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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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so war davon wohl kein besserer Gebrauch zu machen, als solche zur Amorti¬
sation der gesammten Pfandbriefs-Schuld von Preußen anzulegen. Wenn dafür
Pfandbriefe, zu 4 Prozent verzinslich, angekauft, und jedem bepfandbrieften
Gute xro Katg. seiner Schuld (2 Millionen werden 10 Prozent der ganzen
Pfandbriefsfumme sein) mit 10 Prozent derselben zu Gute geschrieben wurden,
so würde bei fortgesetzter gleichförmigen Zinsenzahlung die ganze Pfandbriefs-
schuld der Provinz Preußen in 59 Jahren erloschen sein.

Berechnungen, deren Einreichung vorbehalten wird, thun dies aufs klarste
dar. Wer auf solche Weise seiner Provinz wieder emporhelfen und die Nach¬
kommen des gegenwärtigen Geschlechts von der drückendsten Sklaverei, die es
giebt, der Sklaverei des Schuldbuchs, erlösen kann, der ist unstreitig der größte
Wohlthäter des Landes, dem er angehört.

Am 10. Dezember 1827.

Die mir vorliegende Abschrift trägt keine Unterschriften; offenbar stammt
dies Memoire her von einem oder mehreren Gutsbesitzern, die durch Schön's
Vorgehen sich gekränkt und benachtheiligt gefühlt. Wir sehen ihm gegenüber
uns sofort zu der Untersuchung veranlaßt, welchen Grad der Begründung wir
den Angaben und Urtheilen, die uns hier vorgetragen find, beimessen dürfen.
Zur Beantwortung dieser Frage gehört allerdings eine weit eingehendere und
detaillirtere Kenntniß der nationalökonomischen Verhältnisse der Provinz Preußen
in der ersten Hülste unseres Jahrhunderts, als ich sie besitze, -- ich würde es
nicht wagen, meinerseits irgend ein Wort der Kritik über diese Denkschrift und
über Schön's Verfahren in der angeregten Sache vorzubringen. Aber ich bin
in der glückliche" Lage, das Urtheil des kompeteutesten SachverstäUdigen, der
überhaupt in diesen Dingen nnr gehört werden kann, an dieser Stelle heran¬
ziehen zu dürfen. Mein Freund und früherer Kollege in Königsberg, Professor
Dr. Theodor Freiherr vou der Goltz hat sich auf meine Bitte der Mühe
unterzogen, die Behauptungen der gegen Schön gerichteten Denkschrift im ein¬
zelnen zu prüfen; er gestattet mir, unter ausdrücklicher Bezugnahme auf sein
Urtheil, eine Anzahl kritischer Randglossen zu dem oben abgedruckten Texte zu
veröffentlichen.

Auszugehen hat man bei der ganzen Untersuchung von den Ursachen des
Nothstandes der Grundbesitzer in Preußen, wie er im dritten Jahrzehnt unseres
Jahrhundertes offen zu Tage lag. Eine genaue Erwägung aller in Betracht
zu ziehenden Faktoren wird mehrfache Ursachen namhaft machen müssen: 1)
die Kriege mit ihren direkten und indirekten Folgen, durch welche die Saaten
zerstört, das Inventar der Güter vernichtet war; 2) die niederen Preise der
landwirthschaftlichen Produkte seit 1820; 3) Kreditlosigkeit der meisten Besitzer.


so war davon wohl kein besserer Gebrauch zu machen, als solche zur Amorti¬
sation der gesammten Pfandbriefs-Schuld von Preußen anzulegen. Wenn dafür
Pfandbriefe, zu 4 Prozent verzinslich, angekauft, und jedem bepfandbrieften
Gute xro Katg. seiner Schuld (2 Millionen werden 10 Prozent der ganzen
Pfandbriefsfumme sein) mit 10 Prozent derselben zu Gute geschrieben wurden,
so würde bei fortgesetzter gleichförmigen Zinsenzahlung die ganze Pfandbriefs-
schuld der Provinz Preußen in 59 Jahren erloschen sein.

Berechnungen, deren Einreichung vorbehalten wird, thun dies aufs klarste
dar. Wer auf solche Weise seiner Provinz wieder emporhelfen und die Nach¬
kommen des gegenwärtigen Geschlechts von der drückendsten Sklaverei, die es
giebt, der Sklaverei des Schuldbuchs, erlösen kann, der ist unstreitig der größte
Wohlthäter des Landes, dem er angehört.

Am 10. Dezember 1827.

Die mir vorliegende Abschrift trägt keine Unterschriften; offenbar stammt
dies Memoire her von einem oder mehreren Gutsbesitzern, die durch Schön's
Vorgehen sich gekränkt und benachtheiligt gefühlt. Wir sehen ihm gegenüber
uns sofort zu der Untersuchung veranlaßt, welchen Grad der Begründung wir
den Angaben und Urtheilen, die uns hier vorgetragen find, beimessen dürfen.
Zur Beantwortung dieser Frage gehört allerdings eine weit eingehendere und
detaillirtere Kenntniß der nationalökonomischen Verhältnisse der Provinz Preußen
in der ersten Hülste unseres Jahrhunderts, als ich sie besitze, — ich würde es
nicht wagen, meinerseits irgend ein Wort der Kritik über diese Denkschrift und
über Schön's Verfahren in der angeregten Sache vorzubringen. Aber ich bin
in der glückliche» Lage, das Urtheil des kompeteutesten SachverstäUdigen, der
überhaupt in diesen Dingen nnr gehört werden kann, an dieser Stelle heran¬
ziehen zu dürfen. Mein Freund und früherer Kollege in Königsberg, Professor
Dr. Theodor Freiherr vou der Goltz hat sich auf meine Bitte der Mühe
unterzogen, die Behauptungen der gegen Schön gerichteten Denkschrift im ein¬
zelnen zu prüfen; er gestattet mir, unter ausdrücklicher Bezugnahme auf sein
Urtheil, eine Anzahl kritischer Randglossen zu dem oben abgedruckten Texte zu
veröffentlichen.

Auszugehen hat man bei der ganzen Untersuchung von den Ursachen des
Nothstandes der Grundbesitzer in Preußen, wie er im dritten Jahrzehnt unseres
Jahrhundertes offen zu Tage lag. Eine genaue Erwägung aller in Betracht
zu ziehenden Faktoren wird mehrfache Ursachen namhaft machen müssen: 1)
die Kriege mit ihren direkten und indirekten Folgen, durch welche die Saaten
zerstört, das Inventar der Güter vernichtet war; 2) die niederen Preise der
landwirthschaftlichen Produkte seit 1820; 3) Kreditlosigkeit der meisten Besitzer.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/30>, abgerufen am 15.05.2024.