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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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zuertheilt. Sie haben es sich genommen als die stärksten, und höchstens könnte
man zur Begründung auf die alte Bedeutung Frankreichs als Land des
Römischen Kaisers Karls des Großen und auf die ehemalige Vereinigung
Spaniens und Oesterreichs mit dem Heiligen Römischen Reich Deutscher
Nation hinweisen. Aber mit dem alten Recht der deutsch-römischen Kaiser hat
das neue nichts zu thun, und das letztere darf nicht durch jenes begründet
werden. Die Geschichte spricht dagegen; denn das Recht der deutschen Kaiser
war schon längst, mindestens seit dem Statut Alexanders III. 1179, erloschen.
Noch mehr spricht das Wesen des neuen Rechtes dagegen, welches kein erst
nach der Wahl eintretendes Bestätigungsrecht ist, wie das alte, sondern sich
schon vor der Wahl durch Ausschließung des einen oder andern Kardinals
geltend macht.

Ihrer Entstehung gemäß erscheint die Exklusive unter zwei Formen, als
indirekte stillschweigende und als formale oder direkte. Jene war natürlich die
frühere; sie war nichts anderes als die schon längst vorhandene, aber von den
mächtigen Staaten jetzt energischer und regelmäßiger geltend gemachte Einwir¬
kung auf die Wahl durch Gewinnung der Wahlstimmen. Wer im Stande war
mehr als ein Dritttheil der Stimmen gegen einen bestimmten oder mehrere
Kandidaten zu gewinnen, hatte damit dessen Wahl unmöglich gemacht und die
(indirekte) Exklusive durchgesetzt. Die Mächte bedienten sich vorzugsweise dieser
Art der Exklusive, weil sie am wenigsten Anstoß erregte und die sicherste
war. Sie alle, und natürlich nicht blos die drei Hauptmächte, bestrebten sich
möglichst viele Kardinäle auf ihre Seite zu ziehen, um im geeigneten Moment
ihren Kandidaten durchsetzen oder wenigstens einen nicht genehmen ausschließen
zu können. Parteiung, Intrigue und Wühlerei herrschten unter den Kardi¬
nälen, für welche von Sieg oder Niederlage viel abhing, und die so gewählten
Päpste waren zum großen Theil unbedeutend, weil in dem Widerstreit der
Interessen die Schwächlinge allen Parteien am wenigsten gefährlich schienen.

Außer der indirekten Exklusive bedienten sich Frankreich, Spanien und
Oesterreich aber auch schon früh des direkten Veto gegen die Wahl eines be¬
stimmten Kardinals. Dasselbe ist in unserm Jahrhundert wiederholt angewendet
und von der römischen Kurie als ein Recht anerkannt worden. Im Anfang
seiner Entstehung ist das letztere durchaus nicht immer der Fall gewesen, wie
aus einigen Wahlen schon zur Zeit Karls V. und Philipps II. deutlich her¬
vorgeht. 1549 wurde Julius III., 1555 Marcellus II. und Paul IV. ohne
Rücksicht auf das ausdrückliche Veto des spanischen Königs gewählt. Es wird
berichtet, daß Paul IV. selbst, als er uoch Kardinal Caraffa war und durch
den spanischen Gesandten Mendoza benachrichtigt wurde, daß seine Wahl dem
König nicht genehm sei, geantwortet habe: "Wenn Gott will, daß ich Papst


zuertheilt. Sie haben es sich genommen als die stärksten, und höchstens könnte
man zur Begründung auf die alte Bedeutung Frankreichs als Land des
Römischen Kaisers Karls des Großen und auf die ehemalige Vereinigung
Spaniens und Oesterreichs mit dem Heiligen Römischen Reich Deutscher
Nation hinweisen. Aber mit dem alten Recht der deutsch-römischen Kaiser hat
das neue nichts zu thun, und das letztere darf nicht durch jenes begründet
werden. Die Geschichte spricht dagegen; denn das Recht der deutschen Kaiser
war schon längst, mindestens seit dem Statut Alexanders III. 1179, erloschen.
Noch mehr spricht das Wesen des neuen Rechtes dagegen, welches kein erst
nach der Wahl eintretendes Bestätigungsrecht ist, wie das alte, sondern sich
schon vor der Wahl durch Ausschließung des einen oder andern Kardinals
geltend macht.

Ihrer Entstehung gemäß erscheint die Exklusive unter zwei Formen, als
indirekte stillschweigende und als formale oder direkte. Jene war natürlich die
frühere; sie war nichts anderes als die schon längst vorhandene, aber von den
mächtigen Staaten jetzt energischer und regelmäßiger geltend gemachte Einwir¬
kung auf die Wahl durch Gewinnung der Wahlstimmen. Wer im Stande war
mehr als ein Dritttheil der Stimmen gegen einen bestimmten oder mehrere
Kandidaten zu gewinnen, hatte damit dessen Wahl unmöglich gemacht und die
(indirekte) Exklusive durchgesetzt. Die Mächte bedienten sich vorzugsweise dieser
Art der Exklusive, weil sie am wenigsten Anstoß erregte und die sicherste
war. Sie alle, und natürlich nicht blos die drei Hauptmächte, bestrebten sich
möglichst viele Kardinäle auf ihre Seite zu ziehen, um im geeigneten Moment
ihren Kandidaten durchsetzen oder wenigstens einen nicht genehmen ausschließen
zu können. Parteiung, Intrigue und Wühlerei herrschten unter den Kardi¬
nälen, für welche von Sieg oder Niederlage viel abhing, und die so gewählten
Päpste waren zum großen Theil unbedeutend, weil in dem Widerstreit der
Interessen die Schwächlinge allen Parteien am wenigsten gefährlich schienen.

Außer der indirekten Exklusive bedienten sich Frankreich, Spanien und
Oesterreich aber auch schon früh des direkten Veto gegen die Wahl eines be¬
stimmten Kardinals. Dasselbe ist in unserm Jahrhundert wiederholt angewendet
und von der römischen Kurie als ein Recht anerkannt worden. Im Anfang
seiner Entstehung ist das letztere durchaus nicht immer der Fall gewesen, wie
aus einigen Wahlen schon zur Zeit Karls V. und Philipps II. deutlich her¬
vorgeht. 1549 wurde Julius III., 1555 Marcellus II. und Paul IV. ohne
Rücksicht auf das ausdrückliche Veto des spanischen Königs gewählt. Es wird
berichtet, daß Paul IV. selbst, als er uoch Kardinal Caraffa war und durch
den spanischen Gesandten Mendoza benachrichtigt wurde, daß seine Wahl dem
König nicht genehm sei, geantwortet habe: „Wenn Gott will, daß ich Papst


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[0396] zuertheilt. Sie haben es sich genommen als die stärksten, und höchstens könnte man zur Begründung auf die alte Bedeutung Frankreichs als Land des Römischen Kaisers Karls des Großen und auf die ehemalige Vereinigung Spaniens und Oesterreichs mit dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation hinweisen. Aber mit dem alten Recht der deutsch-römischen Kaiser hat das neue nichts zu thun, und das letztere darf nicht durch jenes begründet werden. Die Geschichte spricht dagegen; denn das Recht der deutschen Kaiser war schon längst, mindestens seit dem Statut Alexanders III. 1179, erloschen. Noch mehr spricht das Wesen des neuen Rechtes dagegen, welches kein erst nach der Wahl eintretendes Bestätigungsrecht ist, wie das alte, sondern sich schon vor der Wahl durch Ausschließung des einen oder andern Kardinals geltend macht. Ihrer Entstehung gemäß erscheint die Exklusive unter zwei Formen, als indirekte stillschweigende und als formale oder direkte. Jene war natürlich die frühere; sie war nichts anderes als die schon längst vorhandene, aber von den mächtigen Staaten jetzt energischer und regelmäßiger geltend gemachte Einwir¬ kung auf die Wahl durch Gewinnung der Wahlstimmen. Wer im Stande war mehr als ein Dritttheil der Stimmen gegen einen bestimmten oder mehrere Kandidaten zu gewinnen, hatte damit dessen Wahl unmöglich gemacht und die (indirekte) Exklusive durchgesetzt. Die Mächte bedienten sich vorzugsweise dieser Art der Exklusive, weil sie am wenigsten Anstoß erregte und die sicherste war. Sie alle, und natürlich nicht blos die drei Hauptmächte, bestrebten sich möglichst viele Kardinäle auf ihre Seite zu ziehen, um im geeigneten Moment ihren Kandidaten durchsetzen oder wenigstens einen nicht genehmen ausschließen zu können. Parteiung, Intrigue und Wühlerei herrschten unter den Kardi¬ nälen, für welche von Sieg oder Niederlage viel abhing, und die so gewählten Päpste waren zum großen Theil unbedeutend, weil in dem Widerstreit der Interessen die Schwächlinge allen Parteien am wenigsten gefährlich schienen. Außer der indirekten Exklusive bedienten sich Frankreich, Spanien und Oesterreich aber auch schon früh des direkten Veto gegen die Wahl eines be¬ stimmten Kardinals. Dasselbe ist in unserm Jahrhundert wiederholt angewendet und von der römischen Kurie als ein Recht anerkannt worden. Im Anfang seiner Entstehung ist das letztere durchaus nicht immer der Fall gewesen, wie aus einigen Wahlen schon zur Zeit Karls V. und Philipps II. deutlich her¬ vorgeht. 1549 wurde Julius III., 1555 Marcellus II. und Paul IV. ohne Rücksicht auf das ausdrückliche Veto des spanischen Königs gewählt. Es wird berichtet, daß Paul IV. selbst, als er uoch Kardinal Caraffa war und durch den spanischen Gesandten Mendoza benachrichtigt wurde, daß seine Wahl dem König nicht genehm sei, geantwortet habe: „Wenn Gott will, daß ich Papst

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/396>, abgerufen am 16.06.2024.