumpfe- Rollen des kommenden Sturmes schon in un¬
seren Ohren klingt?" Dieser Apostrophe zum Trotz werden schließlich dennoch
die Gläubigen noch einmal zum Ausharren und zu eifriger Propaganda auf¬
gemuntert. Ungefähr auf derselben Stufe stehen die Leistungen des Herrn
Cockburn-Muir in Putney, welcher in einem Briefe an einen Herrn
Bird in Clifton die Heilswahrheit gegen die Universitäten vertheidigt, „die
da in rettungsloser Dunkelheit befangen sind," und zwar an der Hand der
Geschichte, der Ueberlieferung, der Ethnologie und der Sprachwissenschaft, die
sämmtlich auf unserer Seite sind."

Den Gipfelpunkt aber wahnwitziger Exegese und blühenden Blödsinnes,
der hie und da mit gesundem Menschenverstand verquickt ist, scheinen der
Herr B. S. und seine Widersacher erreicht zu haben. Was letzterer dem Ver¬
fasser des Artikels zugetraut haben muß, erhellt aus der folgenden Erörterung
auf Grund der Stellen Apokalypse 14, 9—11 und 20, 4. „Und was nun
den Antheil des deutschen Reiches an dem verfluchten Maalzeichen des
Thieres durch Einführung des neuen Decimalsystems in Maß und Gewicht
anbetrifft, so ist dieser Gegenstand von so hoher Wichtigkeit, daß wir uns
veranlaßt sehen, gegen eine so gehässige Auslegung jenes ganz legalen Maals
der Abtrünnigkeit Verwahrung einzulegen, welches doch Alle, die es annehmen,
zu ewigen Höllenstrafen verurtheilt; vgl. Ap. 14, 11: „Und der Rauch ihrer
Qual wird aussteigen von Ewigkeit zu Ewigkeit; und sie haben keine Ruhe
Tag und Nacht, die das Thier haben angebetet und sein Bild; und so Je¬
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/30>, abgerufen am 16.05.2024.