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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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dem jungen Baron den Dichterlorbeer auf silberner Schüssel, in öffentlicher
Sitzung der Fakultät, die das Recht besaß, Dichter zu krönen. Die Halber-
stüdter machten es bald darauf nach, sie'krönten eine Dame, Charlotte
Unger, geb. Ziegler (29 I.) als Dichterin. Aber die Stimmung hatte sich
einmal gegen Gottsched gerichtet, und nur seine Dichterkrönung verfiel dem
Fluch der Lächerlichkeit.

Die Verbindung mit Schönaich hatte für Gottsched noch einen
großen Nachtheil: der junge Baron'war ein Klopffechter und wurde nicht müde,
gegen seine Gegner -- nicht blos Bodmer sondern auch Lessing -- plumpe
Pasquille zu veröffentlichen, wofür dann Gottsched büßen mußte.

Klopstock war klug und vornehm genng, zu dieser ganzen Polemik zu
schweigen. In Kopenhagen entwickelte sich mehr und mehr seine deutsche Ge¬
sinnung; im Namen der deutschen Dichtung fordert er die Muse Englands
zum Wettlauf heraus. Noch ist es eine junge, bebende Streiterin, für die er
eintritt: "doch sie bebte männlich, und glühende, siegswerthe Nöthen über¬
strömten flammend die Wang', und ihr goldenes Haar flog."

Auch deutsche Stoffe gingen ihm auf. -- "Ha dort kommt er mit Schweiß,
mit Römerblute, mit dem Staube der Schlacht bedeckt! so schön war Hermann
niemals! so hat's ihm nie von dem Auge geflammt! Komm, ich bebe vor
Lust! Reich mir den Adler und das triefende Schwert! Komm, alba' und
rud hier aus in meiner Umarmung von der zu schrecklichen Schlacht! Ruh'
hier, daß ich den Schweiß der Stirn abtrockne, und der Wange das Blut!
Wie glüht die Wange! -- Hermann! Hermann! so hat dich niemals Thus¬
nelda geliebt."

Um Graf Bernstorf sammelte sich in Kopenhagen eine deutsche Kolonie.
Klopstock, sein Freund Rahn, der seine Schwester heirathete, der Oberhof¬
prediger Cramer; dazu eine ganze Zahl holsteinischer Edelleute; die Stadt
sah mitunter gerade so deutsch aus wie Zürich.

Klopstock hatte aufgehört, in unglücklicher Liebe zu schwelgen. 9. April
1752 meldet er seinem Gleim, daß er ganz und gar nicht mehr unglücklich ist.
"Ich weiß, daß es meinem Gleim sehr lieb ist, das zuerst zu wissen. Wie aber
alles zugegangen, sage ich Ihnen noch nicht ganz. -- In so wichtigen Sachen
der Glückseligkeit, als Liebe und Freundschaft sind, kann ich unmöglich halb
glücklich oder halb unglücklich sein- Daher bin ich so lange traurig gewesen,
und da ich aufgehört habe, traurig zu sein, habe ich auch ganz und gar auf¬
gehört."

4. Juni, in Hamburg, verlobte er sich mit Meta Moller. "Er ward
mein!" schreibt diese an Giseke. -- "Sie werden glauben", schreibt er aus
Quedlinburg, wo er in zärtlichem Verkehr mit Gleim, Cramer und Ramler


dem jungen Baron den Dichterlorbeer auf silberner Schüssel, in öffentlicher
Sitzung der Fakultät, die das Recht besaß, Dichter zu krönen. Die Halber-
stüdter machten es bald darauf nach, sie'krönten eine Dame, Charlotte
Unger, geb. Ziegler (29 I.) als Dichterin. Aber die Stimmung hatte sich
einmal gegen Gottsched gerichtet, und nur seine Dichterkrönung verfiel dem
Fluch der Lächerlichkeit.

Die Verbindung mit Schönaich hatte für Gottsched noch einen
großen Nachtheil: der junge Baron'war ein Klopffechter und wurde nicht müde,
gegen seine Gegner — nicht blos Bodmer sondern auch Lessing — plumpe
Pasquille zu veröffentlichen, wofür dann Gottsched büßen mußte.

Klopstock war klug und vornehm genng, zu dieser ganzen Polemik zu
schweigen. In Kopenhagen entwickelte sich mehr und mehr seine deutsche Ge¬
sinnung; im Namen der deutschen Dichtung fordert er die Muse Englands
zum Wettlauf heraus. Noch ist es eine junge, bebende Streiterin, für die er
eintritt: „doch sie bebte männlich, und glühende, siegswerthe Nöthen über¬
strömten flammend die Wang', und ihr goldenes Haar flog."

Auch deutsche Stoffe gingen ihm auf. — „Ha dort kommt er mit Schweiß,
mit Römerblute, mit dem Staube der Schlacht bedeckt! so schön war Hermann
niemals! so hat's ihm nie von dem Auge geflammt! Komm, ich bebe vor
Lust! Reich mir den Adler und das triefende Schwert! Komm, alba' und
rud hier aus in meiner Umarmung von der zu schrecklichen Schlacht! Ruh'
hier, daß ich den Schweiß der Stirn abtrockne, und der Wange das Blut!
Wie glüht die Wange! — Hermann! Hermann! so hat dich niemals Thus¬
nelda geliebt."

Um Graf Bernstorf sammelte sich in Kopenhagen eine deutsche Kolonie.
Klopstock, sein Freund Rahn, der seine Schwester heirathete, der Oberhof¬
prediger Cramer; dazu eine ganze Zahl holsteinischer Edelleute; die Stadt
sah mitunter gerade so deutsch aus wie Zürich.

Klopstock hatte aufgehört, in unglücklicher Liebe zu schwelgen. 9. April
1752 meldet er seinem Gleim, daß er ganz und gar nicht mehr unglücklich ist.
„Ich weiß, daß es meinem Gleim sehr lieb ist, das zuerst zu wissen. Wie aber
alles zugegangen, sage ich Ihnen noch nicht ganz. — In so wichtigen Sachen
der Glückseligkeit, als Liebe und Freundschaft sind, kann ich unmöglich halb
glücklich oder halb unglücklich sein- Daher bin ich so lange traurig gewesen,
und da ich aufgehört habe, traurig zu sein, habe ich auch ganz und gar auf¬
gehört."

4. Juni, in Hamburg, verlobte er sich mit Meta Moller. „Er ward
mein!" schreibt diese an Giseke. — „Sie werden glauben", schreibt er aus
Quedlinburg, wo er in zärtlichem Verkehr mit Gleim, Cramer und Ramler


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[0509] dem jungen Baron den Dichterlorbeer auf silberner Schüssel, in öffentlicher Sitzung der Fakultät, die das Recht besaß, Dichter zu krönen. Die Halber- stüdter machten es bald darauf nach, sie'krönten eine Dame, Charlotte Unger, geb. Ziegler (29 I.) als Dichterin. Aber die Stimmung hatte sich einmal gegen Gottsched gerichtet, und nur seine Dichterkrönung verfiel dem Fluch der Lächerlichkeit. Die Verbindung mit Schönaich hatte für Gottsched noch einen großen Nachtheil: der junge Baron'war ein Klopffechter und wurde nicht müde, gegen seine Gegner — nicht blos Bodmer sondern auch Lessing — plumpe Pasquille zu veröffentlichen, wofür dann Gottsched büßen mußte. Klopstock war klug und vornehm genng, zu dieser ganzen Polemik zu schweigen. In Kopenhagen entwickelte sich mehr und mehr seine deutsche Ge¬ sinnung; im Namen der deutschen Dichtung fordert er die Muse Englands zum Wettlauf heraus. Noch ist es eine junge, bebende Streiterin, für die er eintritt: „doch sie bebte männlich, und glühende, siegswerthe Nöthen über¬ strömten flammend die Wang', und ihr goldenes Haar flog." Auch deutsche Stoffe gingen ihm auf. — „Ha dort kommt er mit Schweiß, mit Römerblute, mit dem Staube der Schlacht bedeckt! so schön war Hermann niemals! so hat's ihm nie von dem Auge geflammt! Komm, ich bebe vor Lust! Reich mir den Adler und das triefende Schwert! Komm, alba' und rud hier aus in meiner Umarmung von der zu schrecklichen Schlacht! Ruh' hier, daß ich den Schweiß der Stirn abtrockne, und der Wange das Blut! Wie glüht die Wange! — Hermann! Hermann! so hat dich niemals Thus¬ nelda geliebt." Um Graf Bernstorf sammelte sich in Kopenhagen eine deutsche Kolonie. Klopstock, sein Freund Rahn, der seine Schwester heirathete, der Oberhof¬ prediger Cramer; dazu eine ganze Zahl holsteinischer Edelleute; die Stadt sah mitunter gerade so deutsch aus wie Zürich. Klopstock hatte aufgehört, in unglücklicher Liebe zu schwelgen. 9. April 1752 meldet er seinem Gleim, daß er ganz und gar nicht mehr unglücklich ist. „Ich weiß, daß es meinem Gleim sehr lieb ist, das zuerst zu wissen. Wie aber alles zugegangen, sage ich Ihnen noch nicht ganz. — In so wichtigen Sachen der Glückseligkeit, als Liebe und Freundschaft sind, kann ich unmöglich halb glücklich oder halb unglücklich sein- Daher bin ich so lange traurig gewesen, und da ich aufgehört habe, traurig zu sein, habe ich auch ganz und gar auf¬ gehört." 4. Juni, in Hamburg, verlobte er sich mit Meta Moller. „Er ward mein!" schreibt diese an Giseke. — „Sie werden glauben", schreibt er aus Quedlinburg, wo er in zärtlichem Verkehr mit Gleim, Cramer und Ramler

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/509>, abgerufen am 29.05.2024.