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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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theilen zu lassen, und dadurch jeden einzeln Beglückten sich >ab Ihrem
Königlichen Hause persönlich zu verpflichten.

Werde ja doch zu einem einzelnen Geschenke von 100 Thlr. für eine
Beamtenwittwe oder einen Offizier die Königliche unmittelbare Genehmigung
eingeholt. Und hier, wo die bürgerliche Vernichtung oder Fortdauer einer
Familie auf dem Spiele stehe, und es darauf ankomme, Millionen zweckmäßig
oder unzweckmäßig zu verwenden, sei die unbeschränkte Disposition einem
Einzigen -- 80 Meilen vom Sitze der Central-Verwaltttng entfernt -- an¬
vertraut.

An die vorstehende" Erörterungen lassen sich einige unmaßgebliche Vor¬
schläge anknüpfen.

Wenn wirklich drei Millionen für die Gutsbesitzer in Preußen bewilligt
sind, so dürfte es wohl hinlänglich gewesen sein, davon eine Million zur
Deckung von Zinsen-Ausfällen bei der Landschaft und zur Niederschlagung
von Restziusen der Gutsbesitzer, oder zur baaren Unterstützung derselben zu
bestimmen, mithin einem möglichen Verluste zu widmen. Doch würden Zinsen-
erlasse und baare Unterstützungen immer nur als Vorschüsse -- wenn gleich
15 bis 20 Jahre lang ohne Zinsen -- zu betrachten gewesen sein. Es wären
also von dieser 1 Million nur etwa 500,000 Thlr. völlig verloren zu geben
gewesen, für 500,000 Thlr. aber die Aussicht gerettet sein, sie in besseren
Zeiten einziehen zu können. Restzinsenerlasse und baare Unterstützungen wären
nur zu geben gewesen:

wenn nach dem Zeugnisse bewährter benachbarter Landwirthe und
der Landschaft die Wahrscheinlichkeit erwiesen war, den zu betheilenden
Gutsbesitzer im Besitze zu erhalten, und wenn er -- sonst noch außer
der Landschaft verschuldet -- mit seinen Gläubigern über Zinsenerlasse
und Kündigungsfristen -- auch nicht unter 10 Jahren -- bündig
geschlossene gerichtliche Abkommen beibrachte.

Dadurch wäre vielen Gläubigern, die jetzt Alles verlieren, die Hoffnung
gelassen worden, dereinst und bei eintretender besserer Zeit zum Genusse ihrer
Forderungen zu gelangen, dem redlichen Schuldner aber die erfreuliche Mög¬
lichkeit gewährt, an der Wiederherstellung seiner Ehre und seines Kredits ar¬
beiten und seinen Gläubigern gerecht werden zu können. Schon die Hoffnung,
ehrlich bleiben zu können, ist dem redlichen Manne unendlich werth. Der
Ehrliche selbst wird schlecht, wenn ihm die Möglichkeit, ehrlich zu bleibe"
genommen wird. Ueberdies wird Industrie -- deren Mangel eine Hauptquelle
alles Elendes in Preußen ist -- durch die Nothwendigkeit, die keine Wahl
zwischen Ehre und Schande läßt, geweckt.

Blieben hiernach noch zwei Millionen zum Besten der Gutsbesitzer disponibel,


theilen zu lassen, und dadurch jeden einzeln Beglückten sich >ab Ihrem
Königlichen Hause persönlich zu verpflichten.

Werde ja doch zu einem einzelnen Geschenke von 100 Thlr. für eine
Beamtenwittwe oder einen Offizier die Königliche unmittelbare Genehmigung
eingeholt. Und hier, wo die bürgerliche Vernichtung oder Fortdauer einer
Familie auf dem Spiele stehe, und es darauf ankomme, Millionen zweckmäßig
oder unzweckmäßig zu verwenden, sei die unbeschränkte Disposition einem
Einzigen — 80 Meilen vom Sitze der Central-Verwaltttng entfernt — an¬
vertraut.

An die vorstehende» Erörterungen lassen sich einige unmaßgebliche Vor¬
schläge anknüpfen.

Wenn wirklich drei Millionen für die Gutsbesitzer in Preußen bewilligt
sind, so dürfte es wohl hinlänglich gewesen sein, davon eine Million zur
Deckung von Zinsen-Ausfällen bei der Landschaft und zur Niederschlagung
von Restziusen der Gutsbesitzer, oder zur baaren Unterstützung derselben zu
bestimmen, mithin einem möglichen Verluste zu widmen. Doch würden Zinsen-
erlasse und baare Unterstützungen immer nur als Vorschüsse — wenn gleich
15 bis 20 Jahre lang ohne Zinsen — zu betrachten gewesen sein. Es wären
also von dieser 1 Million nur etwa 500,000 Thlr. völlig verloren zu geben
gewesen, für 500,000 Thlr. aber die Aussicht gerettet sein, sie in besseren
Zeiten einziehen zu können. Restzinsenerlasse und baare Unterstützungen wären
nur zu geben gewesen:

wenn nach dem Zeugnisse bewährter benachbarter Landwirthe und
der Landschaft die Wahrscheinlichkeit erwiesen war, den zu betheilenden
Gutsbesitzer im Besitze zu erhalten, und wenn er — sonst noch außer
der Landschaft verschuldet — mit seinen Gläubigern über Zinsenerlasse
und Kündigungsfristen — auch nicht unter 10 Jahren — bündig
geschlossene gerichtliche Abkommen beibrachte.

Dadurch wäre vielen Gläubigern, die jetzt Alles verlieren, die Hoffnung
gelassen worden, dereinst und bei eintretender besserer Zeit zum Genusse ihrer
Forderungen zu gelangen, dem redlichen Schuldner aber die erfreuliche Mög¬
lichkeit gewährt, an der Wiederherstellung seiner Ehre und seines Kredits ar¬
beiten und seinen Gläubigern gerecht werden zu können. Schon die Hoffnung,
ehrlich bleiben zu können, ist dem redlichen Manne unendlich werth. Der
Ehrliche selbst wird schlecht, wenn ihm die Möglichkeit, ehrlich zu bleibe»
genommen wird. Ueberdies wird Industrie — deren Mangel eine Hauptquelle
alles Elendes in Preußen ist — durch die Nothwendigkeit, die keine Wahl
zwischen Ehre und Schande läßt, geweckt.

Blieben hiernach noch zwei Millionen zum Besten der Gutsbesitzer disponibel,


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[0029] theilen zu lassen, und dadurch jeden einzeln Beglückten sich >ab Ihrem Königlichen Hause persönlich zu verpflichten. Werde ja doch zu einem einzelnen Geschenke von 100 Thlr. für eine Beamtenwittwe oder einen Offizier die Königliche unmittelbare Genehmigung eingeholt. Und hier, wo die bürgerliche Vernichtung oder Fortdauer einer Familie auf dem Spiele stehe, und es darauf ankomme, Millionen zweckmäßig oder unzweckmäßig zu verwenden, sei die unbeschränkte Disposition einem Einzigen — 80 Meilen vom Sitze der Central-Verwaltttng entfernt — an¬ vertraut. An die vorstehende» Erörterungen lassen sich einige unmaßgebliche Vor¬ schläge anknüpfen. Wenn wirklich drei Millionen für die Gutsbesitzer in Preußen bewilligt sind, so dürfte es wohl hinlänglich gewesen sein, davon eine Million zur Deckung von Zinsen-Ausfällen bei der Landschaft und zur Niederschlagung von Restziusen der Gutsbesitzer, oder zur baaren Unterstützung derselben zu bestimmen, mithin einem möglichen Verluste zu widmen. Doch würden Zinsen- erlasse und baare Unterstützungen immer nur als Vorschüsse — wenn gleich 15 bis 20 Jahre lang ohne Zinsen — zu betrachten gewesen sein. Es wären also von dieser 1 Million nur etwa 500,000 Thlr. völlig verloren zu geben gewesen, für 500,000 Thlr. aber die Aussicht gerettet sein, sie in besseren Zeiten einziehen zu können. Restzinsenerlasse und baare Unterstützungen wären nur zu geben gewesen: wenn nach dem Zeugnisse bewährter benachbarter Landwirthe und der Landschaft die Wahrscheinlichkeit erwiesen war, den zu betheilenden Gutsbesitzer im Besitze zu erhalten, und wenn er — sonst noch außer der Landschaft verschuldet — mit seinen Gläubigern über Zinsenerlasse und Kündigungsfristen — auch nicht unter 10 Jahren — bündig geschlossene gerichtliche Abkommen beibrachte. Dadurch wäre vielen Gläubigern, die jetzt Alles verlieren, die Hoffnung gelassen worden, dereinst und bei eintretender besserer Zeit zum Genusse ihrer Forderungen zu gelangen, dem redlichen Schuldner aber die erfreuliche Mög¬ lichkeit gewährt, an der Wiederherstellung seiner Ehre und seines Kredits ar¬ beiten und seinen Gläubigern gerecht werden zu können. Schon die Hoffnung, ehrlich bleiben zu können, ist dem redlichen Manne unendlich werth. Der Ehrliche selbst wird schlecht, wenn ihm die Möglichkeit, ehrlich zu bleibe» genommen wird. Ueberdies wird Industrie — deren Mangel eine Hauptquelle alles Elendes in Preußen ist — durch die Nothwendigkeit, die keine Wahl zwischen Ehre und Schande läßt, geweckt. Blieben hiernach noch zwei Millionen zum Besten der Gutsbesitzer disponibel,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/29>, abgerufen am 15.05.2024.